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Ostwärts: Corona: Der Weltreisende Bastian Sünkel kehrt nach Hause zurück

Ostwärts

Corona: Der Weltreisende Bastian Sünkel kehrt nach Hause zurück

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    Bastian Sünkel ist zurück in Franken - und plötzlich allein im Wald. Kurz nach seiner Rückkehr verkündet Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Ausgangsbeschränkung.
    Bastian Sünkel ist zurück in Franken - und plötzlich allein im Wald. Kurz nach seiner Rückkehr verkündet Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Ausgangsbeschränkung. Foto: Bastian Sünkel

    Ich spüre, wie mir skeptische Blicke am Flughafen folgen. Ich überlege kurz, was das soll, bevor ich mich an die Maske in meinem Gesicht erinnere. So ist es. In Wien bin ich der einzige Fluggast mit Mundschutz.

    In Taipeh, zwölf Stunden früher, trugen ausnahmslos alle Passagiere und auch die Angestellten am Flughafen mindestens eine blaue, wenn nicht sogar eine jener professionellen FFP-Masken. Der Flughafen in Taipeh war wie ausgestorben, doch wenn ich meine Maske kurz abgenommen habe, trafen mich die Blicke ähnlich wie nun in Wien. Der Unterschied: In Taipeh ist es offenbar nicht gern gesehen, zu leichtsinnig mit Corona umzugehen. In Wien hasst man Panikmacher. Ich mit meiner Maske wirke in Österreich wie ein Fremdkörper. Das hört erst auf, als ich die Maske im Rucksack verstaue.

    Zigaretten in Taiwan und Corona: zwei Gründe, um Schutzmasken zu tragen.
    Zigaretten in Taiwan und Corona: zwei Gründe, um Schutzmasken zu tragen. Foto: Bastian Sünkel

    Ich bin zurück nach Europa, als die Reise in Asien für mich nicht mehr weiter ging. Mein Ziel war es, den Pazifik von der anderen Seite zu sehen. Das Coronavirus hat mir den Weg zur Küste gleich dreimal versperrt. Erst bin ich aus China ausgereist und habe einen Monat im – zumindest offiziell – coronafreien Kambodscha verbracht.

    Corona-Virus: Der China-Stempel im Pass verhindert die Weiterreise

    Als ich nach Vietnam weiterreisen wollte, stoppt mich die Mitarbeiterin an der Busstation in Phnom Penh. China-Stempel? Sie können leider nicht in den Bus einsteigen. Zwei Tage später will ich nach Indonesien fliegen und komme bis zum Flughafen Phnom Penh. China-Stempel? Kein Flug für mich, auch wenn ich China 32 Tage zuvor verlassen und keine Anzeichen einer Infektion habe.

    Langsam realisiere ich den Ernst der Lage, auch wenn ich noch nicht wahrhaben will, dass die Reise vorzeitig zu Ende sein wird. Ich buche mir einen Flug zurück nach Europa. Am 2. März lande ich in Wien und erinnere mich, während mich die S-Bahn in der Innenstadt ausspuckt, was ich alles auf meiner knapp zwei Jahre andauernden Reise erlebt habe. Die Präsidentschaftswahlen in Mexiko. Die Flüchtlingsströme in Guatemala, darunter Hoffnungslose, die sich im Rollstuhl bis in die USA durchkämpfen wollten. Mein Bandscheibenvorfall, wegen dem ich die Reise länger als ein halbes Jahr unterbrechen musste und zurück in Deutschland war.

    Dann der Neustart Richtung Osten: Massenproteste in Tschechien und Serbien. Syrische Flüchtlinge in der Türkei. Aufstände im Iran wegen der erhöhten Benzinpreise, Schüsse auf den Straßen und brennende Tankstellen. Der plötzliche Tod meines Freundes Sebbo – die zweite Rückkehr nach Deutschland. Im Januar der dritte Aufbruch, diesmal nach Kasachstan und wenig später nach China.

    Die Erinnerungen an die Reise werden vom Coronavirus überlagert

    Doch dann kam das Virus, das die Welt verändert. Unzählige wunderbare Erinnerungen, unvergessliche Erfahrungen, Freundschaften und Abschiede stehen einem Gegner gegenüber, der alles relativiert. Nein, ich habe keinen Moment bereut – nicht einmal die 41-Stunden-Zugfahrt durch China. Aber plötzlich verschwindet jede schöne Erinnerung hinter einer Krankheit, die nicht nur mich, sondern auch meine Freunde auf der ganzen Welt bedroht.

    Trixi quartiert mich für zwei Nächte in ihrer Wohnung ein. Ich verfolge die Nachrichten – zehn Infizierte in Österreich, Quarantäne in Teilen Italiens – aber im Vergleich zu der Ausreisesituation in Kambodscha fühlt sich Europa entspannter an. Kein Gesundheitscheck am Flughafen, dafür ein "Guten Morgen" vom Polizisten, als ich das Sicherheitsglastor passiere. Ich geh mit Trixi im Wiener Wald spazieren, ins Restaurant und plane den letzten Part meiner Reise: eine Tramptour durch Österreich, in die Schweiz und je nachdem, wie sich die Lage entwickelt, entweder direkt zurück nach Bayern oder nach einem Abstecher ins Saarland, nach Köln, Hamburg und Berlin.

    Im Nachhinein ärgere mich über meine Realitätsflucht. Schon allein wegen China hätte ich wissen müssen, dass Europa die schlimmste Zeit erst noch bevorsteht. Doch Österreich wirkt Anfang März so, als wollte man sich nicht auf die bevorstehende Schließung einstellen. Genau so wenig wie ich.

    Die letzte Etappe führt Bastian Sünkel durch Österreich

    David packt mich bei Tulln ein. Er entschuldigt sich, weil er noch zum Bauernhof muss, bevor er mit mir weiter nach Krems fährt. Wir halten vor einem Schild, das günstige Eier direkt vom Bauernhof anpreist. David geht in den Stall, kommt erst mit einem oberkörperbedeckenden Karton zurück, kurz darauf mit einem zweiten und verstaut beide im Kofferraum. Als er wieder einsteigt, frage ich ihn, wie viele Eier in einem Karton sind. "360", antwortet er knapp. „"Arbeitest du in der Gastronomie?" –"Nein, in der Produktion", antwortet David. – "Was in aller Welt machst du dann mit 720 Eiern?" – "Große Familie."

    Ich liebe Situationen wie diese. Genau das ist der Grund, warum ich lieber trampe. Dennoch lache ich nicht mehr so befreit, wie zu Beginn meiner Reise. David erklärt mir noch, dass er vier Eier zum Frühstück isst, aber ich bin mit den Gedanken schon wieder woanders. Ich treffe zwischen Melk, Linz, Salzburg, Mühlbach am Hochkönig und Innsbruck Menschen, die ihr Leben normal weiterführen, doch die Welt um sie herum verändert sich.

    Letzte schöne Reisetage: Salzburg von oben.
    Letzte schöne Reisetage: Salzburg von oben. Foto: Bastian Sünkel

    Als ich mich von den beiden Skilehrern Felix – den ich dreimal auf der Reise zufällig getroffen habe: in Batumi, Tbilisi und auf einer belebten Straße in Teheran – und seinem Bruder Sebi verabschiede, sperren die Skigebiete in Tirol. Ich steige zu Christian in den Kleinlaster, der ein paar Teile für den Ausbau des Brennertunnels für die Straßenbaufirma Strabag transportiert. Er begrüßt mich mit einem Lächeln und sagt, dass ihm die Krankheit keine Sorgen mache. Vielleich sei ja nur alles eine Verschwörung. Von wem? Er weiß keine Antwort.

    Wir zählen Finanzminister vor der nächsten Rentendebatte und den namenlosen Pharmakonzern auf, während uns das Lachen im Hals stecken bleibt. Christian lässt mich an der Raststätte Innsbruck-Ampass aussteigen und ich checke die Nachrichten: Grenze nach Italien dicht. WHO stuft Epidemie zur Pandemie hoch. Ich wollte an diesem Tag noch bis Vorarlberg reisen, um meinen Couchsurfing-Kumpel Tom zu besuchen. Jetzt ändert sich alles schlagartig.

    Heimwärts: Die Weltreise endet in Oberfranken

    Ich rufe Matthäus in München an und frage ihn, ob er einen Schlafplatz für mich hat. Klar, sagt er. Er habe sogar frei. Er fragt mich, ob die Reise dann vorbei sei. Ich überlege kurz und schreibe: "Ja, du bist das Ende." Es ist der 11. März, eineinhalb Wochen vor der Ausgangsbeschränkung in Bayern. Ich kaufe mir ein Ticket am Bahnhof Innsbruck nach München. Oberhalb des Displays klebt ein Zettel, der in drei Sprachen mit je zwei Ausrufezeichen den Passagieren erklärt, dass der Brenner dicht ist. Auch keine Züge rollen mehr nach Italien.

    Matthäus und ich wollen es nicht wahrhaben. Erst als ich nach einem Kneipenabend ein leichtes Kratzen im Hals spüre, holt mich das Virus ein letztes Mal auf meiner Flucht ein. Ich bin nicht krankenversichert, weil ich mich persönlich in Franken arbeitslos melden muss. Ich habe keine Wohnung, meine Habseligkeiten stehen bei meinen Eltern. Ich glaube fest daran, dass ich mich infiziert habe. Es bleibt mir keine andere Wahl: Ich muss zurück nach Oberfranken, zum Haus meiner Eltern, mich arbeitslos melden und hoffen, dass ich getestet werde. Bis dahin gehe ich auf Abstand zu allen Familienangehörigen.

    Der Plan gelingt. Die Reise endet mental für mich am Donnerstag, 19. März, mit einem Anruf. Am anderen Ende der Leitung spricht eine Frauenstimme zu mir: "Herr Sünkel, ihr Ergebnis ist negativ." Ich bin angekommen.

    Mehr über Bastian Sünkel und seine Reiseerfahrungen lesen Sie hier:                            

    • über Corona-Ängste in China
    • über seine Erfahrungen im Iran
    • über seine Eindrücke in Georgien

    Wer mehr lesen und Bastian Sünkel aktuell begleiten will, findet seinen Reiseblog unter www.globalmonkey.net.

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