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Wahl in Brasilien
27.10.2022

Wie Bolsonaros radikale Anhänger für einen "biblischen Krieg" trainieren

Comando Golgoa (Achtung, nicht verwenden, nur einmalig und mit Textbindung!) A member from Comando Golgota preaches to the students during a 13km walk. The students from Comando Golgota learn the rules of the military hierarchy, such as the continence and how to call their superiors. The camp takes place in a small communities and is militarized. There are hierarchies among the members, organized by time and presence during the Comando’s history. During some part of the camp, the members pretend that they are the police from an anti christian country that does not accept evangelicals. The participants of the camp are the missionaries who have to survive and keep their church alive. In the second day of the camp, the students go inside the forest for a 13km walk. There, they pray, ask for forgiveness and reflect upon their religion. Maranhao, Brazil. July 17, 2021. Photo: Ian Cheibub<br>
Foto: Ian Cheibub

Jair Bolsonaro und seine Jünger wollen den Regenwald weiter abholzen. Noch wappnen sie sich im Schutz des Dschungels für den möglichen Umsturz.

Am Rande des brasilianischen Regenwaldes schnürt Jackson Souza seine Militärstiefel und zieht sich eine Sturmhaube über. Es ist ein Freitagabend im Sommer, 20 Uhr. Der Mittvierziger bringt sich vor einer Baracke in Stellung und wartet darauf, dass auf der Lehmstraße die ersten Gestalten erscheinen. Sie gehen an Fackeln vorbei, die Jackson und seine Kameraden zuvor aufgestellt haben, kommen näher, zaghaft, wie zusammengetriebene Schafe. Wer hier reinwill, muss an Souza vorbei.

Genau das ist gar nicht so einfach – zumindest für Journalisten. Nur wenigen ist es gelungen in die Welt einzutauchen, die Souza versucht von der Außenwelt abzuschotten: Die Welt der Evangelikalen, zutiefst gläubige und radikale Christen, die im brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro ihren Messias sehen.

Hinter der Baracke liegt die Welt des Comando Golgota, einer militarisierten Gruppe aus der Stadt Imperatriz im nordbrasilianischen Bundesstaat Maranhão. Zwei Stunden entfernt haben Jackson und seine Kameraden ein Trainingscamp eingerichtet. Sie tragen Uniformen, als wären sie Soldaten und keine Bauern oder Polizisten wie Jackson Souza, der im richtigen Leben anders heißt. Was bisweilen wie ein Theater wirkt, ist Training für den Ernstfall: „Falls unser Land in einen biblischen Krieg geht, will ich vorbereitet sein, das Volk Gottes zu verteidigen“, sagt Jackson.

Bolsonaro will den Regenwald abholzen, Lula ihn schützen

Und dieser Krieg hat längst begonnen. Am 30. Oktober 2022 findet in Brasilien der Showdown der Präsidentenwahl statt: Jair Bolsonaro gegen Luiz Inácio „Lula“ da Silva, der rechte Präsident gegen den linken Herausforderer. Bolsonaro leugnet den Klimawandel, Lula kämpft dagegen an. Bolsonaro will den Regenwald weiter abholzen, Lula ihn besser schützen. Unter Bolsonaro wurde mit 31.000 Quadratkilometern Regenwald eine Fläche von der Größe Belgiens abgeholzt, während die Abholzung unter seinem Vorgänger Lula um 83 Prozent zurückgegangen war.

Was Umweltschützer und Aktivisten als Katastrophe sehen, ist für die Kämpfer des Comando Golgota Teil einer evangelikalen Vision – die Zivilisierung Amazoniens. Als radikale Freikirchler zählen sie zu der wichtigsten Wählergruppe Brasiliens. Jedes Jahr werden 14.000 neue evangelikale Kirchen gegründet. 2032 wird Brasilien voraussichtlich das größte evangelikale Land der Welt sein, mit Millionen von Anhängern, die ebenso an die Irrtumsfreiheit der Bibel glauben, wie sie die letzten indigenen Stämme im Busch bekehren wollen – unter Jair Bolsonaro, der mit zweitem Namen tatsächlich Messias heißt, ihrem irdischen Vertreter von Jesus Christus.

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Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro verfolgt eine radikale Ideologie.
Foto: Eraldo Peres, AP/dpa

So wird diese Wahl nicht bloß über die Zukunft Brasiliens entscheiden, sondern auch über den größten CO2-Speicher der Erde. Laut dem Ökologen Carlos Nobre steht der größte Regenwald der Welt vor dem „tipping point“, dem Punkt, an dem seine Degradation zur Savanne unaufhaltbar und unumkehrbar wird. Schätzungen zufolge sind heute knapp 20 Prozent des Amazonasbeckens zerstört. Laut den Berechnungen von Nobre liegt der „tipping point“ bei zwischen 20 und 25 Prozent. Eine weitere Amtszeit von Jair Bolsonaro würde den Regenwald wohl an diesen Punkt bringen.

„Wieso bist du hier?“, ruft Jackson Souza dem ersten Mann zu, der vor der Baracke Einlass ins Camp verlangt. Es ist der Auftakt eines Rollenspiels für die Männer und wenigen Frauen. Nun wird die für sie schlimmste aller Möglichkeiten gespielt: ein Brasilien unter Lula da Silva, in dem die Kirche verboten ist und dieses Camp als Zufluchtsort gilt.

„Bist du etwa Christ?“, will Jackson wissen. Es ist eine Fangfrage, denn Jackson gibt vor, ein Feind des Evangeliums und Anhänger Lulas zu sein. Wird der Mann den Test bestehen? Sich auch in so einem Moment der Gefahr nicht von Jesus abwenden? „Ich bin ein Schüler von Jesus Christus“, sagt er stotternd, worauf Jackson ihn in die Baracke zieht, auf den Lehmboden setzt und flüstert: „Warte hier, gleich geht es weiter.“

Bibel, Rinder, Munition – das sind Bolsonaros Schlagworte

Die evangelikale Bewegung radikalisiert sich seit einigen Jahren. Es gibt dutzende von Gruppen wie das Comando Golgota, die mehrmals im Monat Camps durchführen. „Zur Unterhaltung“, sagt der Leiter Sebastião, evangelikaler Pastor, der die Teilnehmenden nach dem Test um ein Feuer in der Camp-Mitte einstimmt auf Anstrengungen in den nächsten 48 Stunden. So wollen sie sich gegen Kommunisten, Sozialisten und Umweltschützer verteidigen – alles Feinde des Evangeliums.

Vor vier Jahren wurde Bolsonaro von einer Koalition ins Amt gewählt, die in Brasilien als „Bíblia, Boi e Bala“ bekannt ist – Bibel, Rinder und Munition. Seine Ideologie hat Bolsonaro durch vier Gesetze unantastbar gemacht, die heute als „Paket der Zerstörung“ bekannt sind: Eines entkriminalisiert Waldrodung, eines erlaubt Goldschürfen und Bergbau in indigenen Gebieten; die Neuauflagen zweier weiterer Gesetze machen Umweltzonen wirkungslos und sprechen Indigenen de facto Landrechte ab. Zwei Drittel der Abgeordneten der Regionalparlamente stimmten für diese Gesetze.

Laut einer Studie des IPAM, einer Umweltorganisation, sind Abholzungen und Rodungen während Bolsonaros Amtszeit von 2018 bis 2021 im Vergleich zu 2016 bis 2018 um 56,6 Prozent gestiegen. Den Wandel sieht man in Imperatriz. Vor 30 Jahren war Jackson Souzas Heimat noch von Regenwald umgeben, heute ist die Region gerodet und Imperatriz gilt als ein Machtzentrum für Rinderzucht, Sojaanbau und Evangelikalismus. Wahrzeichen ist der Templo Central, eine „Megakirche“ der Assembléia de Deus, der größten freikirchlichen Gemeinde der Welt.

Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva mit seiner Frau Rosangela.
Foto: Andre Penner, AP/dpa

Hier steigen Jackson und die anderen Uniformierten am Freitagmittag in den Bus, um ins Wochenendcamp zu fahren. Training in Glaube und Fitness, im Wald, den Körper ans Limit bringen. Diese Verbindung von Militär und Religion gefällt ihm. „Im Moment der größten Erschöpfung ist man Gott am nächsten“, sagt er.

Im echten Leben sind die Teilnehmer oft bei den Sicherheitskräften oder in der Landwirtschaft. Viele Pastoren von Freikirchen sind selbst Landbesitzer, die die Ausbeutung der Natur als legitimen Teil des Glaubens sehen. „Wohlstandevangelium“ nennt sich die Doktrin, nach der Geld ein Zeichen von Gottes Gunst ist. Auf der Suche nach Reichtum steht Gott an der Seite der Suchenden.

„Evangelikale haben begonnen, sich gegen den Schutz der Umwelt zu wenden“, sagt Renan William dos Santos, Soziologe an der Universität São Paulo: „Sie haben die Idee entwickelt, dass Umweltschutz das Trojanische Pferd ist, mit dem Kommunisten und internationale Eliten Brasilien den Amazonas stehlen wollen.“

Dabei steht die Natur in Brasilien vielerorts unter Schutz – theoretisch. Allein in Amazonien gibt es 116 Nationalparks, die Umweltgesetze sind, auf dem Papier, vorbildlich. 50 Kilometer vom Camp des Comando Golgota entfernt liegt das Schutzreservat Extremo Norte. Hier leben tausende Menschen von der Sammelwirtschaft, Kokosnussknackerinnen, Sammler von Paranüssen. Doch es ist theoretisch auch quadratkilometerweise Weideland.

Der Regenwald ist schwer gezeichnet von Abholzung.
Foto: Isaac Risco-Rodriguez, dpa

An dem Abend im Oktober 2018, als Bolsonaro zum Präsidenten gewählt wurde, versammelten sich hunderte Bauern am Rand des Reservats. Sie marschierten, von Traktoren begleitet, durch die Schotterstraßen. Einer von ihnen ist Carlos Augusto, genannt Seu Baixinho, der Kleine. „Vor 20 Jahren kam ich mit nichts außer ein paar Haaren auf meinem Kopf hierher“, sagt er. „Heute habe ich 500 Rinder, eigenes Land, mir geht es gut.“ Augusto war einer von Tausenden, die hierherkamen, weil sie vom Staat Anreize erhielten, zum Zwecke der „Modernisierung“ des Landes.

Für Seu Baixinho wiederholt sich mit Bolsonaros Zivilisierung des Regenwaldes die Geschichte. Auch er glaubt an eine blühende Zukunft Amazoniens, als Treiber der brasilianischen Wirtschaft. „Wir ernähren das Land mit Fleisch, Bohnen, Reis“, sagt er, „von Kokosnüssen kann keiner leben.“ Das ist zwar wahr. Eine andere Wahrheit ist aber auch: Die Farmer bekamen vor 20 Jahren von den Präfekten Land zugeteilt, das sie bewirtschaften durften. Es gehört ihnen aber oft nicht. Seu Baixinho befürchtet, wie Rinderfarmer oder Sojabauern in ganz Amazonien, eine Regierung Lula könnte es ihnen einfach wieder wegnehmen.

„Jesus ist gekommen“, ruft der brasilianische Pastor

Noch im März 2019 kontrollierte eine Art Umweltpolizei das Gebiet. Bolsonaros Regierung dünnte sie so aus, dass es kaum noch Kontrollen gab. Als Umweltminister wurde ein Agrarlobbyist eingesetzt. Und im Schutzreservat übernahmen die Rinderzüchter wie Seu Baixinho die Macht.

Am zweiten Camp-Tag knien die Teilnehmer in der Mitte des Camps auf dem Boden, betend, einige weinen, darunter auch Jackson. Vor ihnen predigt Pastor Sebastião, in einer Hand die Bibel, mit der anderen fährt er über die Köpfe der Betenden. Es ist die Vorbereitung für den zentralen Teil des Wochenendes: die „caminhada, der Weg. Eine zwölfstündige Wanderung im Regenwald, mit schweren Rucksäcken, bei Temperaturen von bis zu 40 Grad. Die Teilnehmer tragen Camouflage und salutieren. Dann geht es los. Es ist heiß und schwül, als der Weg beginnt. Die Leiter führen ihre Gläubigen durch das abgeholzte Amazonien. Die Uniformierten, die sich jetzt durch die Hitze kämpfen, sehen jedoch keinen Schaden an der Umwelt. Wenn es ein Problem gebe, dann seien es die Ungläubigen mit ihren linken Ideologien, unterhalten von „ausländischen Organisationen“.

Kurz vor Sonnenuntergang kommen die Gruppen nach und nach wieder im Camp an. Schmutzig und müde, durstig und hungrig. „Jesus ist gekommen!“, ruft Pastor Sebastião, „im Körper aller, die seine Schmerzen heute spüren.“ Einige der Teilnehmer brechen zusammen, beginnen zu weinen und zu schreien: „Seht! Jesus ist gekommen!“ Hier hat der Bolsonarismus längst gewonnen.

Die Recherche wurde unterstützt vom Pulitzer Center. Dem aus Brasilien stammenden Fotografen Ian Cheibub ist es gelungen, Zugang in die evangelikale Szene zu bekommen. Für sein Projekt „Golgota“ hat er Evangelikale über Jahre begleitet. Als er seinen deutschen Kollegen und Co-Autor Fabian Federl in diesem Sommer in eines der Camps mitnehmen wollte, wurde den beiden der Zugang verwehrt. Diese Reportage basiert auf Szenen, die Cheibub bereits im Jahr 2021 dokumentiert hat. Sie geben Antworten auf eine Frage, die bis heute aktuell ist: Was macht Präsident Bolsonaro, der kommenden Sonntag ein weiteres Mal zur Wahl antritt, bei fundamentalistischen Christen so beliebt? Und was hat all das mit dem Regenwald zu tun?

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