Draußen tobt der übliche Zirkus. „Wir müssen Amerika retten!“, ruft eine Frau mit roter Baseballkappe ins Megafon. „Sperrt ihn ein!“, skandiert eine Gruppe auf der anderen Seite. Die Berufsdemonstranten von den „Blacks for Trump“ sind ebenso da wie Trump-Kritiker Domenic Santana, der im gestreiften Häftlingskostüm schon zu den Verfahren des Ex-Präsidenten in Manhattan und in Miami gereist war. Doch mindestens so groß wie das Aufgebot der Protestler ist das der Fernsehteams aus aller Welt, die rund um das betongraue Gerichtsgebäude in Washington ihre Aufsagerpositionen bezogen haben.
Es herrscht eine gewisse Routine, einerseits. Immerhin ist das schon die dritte Anklage gegen den Ex-Präsidenten, und manches wiederholt sich. Die pompöse Anreise des Narzissten mit dem Privatjet etwa. Seine Ausfälle gegen die Justiz. Und die Aufgeregtheit einiger Medien, die alles dies live übertragen.
Im dritten Verfahren gegen Donald Trump geht es um einen Putschversuch
Trotzdem ist etwas ganz anders als bei den ersten Verfahren. Da ging es um Schweigegeldzahlungen für einen Pornostar und beiseitegeschaffte Regierungsdokumente. Nun wird Trumps schwerwiegendstes Vergehen verhandelt – sein Versuch, die Wahl 2020 zu kippen und widerrechtlich im Amt zu bleiben. Die Verschwörung, die Trump in der 45-seitigen Anklageschrift vorgeworfen wird, gipfelte in dem blutigen Sturm auf das Kapitol. Nur wenige Hundert Meter trennen das Gericht vom Schauplatz des Verbrechens.
Drinnen muss Donald Trump erst einmal warten. Eine knappe Viertelstunde später als angekündigt erscheint Bezirksrichterin Moxila Upadhyaya. Und dann begrüßt sie den 77-Jährigen auch noch als „Mister Trump". Beim letzten Verfahren in Miami war er noch als „former president“ angesprochen worden. Im Gerichtssaal sind keine Kameras zugelassen. Aber erfreut dürfte der Republikaner-Boss kaum sein.
Gerade mal eine halbe Stunde dauert das offizielle Prozedere: Trump muss seine Personalien bestätigen, die Anklage im Fall 23/257 „United States of America vs. Donald J. Trump“ wird verlesen, der Beschuldigte plädiert auf „nicht schuldig“. Als Termin für die erste Anhörung wird der 28. August festgelegt. Dabei muss Trump persönlich nicht anwesend sein. Aber die von Barack Obama berufene Richterin Tanya Chutkan, die künftig den Fall leiten wird und als harte Juristin gilt, hat klargemacht, dass sie einen zügigen Prozess anstrebe.
Um 16.42 Uhr wird die Anklageverlesung abgeschlossen. Wenige Minuten später braust eine imposante Wagenkolonne von sieben schwarzen SUV aus der Tiefgarage des Gerichts. Trump und seine Entourage werden von der Polizei zum Flughafen begleitet, wo sein Flugzeug wartet, das ihn zurück zu seinem Golfclub in New Jersey bringen wird. In Washington hat er keine Bleibe mehr, seit er sein Hotel verkaufen musste. Auch ein Stopp in einem Restaurant für eine bizarre Siegesfeier wie in Miami bietet sich nicht unbedingt an: In Amerikas Hauptstadt haben 93 Prozent der Bürger für Joe Biden gestimmt.
Sonderermittler im Verfahren gegen Trump unabhängig vom Weißen Haus
In der Zwischenzeit hat es begonnen zu regnen. Die Demonstranten ziehen langsam ab. Trump aber will den Ort seiner jüngsten Anklage nicht verlassen, ohne mal wieder das letzte Wort zu haben. Unter einem Regenschirm am Flughafen gibt er noch eine Erklärung ab. „Das ist die Verfolgung eines politischen Gegners“, beklagt er sich einmal mehr und behauptet erneut, die Biden-Regierung wolle ihn belangen, weil er die besten Chancen auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur habe. Tatsächlich hat das Justizministerium mit Jack Smith eigens einen Sonderermittler eingesetzt, der keinerlei Vorgaben aus dem Weißen Haus erhält.
Ähnlich stark wie die Anklage scheint Trump die Rückkehr in jene Stadt beeindruckt zu haben, in der er vier Jahre lang im Weißen Haus residierte. „Das ist ein trauriger Tag für Amerika. Und es war auch sehr traurig, durch Washington zu fahren und den Dreck und den Verfall zu sehen“, eröffnet er sein bizarres Statement: „Dies ist nicht der Ort, den ich verlassen habe.“
Vieles wäre einfacher, wenn Trump einfach beschließen würde, dass er in das vermeintliche Drecksloch am Potomac nicht zurückkehren möchte. Doch damit ist nicht zu rechnen. Im Gegenteil. Noch am selben Tag versendet der Ex-Präsident einen neuen Spendenaufruf für seine Kampagne, aus deren Kasse er auch seine Anwaltskosten bezahlt. Darin behauptet er, die „Verbrecher des Deep State“ wollten ihn lebenslang ins Gefängnis werfen: „Bitte leisten Sie einen Beitrag, um zu zeigen, dass wir unser Land niemals der Tyrannei überlassen.“ Die Kandidatur ist für Trump eine Geldmaschine und die beste Versicherung gegen eine mögliche Verurteilung vor Gericht.