Baubranche schlägt Alarm: "Talfahrt ist im vollen Gang"
Die Bauindustrie kritisiert die Ampel-Regierung scharf: Es werden weiterhin nicht genügend Häuser gebaut. Das richtet nicht nur finanziellen Schaden an.
Unmittelbar vor dem Wohnungsbau-Tag 2024 sieht sich die Bundesregierung scharfer Kritik der Bauindustrie ausgesetzt. „Einige Politiker reden bereits von Signalen einer Belebung des Wohnungsbaus, dabei ist die Talfahrt noch im vollen Gang“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, unserer Redaktion. Der Wohnungsbau-Tag gilt als wichtigster Branchentreff des Jahres. Beteiligte sind unter anderen die Industriegewerkschaft BAU, der Deutsche Mieterbund und Verbände der Immobilien- und Bauwirtschaft. Mit Spannung werden die Auftritte von Bauministerin Klara Geywitz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet.
Die Misere auf dem Wohnungsmarkt ist bekannt, die Branche hat nun allerdings genug von reinen Lippenbekenntnissen der Politik. „Worauf wartet Deutschland?“, ist deshalb einerseits das Motto der Veranstaltung, andererseits aber auch dringliche Mahnung an die Verantwortlichen. Der Einbruch beim Wohnungsbau sei längst zum politischen Risikofaktor geworden, klagen die Veranstalter und verweisen darauf, dass die Krise jährlich ein Milliardenloch in die Staatskasse reißt, weil dem Staat Steuereinnahmen wegbrechen. Aktuell sei der Wohnungsbau ein entscheidender Motor für die Binnenkonjunktur und wichtig für jeden siebten Arbeitsplatz im Land.
Weniger Baugenehmigungen stören Branche
Die Entwicklung ist derweil weiter rückläufig. „Die Genehmigungen und Baufertigstellungen gehen im dritten Jahr drastisch zurück, die Geschäftserwartungen sind auf einem historischen Tiefpunkt und der Preiskampf um neue Aufträge nimmt teils unwirtschaftliche Züge an“, sagte Müller. Mittlerweile geht es auch längst nicht mehr um die nackten Zahlen: In der Branche wächst die Sorge vor sozialen Spannungen und politischer Unzufriedenheit.
Müller erklärte, Bundesbauministerin Geywitz betone „zu Recht, dass der Wohnungsbau vor allem auch Sozialpolitik ist, für die Mitte der Gesellschaft, für Fachkräfteeinwanderung und für eine stabile Perspektive der Bauwirtschaft“. Dafür brauche es temporär eine staatliche Förderung und mittelfristig eine Entschlackung von Vorschriften, Bürokratie und Anforderungen an den Gebäudebau. Stattdessen seien jedoch ein halbes Jahr nach dem Wohnungsgipfel im Kanzleramt „die beschlossenen Maßnahmen nach wie vor nicht umgesetzt, werden auf Landesebene verschleppt oder in der Bundespolitik blockiert, etwa die Novelle des Baugesetzbuches“.
Obendrein drohe die Neubauförderung leerzulaufen. „Die neuen Programme sollen erst spät in der zweiten Jahreshälfte an den Start gehen, wenn das Baujahr eigentlich schon vorbei ist“, kritisierte der Hauptgeschäftsführer. Zu leiden hätten viele Mieterinnen und Mieter, „denn die müssen am Ende die Zeche zahlen“.
Mehrfamilienhauspreise in Deutschland sinken kaum
Dem bundesweiten Anstieg der Mietpreise will die Ampel, wenn schon nicht mit mehr Wohnungen, dann mit Gesetzen beikommen. Geywitz und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) einigten sich am Mittwoch zumindest grundsätzlich auf die Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2029. Sie sorgt dafür, dass die Miete bei der Neu- und Wiedervermietung höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Neubauten sind ausgenommen, die Mietpreisbremse zieht nur in Gebieten mit einem ohnehin angespannten Wohnungsmarkt.
Die Linke kritisierte, dass die Einigung in Wahrheit keinerlei Verbesserung bringe. Ihre „bloße Verlängerung ohne substanzielle Änderungen wird den Mietenanstieg nicht bremsen“, sagte die wohnungspolitische Sprecherin Caren Lay. Besonders enttäuschend sei, dass weitere im Koalitionsvertrag versprochenen Änderungen im Mietrecht „offenbar nicht kommen werden“. Entsprechende Kritik kam auch von Mieterverbänden.
Eine Untersuchung der Deutschen Bank Research zeigt zudem, dass der Preisverfall auf dem Wohnungsmarkt wohl weniger gravierend ist, wie Teile der Branche angenommen haben. Die Hauspreise seien 2023 zwar unzweifelhaft gesunken, schreibt der Immobilienexperte Jochen Möbert. Die Höhe des Preisverfalls variiere jedoch in Abhängigkeit von den verwendeten Datengrundlagen. Preisindizes, die auf Hypothekendaten beruhen, weisen demnach tendenziell eine höhere Qualität auf. „Wenn wir mit dieser Einschätzung richtig liegen, bedeutet dies, dass die Preise im Segment der Mehrfamilienhäuser im Jahr 2023 weniger stark gesunken sind, als dies viele Investoren angenommen haben“, erklärte der Analyst. Das stehe im Einklang mit internationalen Daten. Demnach sind die Hauspreise, wenn überhaupt, nur geringfügig gesunken. Für den Mietmarkt bedeutet dies keine Entspannung.
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Solange jeder heute 100 m2 oder mehr meint zu brauchen und die Immobilienhaie wie auch private Vermieter den Hals nicht voll bekommen ändert sich nichts.
Immer dem Staat die Schuld geben ist zu billig.
Das sehe ich genauso wie Sie Herr Gerhard K. Ich denke, dass liegt nicht alleine an der Ampelregierung. Sehr gut Ihr Kommentar.
Immer mehr Menschen, da kann die Branche nicht hinterherkommen oder glauben Sie die Vermieter machen Tür und Tor für Millionen Menschen auf.
Am Wohnungsmarkt erkennt man besonders gut, was in und wie kaputt unser Land ist.
Da gibt es einen gewaltigen Bedarf. Der Wohnungsmarkt kollabiert geradezu. Die Nachfrage ist gewaltig. Doch weder durch Neubau noch durch Sanierung wird diese enorme Nachfrage gedeckt. Der gute alte Kapitalismus, in dem sich Angebot und Nachfrage bedingen, funktioniert ganz offensichtlich nicht mehr. An alle die den Kapitalismus überwinden wollen: Auf dem Baumarkt habt ihr es bereits geschafft!
Und die Ursache ist besonders leicht zu erkennen. Die alles überregulierende Nanny-Staat, von der Bundesrepublik bis zu letzten Gemeindesatzung, würgt jedwede unternehmerische Initiative ab. Es macht für niemanden mehr Sinn, Wohnungen zu bauen oder zu sanieren, weil die dabei entstehen Kosten bei gleichzeitiger Mietpreisbremse nicht zu amortisieren sind.
Und der Nanny-Staat selbst, in all seinen Ausprägungen, ist nicht fähig, die durch fehlendes privatwirtschaftliches Engagement entstehende Lücke zu schließen. Zum einen fehlt ihm selbst die wirtschaftliche Potenz, sprich das Geld, zum anderen fehlt es an Know-How die Anlagen zu entwickeln und zu unterhalten. Wohnungsbau und deren Betrieb ist keine staatliche Aufgabe. Es ist eine weitere staatliche Anmaßung, zu behaupten, dass besser zu können als andere.
Mehr als 10% des deutschen BIP wurden in Baumaßnahmen investiert. Die Bauindustrie trägt 6% der gesamten Wertschöpfung in Deutschland.
https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Branchenfokus/Industrie/branchenfokus-bauwirtschaft.html#:~:text=Mehr%2520als%2520zehn%2520Prozent%2520des,der%2520gesamten%2520Wertsch%C3%B6pfung%2520in%2520Deutschland.
Ich frage mich, wie Habeck das dann wieder dem Putin in die Schuhe schieben will.
Zur behördlichen Entschlackung würde es auch gehören, dort, wo der ÖPNV hervorragend ausgebaut ist, für die soziale Unterschicht autofreies Wohnen zuzulassen, um von vorneherein in Großstädten überflüssige zusätzliche Infrastruktur für den Individualverkehr zu vermeiden. Auch die absolut sinnlose Grunderwerbssteuer gehört abgeschafft.
Der Staat selbst müsste als Investor auftreten und (ja mit neuen Schulden) Wohnungen bauen lassen, das wäre weitaus wichtiger, als die Landesfläche mit neuen Autobahnen und ICE- Strecken zu versiegeln. Mit staatlichen gestützten Krediten müssten für Geringverdiener Mietkaufmodelle geschaffen werden. Eine hohe Eigentumsquote bedeutet geringeres soziales Elend.
Es gäbe in Deutschland auch noch andere Dinge zu retten, als das Klima.