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Migration: Fluchtgrund Ankara: Viele Menschen aus der Türkei suchen Asyl in Deutschland

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Fluchtgrund Ankara: Viele Menschen aus der Türkei suchen Asyl in Deutschland

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    Die Zahl der Asylanträge von Türken in Deutschland hat sich binnen zwölf Monaten verdreifacht.
    Die Zahl der Asylanträge von Türken in Deutschland hat sich binnen zwölf Monaten verdreifacht. Foto: Andreas Arnold, dpa (Archivbild)

    Can, ein Familienvater aus Istanbul, hat seine Entscheidung getroffen. „Das ist nicht mehr das Land, das ich kenne“, sagt er. In der Türkei sehe er keine Zukunft mehr für sich und seine Tochter. Can, der in Wirklichkeit anders heißt und Repressalien befürchtet, hat beschlossen, seine Heimat mit Frau und Kind zu verlassen. Tausende seiner Landsleute denken ähnlich – und viele von ihnen wollen nach Deutschland. Bei den Asylbewerbern liegen nur Syrer und Afghanen zahlenmäßig vor den Türken. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zählte bis September rund 35.300 Erstanträge auf Asyl von türkischen Staatsbürgern; das waren dreimal so viele als die 11.600 Anträge im Vorjahreszeitraum. 

    Erdogans System raubt vielen türkischen Menschen die Hoffnung

    Das autokratische System unter Präsident Recep Tayyip Erdogan und die schlechte Wirtschaftslage sind die Hauptgründe für die Abwanderung vieler Türken. Viele dürften noch die Wahlen im Mai abgewartet haben, bei denen die Opposition auf einen Sieg über Erdogan gehofft hatte, die Wende aber nicht schaffte. 

    „Die sich zunehmend verschlechternde Situation raubt Millionen von Menschen die Hoffnung für die Zukunft“, sagt der türkische Abgeordnete Mustafa Yeneroglu. Dieser wuchs in Köln auf, war lange Mitglied in Erdogans Partei AKP und sitzt heute für die Oppositionspartei Deva im Parlament von Ankara. „Betroffen sind in erster Linie Rechtsstaatlichkeit, Wirtschaft und Bildung. Staatliche Repressionen und Willkür bei der Ausübung von Staatsgewalt haben zugenommen, Korruption und Vetternwirtschaft kommen hinzu“, sagte Yeneroglu unserer Redaktion.

    Wer politisch verfolgt werde, habe häufig keine Chance auf ein faires Verfahren der türkischen Justiz, fügt Yeneroglu hinzu. Fast jede Woche nimmt die Polizei angebliche Staatsfeinde fest, denen Mitgliedschaft in der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen oder in der kurdischen Terrororganisation PKK vorgeworfen wird. 

    Zwei von drei jungen Türken möchten am liebsten auswandern

    Hinzu kommt, dass viele Türken wirtschaftlich nicht mehr über die Runden kommen. Die Inflation liegt bei über 60 Prozent, die Lira verliert gegenüber Euro und Dollar ständig an Wert. Vor allem junge Türken streben ins Ausland. In einer Untersuchung der Konrad-Adenauer-Stiftung unter Türken im Alter zwischen 18 und 25 Jahren sagten zwei von drei, sie würden aus wirtschaftlichen Gründen ins Ausland gehen, wenn sie könnten. Deutschland war das beliebteste Zielland. 

    Das liege nicht nur daran, dass schon drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland leben und die Bundesrepublik ein wirtschaftlich starkes Land sei, sagt Yeneroglu. Er nennt noch einen weiteren Punkt: „Deutschland hat in puncto Rechtsstaatlichkeit einen guten Ruf in der türkischen Bevölkerung“, sagt er. „Deshalb fliehen Menschen, die verzweifelt sind und keinen anderen Ausweg für sich sehen, nach Deutschland. Sie erhoffen sich ein faires Verfahren, das man in aller Regel auch bekommt.“

    Viele unbesetzte Stellen: Auch viele türkische Ärzte kehren ihrer Heimat den Rücken

    Unter den Auswanderern sind viele Ärzte und andere Akademiker. Als das Gesundheitsministerium jüngst Stellen für 3000 Ärztinnen und Ärzte in Gesundheitseinrichtungen ausschrieb, meldeten sich laut Medienberichten keine Tausend. Die deutschen Behörden reagieren auf die steigende Zahl der Asylsuchenden, indem sie weniger Reisevisa an Türken vergeben.

    Nur eine neue europäische Perspektive für die Türkei könnte die Lage verbessern, sagt Oppositionspolitiker Yeneroglu. Er hofft, dass der Türkei „die Tür zur EU nicht zugeschlagen wird“. Obwohl der Beitrittsprozess seit Jahren de facto auf Eis liegt, plädiert der Politiker dafür, die

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