Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Rechtsextremismus: Das hat die Berichterstattung über das Treffen von Potsdam bewirkt

Rechtsextremismus

Pläne für „Remigration“: Das hat die Berichterstattung über das Treffen von Potsdam bewirkt

    • |
    • |
    Im Februar 2024 demonstrierten zwischen 25.000 und 30.000 Menschen in Augsburg gegen rechts.
    Im Februar 2024 demonstrierten zwischen 25.000 und 30.000 Menschen in Augsburg gegen rechts. Foto: Peter Fastl (Archivbild)

    Vor einem Jahr löste die „Geheimplan“-Recherche einen Aufschrei in Deutschland aus: AfD-Politiker, zwei CDU-Mitglieder, Rechtsextreme und finanzstarke Unterstützer sollten die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland geplant haben, wie das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv berichtete. Kern des Treffens ist demnach ein Vortrag zur sogenannten Remigration von Martin Sellner. Darin erklärte der Rechtsextremist, wer seiner Ansicht nach Deutschland verlassen soll: „Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht – und ‚nicht assimilierte Staatsbürger’“, wie es im Artikel heißt.

    Schnell demonstrieren Millionen Menschen deutschlandweit gegen rechts. Die Stimmen für ein Parteiverbot der AfD werden lauter. Correctiv erhält für die Recherche viel Aufmerksamkeit, auch bei der Augsburger Allgemeinen. Das gemeinnützige Recherchezentrum wurde 2014 gegründet und mit investigativen Recherchen bekannt. Finanziert wird es durch private Spenden sowie Zuwendungen von Stiftungen und Institutionen, auch der Bundesregierung.

    „Geheimplan“-Recherche wiederholt in der Kritik

    Doch wiederholt steht die Frage im Raum: Behauptet der Artikel mehr, als er belegen kann? Ein Kritikpunkt: Mehr als in anderen Correctiv-Recherchen würde hier mit Interpretationen aufgefüllt, was nicht lückenlos an Gesagtem und Getanem dokumentiert werden könne. Kritiker hinterfragen zudem, wie konkret eine Vertreibung von Millionen Menschen geplant wurde. Andere merken dagegen an, schon die Vernetzung von bürgerlichen Politikern mit Rechtsextremen biete genug Grund zur Sorge.

    „Zuerst hat die AfD auf die Recherche und die Demonstrationen schockiert und hilflos reagiert“, sagt Klaus Meier, Professor für Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Parteichefin Alice Weidel entließ einen Mitarbeiter, der in Potsdam dabei war. Doch dann sei es der Partei Schritt für Schritt gelungen, ein Gegennarrativ zu verbreiten, so Meier – zum Beispiel mit dem Hinweis darauf, dass nichts Konkretes geplant worden sei. Und es gibt erste Klagen.

    Ein Jahr nach Veröffentlichung gibt es neue Klagen

    So will der Jurist Ulrich Vosgerau, der am Treffen teilgenommen hat, mehrere Abschnitte aus dem Text gerichtlich untersagen lassen. Im Februar 2024 erhält Correctiv bei zwei Abschnitten recht. Bei einem anderen Satz zum Thema Wahlprüfbeschwerde hat Vosgerau Erfolg. Correctiv betont, keiner der Punkte berühre den Kern der Recherche.

    Ein Jahr später geht Vosgerau erneut juristisch gegen den Text vor, ebenso der Organisator des Treffens Gernot Mörig. Beide wehren sich laut Correctiv dagegen, dass der Artikel in Bezug auf Sellners Vortrag die Bewertung vorgenommen habe, Formulierungen zu den „nicht assimilierten Staatsbürgern“ könnten als Ausweisung verstanden werden. „Wir stehen zu unserer Bewertung und sehen die Forderungen der beiden Teilnehmer als wenig erfolgsversprechend an“, sagt Correctiv-Chefredakteur Justus von Daniels.

    Klagen gegen einzelne Passagen ziehen die gesamte Recherche in Zweifel

    Aus Sicht von Journalistikprofessor Meier gelingt es den Kritikern dennoch, „das Narrativ umzudrehen“. Die Folge: Die gesamte Recherche werde so in Zweifel gezogen. „Das ist fatal, weil man so der PR von AfD und anderen aufsitzt.“

    Kritisch sieht Meier auch den Vorwurf, die Recherche sei zu ungenau. Man könne kritisieren, dass sie nicht extrem sachlich aufgeschrieben sei. „Aber man muss doch festhalten, dass der Kern der Recherche immer unangefochten blieb und bleibt – sowohl in den journalistischen Medienkritik als auch in der juristischen Auseinandersetzung.“

    Die Recherche zeigt Verbindungen auf, die keine bloße Randerscheinung sind

    Was also bleibt vom „Geheimplan“? Die Recherche zeigt Verbindungen auf, die die AfD zuvor eher als Randerscheinung abgetan hat. Hochrangige AfD-Mitglieder, darunter die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy aus Inning am Ammersee und ein Mitarbeiter der Parteispitze, haben sich mit Vertretern und Unterstützern rechtsextremen Gedankenguts getroffen.

    Huy selbst hat an der Recherche wiederholt scharfe Kritik geäußert. „Mit unzulässigen Mitteln“ sei „ein privates Treffen ausgespäht“ worden. Sie sei spät dazu eingeladen worden, habe keine Tagesordnung erhalten und daher im Voraus nichts von Martin Sellners geplantem Auftritt gewusst. Huy beschreibt einen halbstündigen Vortrag und zehn bis 15 Minuten Austausch. „Geplant wurde da gar nichts.“ Auch nichts Verfassungswidriges, so Huy. Sie verweist auf Klagen gegen Correctiv, auch die aktuell laufende.

    Auch in Dasing gab es ein Rechten-Treffen

    Mittlerweile haben jedoch viele Medien zahlreiche Verbindungen von konservativen und rechten Politikern ins extreme Spektrum aufgedeckt. Bereits in den Wochen nach der ersten Veröffentlichung von Correctiv belegten Beiträge unserer Redaktion, dass es vor dem Potsdamer Treffen bereits eine ähnliche Veranstaltung in Dasing bei Augsburg gegeben hat. Diese Recherche wurde nie angezweifelt.

    Offenbar waren diese Treffen der Anfang einer weiteren Diskusverschiebung. So hat die AfD kaum noch ein Problem mit dem Begriff „Remigration“ – im Gegenteil, die Forderung gehört heute zum festen Bestand der AfD-Programmatik. Parteichefin Weidel etwa nutzte ihn mit Nachdruck beim Parteitag Mitte Januar. Gleichzeitig hat sich die Debatte verschärft. Sogar CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz spricht offen darüber, straffällig gewordenen Menschen mit zwei Pässen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen.

    Anmerkung der Redaktion: Maria-Mercedes Hering ist Mitglied im Lokaljournalismus-Netzwerk Correctiv.Lokal und kooperiert darüber für Recherchen mit Lokalredaktionen aus ganz Deutschland.

    Diskutieren Sie mit
    6 Kommentare
    Franz Xanter

    Wie konnte es soweit kommen? Wer ist denn für Sicherheit, Zufriedenheit im Lande verantwortlich? Hat die Politik immer noch nicht begriffen, dass es ein Auseinanderdriften der öffentlichen Meinung, des öffentlichen Gemeinwohls gegenüber der derzeitigen Politik gibt? Zu sehr scheint man an Althergebrachtem, an der eigenen politischen Karriere interessiert zu sein und hat dabei das Ganze aus den Augen verloren. Das Volk beginnt sich zu rühren, egal in welcher Art und Weise. Die Politik täte gut daran, Anzeichen bzw. Stimmungen zu erkennen und entsprechendes Handeln einzuleiten. Oberlehrerhaftes Verhalten gegenüber dem Rest der Welt schadet nur DEU und seinen Einwohnern. Sicherheit, Zufriedenheit und Wohlstand müssen erreicht und gefestigt werden. In erster Linie muss es um DEU und den Interessen seiner Bewohner gehen.

    |
    Maria Reichenauer

    Was hat dieser Kommentar nun mit der Correctiv-Recherche zu tun? Die AfD versucht, eine Recherche durch Nadelstiche zu entkräften, deren Kernaussage aber richtig ist und auch bestehen bleibt. Die AfD versucht, durch Beschönigung und Relativierung einen Keil in die Bevölkerung zu treiben. Das knappe Viertel des Volkes, das sich da mit rechtsextremistischen Parolen und rassistischen Phantasien Gehör verschaffen möchte – da stehen immerhin drei Viertel dagegen.

    Peter Pfleiderer

    >>Anmerkung der Redaktion: Maria-Mercedes Hering ist Mitglied im Lokaljournalismus-Netzwerk Correctiv.Lokal<< - Zu echtem Journalismus hätten auch Verweise auf Prozesse vor Arbeitsgerichten gehört. www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/potsdamer-geheimtreffen-kuendigung-urteil-100.html

    |
    Maria Reichenauer

    Ach, Herr Pfleiderer, mit diesem Link haben Sie sich wieder mal selbst ein Bein gestellt. Sie sollten sich nicht nur mit Frau Baum und deren unrechtmäßige Kündigung freuen, Sie sollten sich das Video ansehen, wo die AfD nicht besonders gut wegkommt im Faktencheck. Man sieht hier deutlich, wie Baumann abwiegelt, beschönigt, versucht zu relativieren – schauen Sie sich das Video an – wird Ihnen nicht gefallen.

    Peter Pfleiderer

    Mit einem Link zum ZDF ist man auch schon rechts? Für mich sollte Journalismus halt eine gewisse Recherchetiefe aufweisen. Und gut dass noch Gerichte entscheiden und nicht die mit Vernichtungswillen ausgestattete grüne Paralleljustiz.

    Maria Reichenauer

    Herr Pfleiderer. Sie haben sich den Link nicht genau angeschaut. In diesem Link, den Sie Ihrem Kommentar angehängt haben, ist ein Video enthalten, ein Faktencheck zu Äußerungen von AfD-Leuten (Höcke und Baumann), die nachweislich die Unwahrheit gesagt haben. Das sollten Sie sich ansehen. Da können Sie die Recherchetiefe des ZDF genau verfolgen. Ob die Kündigung von Frau Baum rechtens ist oder nicht, ist mir ziemlich egal und hat mit dem Kern der Correcti-Recherche sowieso wenig zu tun.

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden