
Ukrainische Anwältin: "Vergewaltigungen passen zur russischen Propaganda"

Die ukrainische Anwältin Kateryna Busol erklärt, wie sexualisierte Gewalt im Ukraine-Krieg eingesetzt wird, was bei Ermittlungen zu beachten ist und was Überlebende am dringendsten brauchen.

Von den Kriegsschauplätzen in der Ukraine erreichen uns Berichte über schreckliche Vergewaltigungen und sexualisierte Folter. Wie weit verbreitet ist sexualisierte Gewalt in diesem Konflikt?
Kateryna Busol: Offenbar gibt es ziemlich viele Übergriffe, aber es ist unmöglich, die Situation auch nur annähernd zuverlässig zu beurteilen. Es ist sehr schwierig, in einem aktiven Kriegsgebiet Ermittlungen durchzuführen. Außerdem fällt es den Opfern sexueller Übergriffe oft schwer, sich zu melden. Klar ist jedoch: Die Muster, die wir jetzt sehen, sind in größerem Umfang repräsentativ für das, was im Kontext des Krim-Konflikts schon seit 2014 passiert.
Können Sie dieses Muster beschreiben?
Busol: Es gibt sexuelle Übergriffe gegen die ukrainische Zivilbevölkerung, sexualisierte Folter und Misshandlung von Kriegsgefangenen. Kürzlich kamen 86 ukrainische Kriegsgefangene, darunter 15 Frauen, frei, im Rahmen eines Gefangenenaustauschs mit Russland. Sie berichteten, dass sie gezwungen wurden, sich vor allen auszuziehen, dass sie überall durchsucht wurden und sich vor ihren Bewachern hinhocken mussten. Und dann sind da die schrecklichen Verbrechen, die an der Zivilbevölkerung begangen werden: Kinder werden vergewaltigt, Frauen vor den Augen ihrer Kinder geschändet, Vergewaltigungsopfer werden verbrannt. Ich muss sagen – als Juristin und als Zivilistin -, dass ich Gewalt und Bösartigkeit in dem Ausmaß wie seit der russischen Invasion im Februar noch nie gesehen habe.
Ein UN-Bericht fand 2017 keinen Hinweis darauf, dass in der Ukraine sexuelle Übergriffe aus militärstrategischen Gründen begangen wurden. Ist das jetzt anders?
Busol: Ich habe dieser Analyse schon damals nicht zugestimmt. Es gibt eine mehr oder weniger systematische Anwendung sexualisierter Gewalt durch die russischen Streitkräfte. Das sind Verbrechen, die bei den Opfern den intimsten Wesensteil zerstören und die in der Öffentlichkeit als furchtbare Drohung wirken. Diese Taten sind ein Mittel der Unterdrückung und Unterwerfung des ukrainischen Volkes. Sie können deswegen durchaus als Kriegswaffe bezeichnet werden. Und sie passen zur russischen Propaganda.
Können Sie das erklären?
Busol: Der russischen Propaganda zufolge muss die Ukraine vom Nationalsozialismus befreit werden. Demnach wurde die ukrainische Bevölkerung durch den so genannten Westen einer Gehirnwäsche unterzogen und macht sich mitschuldig an den angeblichen antirussischen Aktionen der Regierung in Kiew. Alle Ukrainer, Soldaten wie Zivilisten, werden in dieser Erzählung völlig entmenschlicht - was es den russischen Soldaten ermöglicht, ohne Angst vor Strafe zu morden und zu vergewaltigen.
Bei den Opfern sexueller Übergriffe, die sich bisher gemeldet haben, handelt es sich fast ausschließlich um Frauen. Gibt es auch männliche Opfer?
Busol: Seit Beginn des Krim-Krieges 2014 sind Männer in Gefangenschaft Opfer von Vergewaltigung geworden; sie wurden mit Elektroschocks an den Genitalien gefoltert und mit der Androhung von Kastration unter Druck gesetzt. Männliche Opfer von Sexualverbrechen werden immer noch stärker stigmatisiert und haben es schwerer, Gehör zu finden. Wichtig ist in diesem Kontext auch die Situation von LGBTQ-Personen: Queere, lesbische und schwule Freiwillige haben sich öffentlichkeitswirksam den ukrainischen Streitkräften angeschlossen. Ich sorge mich um ihre Sicherheit. Die russische Armee ist für ihren rücksichtlosen Umgang mit Homosexuellen berüchtigt.
Wie kann den Opfern von sexueller Gewalt in der Ukraine jetzt geholfen werden?
Busol: Nichtregierungsorganisationen wie La Strada berichten von einem Ansturm auf ihre Hotlines. Ihre Aufgabe ist es, die Opfer mit den überlebenswichtigen Informationen zu versorgen: Wo gibt es medizinische Hilfe wie Notfallverhütung? Welche Möglichkeiten der Selbsthilfe und der psychologischen Unterstützung gibt es? Und natürlich müssen diese Verbrechen aufgeklärt und die Täter vor Gericht gestellt werden.
Die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Venediktova hat sich bereits mit internationalen Experten beraten und sie um Unterstützung gebeten. Wie können solche Verbrechen inmitten eines bewaffneten Konflikts untersucht werden?
Busol: Was Ermittler verstehen müssen: Sie müssen den Überlebenden Zeit geben, zu schweigen - so lange wie nötig. Ja, Tempo ist bei solchen Ermittlungen wichtig, aber die Opfer dürfen nicht retraumatisiert werden. In der Vergangenheit wurden Übergriffe in Kriegen oft wie eine Vergewaltigung in Friedenszeiten behandelt: Beweise mussten sofort gesichert, medizinische Untersuchen innerhalb von 72 Stunden durchgeführt werden. Das ist in der aktuellen Situation kaum möglich und es ist auch nicht nötig - es gibt andere Möglichkeiten, diese Verbrechen zu untersuchen. Die Opfer sind in einem sehr labilen Zustand, sie können oft nicht einmal mit ihren eigenen Angehörigen sprechen. Es ist entscheidend, sie erst einmal zu stabilisieren.
Was brauchen die Überlebenden am dringendsten?
Busol: Sexuelle Gewalttaten traumatisieren nicht nur die Opfer, sondern auch deren Partner und Familien. Aus Gesprächen mit Überlebenden würde ich sagen, dass es wirklich wichtig ist, ihnen Zugang zu Therapie, auch zu Paartherapie zu verschaffen. Sie brauchen Unterstützung bei der beruflichen Wiedereingliederung - und bei der Wohnungssuche. Für Überlebende sexueller Gewalt ist es essenziell, die Sicherheit eines Zuhauses zu spüren. In dieser Hinsicht gab es schon früher zu wenig Unterstützung– und jetzt ist das eine noch viel größere Herausforderung.
Wie reagiert man in der Ukraine auf diese Kriegsverbrechen?
Busol: Die jüngsten Berichte über sexuelle Übergriffe haben zu einem Umdenken bei den Ermittlungsbehörden beigetragen, sodass diesen Taten endlich mit der nötigen Aufmerksamkeit und Expertise begegnet wird. In der ukrainischen Gesellschaft findet ein zweiter Wandel statt, über den ich mich sehr freue: Die Öffentlichkeit hat Mitgefühl mit den Opfern. Statt Stigmatisierung gibt es viel Unterstützung. Der Wunsch nach Gerechtigkeit ist weit verbreitet. Die Verbrechen werden nicht nur als Verbrechen gegen Individuen gesehen, sondern als Teil des Angriffs auf die gesamte Nation.
Zur Person: Die ukrainische Anwältin Kateryna Busol hat sich auf Menschenrecht und internationales Strafrecht spezialisiert. Sie ist unter anderem für den Thinktank Chatham House tätig und arbeitet aktuell im Rahmen eines Forschungsstipendiums in Regensburg.
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Krieg ist ein mit Waffen und Gewalt ausgetragener Konflikt.. Vor 25 Jahren der Kosovo Krieg ...sexuelle Gewalt wir zur Kriegswaffe.. Im Kosovo damals wurden 20.000 Frauen, Kinder und Männer vergewaltigt, viele nach Deutschland geholt, auf Kuren, in Kliniken um sie gesund zu machen.. Im Bosnien, 25.000 Frauen, im Ruandas Krieg wurden mindestens ein viertel Million Frauen vergewaltigt, ebenso im Kongo..2015 tausende im Nigeria, Sudan, Syrien und im zweiten Weltkrieg alleine in Deutschland 900.000 tausend Frauen , Kinder..usw.. Ob es eine spezielle männliche Ausnahme Situation ist.. im Rausch einer Gewaltspirale..??? Viele der Frauen haben hinterher geklagt eine Rente bekommen.. Vielleicht sollten Männer in der Ausbildung und während eines Einsatzes besser betreut werden.. Darum finde ich, es darf keine Kriege mehr geben..! Und wer denkt mit Krieg kann man Frieden schaffen, der irrt sich gewaltig..
Herr Rainer Kraus ,
am Allernötigsten wäre doch , daß die innerrussische Propagandamaschine , die offensichtlich der von Goebbles in Nichts nachsteht , zum Stillstand käme !
Und ebenso die russische Verfolgung von Opposition und Andersdenkenden !
Dann könnte man nämlich die Wahrheit erfahren , wieviele Russen tatsächlich hinter ihrem Größten Führer aller Zeiten und seiner "militärischen Sonderoperation" vulgo Angriffkrieg zur Vernichtung der Ukraine stehen .
Viele werden es nämlich nicht sein - würde in Russland nicht eine der nationalsozialistischen Oppression in nichts nachstehende Unterdrückung herrschen . Wer wird schon im heutigen Rußland einem ihn Fragenden die Wahrheit sagen - könnte der Fragende doch von der Gestapo , pardon , dem FSB sein .
Die russische Unterdrückung begann mit dem Machtantritt Putins !
Und mit ihr Wahlfälschung , Propaganda rund um die Uhr , vorgefertigte Gerichtsurteil , Giftanschläge , Verhaftungen , Kriege ...
Das ganz große Rätsel bleibt , warum gerade Deutschland - das doch in seiner Geschichte zwei solche ebenbürtig brutale Diktaturen auf eigenem Territorium erlebt hat - diese Zeichen der Zeit nicht erkannt hatte , nie erkennen wollte ?!
Es ist die große Hoffnung , daß der - schon 2014 mit der Krim-Invasion - von den herrschenden Kremel-Kleptokraten begonnene Krieg das allumfassende Ende der Putin'schen Diktatur werden wird .
Nicht die immer schon friedfertige, demokratische, nach westlichen Werten strebende Ukraine muß "entnazifiziert" werden (wie der Kremel propagandistisch behauptet) - Rußland muß endlich entnazifiziert werden !
@ Von Jochen H. 19:32 Uhr
Warum äußern Sie sich eigentlich nicht zu den hier geschilderten Verbrechen?
Raimund Kamm
An Jochen H: Sie können ihre Freunde in Moskau mal auffordern gegen den Krieg was zu sagen. 15 Jahre Knast! Das ist doch ein Toller Staat in dem alle prima ist. Oder wollen sie nicht mal in Moskau was gegen den Krieg sagen. Dann hören wir wieder in 15 Jahre was von ihnen. Viel Spaß!
Es wäre lobenswert, wenn einmal die bösen Russen in unseren "freien Medien" zu Wort kämen.
Das findet nicht und wird auch nicht stattfinden. Deu ist schliesslich Kriegspartei für die Ukraine, da haben Berichte der Gegenseite keinen Platz. Für den Leser bleiben da nur Internet Infos über z. Bsp. Al Jazeera. Oder wenn man ein bisschen Russisch verseht RU Zeitungen im Internet, die noch frei zugänglich und Übersetzungs Service anbieten um auch Infos von der anderen Seite zu bekommen. Wie z.Bsp über Mariupol, das kurz vor dem Fall steht und große Teile der Stadt schon ohne UA Kämpfer sind, aber auch Zivilbewaffnete ohne Kombattanten Status noch in den Ruinen agieren und sich Azow Brigade Mitglieder versuchen sich aus der Stadt zu stehlen.
Wozu? Leider waren bisher alle Ankündigungen LÜGEN. Der ganze Apparat ist auf Lügen und Unterdrückung aufgebaut.
Es ist schlimm, nur durch Dialog kann der Krieg beendet werden. Aber Verhandlungen mit Lügnern sind halt sehr schwierig.
Die Endlösung ist für Putins die Zerstörung der westeuropäischen Ordnung. Das muss bei allen Verhandlungen bedacht werden.
Das können Sie gerne hier nachlesen:
https://www.newstatesman.com/world/europe/ukraine/2022/04/russia-cannot-afford-to-lose-so-we-need-a-kind-of-a-victory-sergey-karaganov-on-what-putin-wants
Das könnte wirklich mal als Artikel in der Augsburger Zeitung erscheinen. Da haben Sie vollkommen recht.
Sehr geehrter Herr Jochen H.
Die Medien in Russland sind so frei wie der „Stürmer“ vor 80 Jahren.
Dann ein wenig Rechtsgeschichte. Der „Partisan“ ist geradezu eine russische Erfindung. Wenn Sie das Vorgehen dieser militärischen Bande, die ohne Hoheitszeichen in einem fremden Land wütet, rechtfertigen wollen, dann bekommt nahezu jedes Gemetzel der SS im Kampf gegen Partisanen eine Rechtfertigung. Und um es zu Ende zu bringen - Kombattant ist, nach Anpassung der Haager Landkriegsordnung auf die Partisanen, wer offen Waffen trägt. Damit ist ihr Hinweis auf „Zivilbewaffnete ohne Kombattanten-Status“ einfach nur Unsinn.
Wie gesagt - vor allem dann, wenn eine militärisch bewaffnete Bande ohne Hoheitszeichen angreift.
So richtig kann auch ich auch Ihre unverhohlenen Freude über den bevorstehenden Fall von Mariopol nicht nachvollziehen. Der militärische Sieg dort wird errungen, indem man die Stadt auslöscht. Hätte die russische Militärbande eine Atomwaffe über der Stadt eingesetzt, der Effekt wäre exakt der selbe, es wäre nur schneller gegangen. Es ist und bleibt Barbarentum einer terroristischen Bande gegen die Zivilbevölkerung.
Und ihre „Medien“ verkünden ja auch schon die Auslassungen von Herrn Lavrow, wonach auch Lettland voller Nazis ist. Haben Sie da auch schon ein „Nszi-Regiment“ entdeckt?
@Jochen H.
Bewaffnete Zivilisten haben durchaus einen Kombattentenstatus. Sie müssen nur die Waffe offen tragen!
https://de.wikipedia.org/wiki/Kombattant#Lev%C3%A9e_en_masse
Wenn sie organisiiert sind und udn eingegliedert erst recht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kombattant#Milizen,_Freiwilligenkorps_und_die_Polizei
Putin hat siene Wagner-Söldner daggen mit einem Trick zu "Kombattanten" erklärt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gruppe_Wagner#Rechtlicher_Rahmen_und_Geheimhaltung
@Rainer K.
Die Russen kommen nicht zu Wort. Ist Ihnen nicht bekannt, dass Russland seinen Einmarsch u.a. mit einem Genozid begründet? Um nur ein Beispiel zu nennen.
Die in den Berichten geschilderten Verbrechen udn auch weitere Folter und Hinrichtungen sind nicht neu. Über diese berichtet seit Jahren u.a. AI und Human Right Watch im Donbass. Tausendfach begangen von den "Separatisten".
Einige "Separatisten" rühmen sich sogar seit Jahren öffentlich damit.