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Migration: Wie Deutschland den Umgang mit Flüchtlingen regelt

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Wie Deutschland den Umgang mit Flüchtlingen regelt

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    Geflüchtete aus der Ukraine laufen nach ihrer Ankunft durch die Eingangshalle vom Messebahnhof Laatzen. Ukrainische Flüchtlinge können ohne Visum nach Deutschland einreisen. Nach der Einreise können sie sich für 90 Tage in Deutschland aufhalten.
    Geflüchtete aus der Ukraine laufen nach ihrer Ankunft durch die Eingangshalle vom Messebahnhof Laatzen. Ukrainische Flüchtlinge können ohne Visum nach Deutschland einreisen. Nach der Einreise können sie sich für 90 Tage in Deutschland aufhalten. Foto: Michael Matthey, dpa

    Es gilt als eine der großen Lehren, die die Welt oder wenigstens der Westen aus dem Grauen des Zweiten Weltkriegs gezogen hatte: das Recht auf Asyl. „Angesichts der Shoah und der Verfolgung politisch Andersdenkender im Nationalsozialismus schlossen viele europäische Staaten ihre Grenzen für Flüchtende“, erinnert Bernd Kasparek, Migrationsexperte der Humboldt-Universität Berlin. „Der individuelle Schutzanspruch soll einem solchen staatlichen Agieren entgegenwirken und einen wirksamen Rechtsanspruch begründen, der auch gegen die Staaten durchgesetzt werden kann.“

    Das individuelle Recht auf Asyl zwinge die Länder, sich ihrer Verantwortung für den Flüchtlingsschutz zu stellen. „Er ist das Fundament wirksamer Schutzsysteme“, sagt Kasparek. Asyl sollte seither ein Recht sein und keine Gnade, die gewährt werden kann oder auch nicht. Umso größer ist der Aufschrei, der auf den Vorschlag des Unions-Politikers Thorsten Frei folgte: Das Recht des einzelnen Menschen, auf europäischem Boden Asyl zu beantragen, soll nach seiner Vorstellung abgeschafft und durch eng begrenzte Kontingente für die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa ersetzt werden.

    Doch so einfach ist das schon aus rein formalen Gründen nicht. Geregelt ist das Recht auf Asyl gleich dreifach: im deutschen Grundgesetz, in der Genfer Flüchtlingskonvention (also dem Völkerrecht) und im Europarecht. „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, heißt es in Artikel 16a des Grundgesetzes. Es wird individuell bei jedem und jeder einzelnen Asylsuchenden geprüft, ob eine politische Verfolgung vorliegt. Die Genfer Flüchtlingskonvention schützt zudem Menschen, die sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung oder wegen ihrer politischen Überzeugungen außerhalb ihres Heimatlandes befinden, vor der Ausweisung in ein Land, in dem Verfolgung droht. Zudem haben sich alle EU-Staaten über die EU-Verträge verpflichtet, sich an die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die Charta der Grundrechte zu halten. Aus diesen ist auch ein Schutz für Geflüchtete abzuleiten.

    Grundrecht auf Asyl wurde bereits eingeschränkt

    Im Laufe der Jahre wurde das Grundrecht auf Asyl in Europa bereits deutlich eingeschränkt. Seit den 90er Jahren gibt es die sogenannte Dublin-Regel, die besagt, dass, wer über einen sicheren Drittstaat oder einen anderen EU-Staat einreist, keinen Anspruch auf Asyl geltend machen kann. Auch bei sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ geht man davon aus, dass dort keine staatliche Verfolgung stattfindet und somit kein Asylgrund vorliegen kann. Das komplizierte Geflecht unterscheidet ganz genau zwischen anerkannten Asylbewerbern, Flüchtlingen und etwa subsidiär Geschützten.

    Tatsächlich machen jene Migrantinnen und Migranten, denen ein individuelles Recht auf Asyl zugestanden wird, nur einen sehr kleinen Anteil unter allen Geflüchteten aus. Von allen, die Asyl beantragen, sind es nicht einmal ein Prozent. Deutlich mehr Menschen sind Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder gelten als „subsidiär Schutzbedürftige“. Es ist ein Hilfsmittel, um auch jenen zu helfen, die kein Asyl bekommen. „Subsidiär schutzberechtigt sind Menschen, die stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass ihnen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht und sie den Schutz ihres Herkunftslands nicht in Anspruch nehmen können oder wegen der Bedrohung nicht in Anspruch nehmen wollen“, schreibt das Bundesamt für Migration in seiner Definition. Die Aufenthaltserlaubnis für diese Menschen ist begrenzt. Unter anderem Flüchtlinge aus Syrien erhielten in Deutschland vielfach nur subsidiären Schutz. Im Jahr 2022 wurden zudem rund 17 Prozent der Menschen, die in Deutschland einen Antrag auf Schutz stellten, als Flüchtlinge gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt. 

    Deutschland hat bereits Kontingentflüchtlinge

    Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums verweist zudem darauf, dass es die von Frei geforderte Aufnahme von Flüchtlingen über Kontingente bereits gibt. Kontingentflüchtlinge müssen kein Asylverfahren durchlaufen, sondern erhalten direkt eine Aufenthaltserlaubnis. Seit den 1990er Jahren erhielten zum Beispiel eingewanderte Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion den Status als Kontingentflüchtling. Auch aus Afghanistan wurden seit Mai 2021 rund 30.000 Menschen aufgenommen, darunter Ortskräfte mit ihren Angehörigen sowie weitere als besonders schutzbedürftig identifizierte Afghaninnen und Afghanen. Seit 2022 sind etwa 2000 Menschenrechtsverteidiger und Frauenrechtlerinnen mit Familie aufgenommen worden, vor allem aus Russland, Belarus und dem Iran.

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