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Auf Kreta feiern wie die Hippies. Was es mit den Höhlen in Matala auf sich hat

Griechenland

Traum von der freien Liebe in den Höhlen auf Kreta

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    In den Höhlen von Matala lebten und feierten einst die Hippies.
    In den Höhlen von Matala lebten und feierten einst die Hippies. Foto: Christian Kaehler - stock.adobe.com

    Wir schreiben das Jahr 1967. Der erste Mikrochip wird erfunden. Bis zum ersten Handy dauert es aber noch sechs Jahre. In Palästina tobt der Sechstage-Krieg. Der Vietnamkrieg dauerte nun schon seit zwölf Jahren an. Und einmal am Tag fuhr ein Bus von Heraklion nach Matala. „Ich hatte von Matala gehört. Dem freien Leben dort. Dass man in Höhlen wohnen konnte. Ich wusste: Da muss ich hin!“, erinnert sich Arn Strohmeyer, damals 25 Jahre alt, heute einer der letzten Zeitzeugen der Hippie-Zeit von Matala. Die meisten von damals sind schon verstorben.

    Blut gespendet, um Überfahrt nach Kreta zu finanzieren

    „Ich trampte von Deutschland bis Athen und spendete dort Blut, um die Fährpassage nach Kreta zu finanzieren. 40 D-Mark gab es damals dafür“, erzählt der heute 82-jährige Berliner. Arn traf auf ein Dorf ohne Strom, ohne fließend Wasser, mit nicht einmal zehn schlichten Häusern, bewohnt von armen Bauern und Fischern. „Wir kamen spätabends an, sahen das große Feuer und waren gleich mittendrin in der Strand-Fete. Ich bekam sofort etwas zu trinken, die Stimmung war großartig!“

    Matala auf Kreta war auch für unseren Autoren Jochen Müssig ein Sehnsuchtsziel.
    Matala auf Kreta war auch für unseren Autoren Jochen Müssig ein Sehnsuchtsziel. Foto: Jochen Müssig

    Arn platzte vom braven, stockkonservativen Deutschland mitten ins weltoffene europäische Epizentrum der Hippies. Viele blieben dort monatelang, manche jahrelang. Wieder andere zog es zur Bewusstseinserweiterung weiter nach Goa, Kathmandu oder Bali, andere Hippie-Zentren, friedliche Enklaven in den kriegerischen Zeiten von 1967. „Ich habe dann gleich auch in einer Höhle übernachtet“, erinnert sich Arn. Einer sagte, ganz oben sei noch ´was frei. Es war ein faszinierender Gegenentwurf zu allem Bürgerlichen mit samt seinen Reglementierungen. Höhle am Meer statt Wohnzimmer mit TV: Das war’s!

    Am nächsten Morgen schaute der Nachbar hinüber in Arns Höhle. Er hieß Georg. Georg Danzer, der damals noch unbekannte Wiener Liedermacher. „Der Georg“, sagt Arn Strohmeyer, „kam kurz vor ihm ganz bürgerlich mit Bügelfaltenhose und Trenchcoat in Matala an“. Auch ihn trieb die fade heimische Bürgerlichkeit weg und hin zu den Hippies, die seit 1963 nach und nach die 62 Höhlen, von denen 50 bewohnbar waren, vereinnahmten. Einige US-Amerikaner flohen nach Matala, um nicht zum Vietnam-Krieg eingezogen zu werden. Die Europäer waren die Konsumflüchtlinge, die der biederen Bürgerlichkeit den Rücken kehrten. Aber war das Ganze eine lebensferne Utopie?

    "Today is life, tomorrow never comes": der legendäre Schriftzug in Matala
    "Today is life, tomorrow never comes": der legendäre Schriftzug in Matala Foto: Jochen Müssig

    Wo das Erbe der Hippies auf Kreta noch zu sehen ist

    „Viele Hippies waren unpolitisch, lebten in den Tag hinein. Ich würde also nicht von Utopie sprechen, denn an die Zukunft haben sie nicht gedacht …“, sagt Arn. Der einheimische Fischer Georgios, den das Leben der Hippies faszinierte und der schnell einer von ihnen wurde, schrieb damals an die Kaimauer: „Today is life. Tomorrow never comes”. Der Schriftzug wird bis heute in Ehren gehalten und jedes Jahr mit blauer Farbe aufgefrischt. Nur das Heute zählte, nicht die Zukunft, nicht die Arbeit, nicht die Uni, nicht einmal Beziehungen waren von großer Dauer. Und wer nun denkt, Gleichberechtigung hätte schon Einzug in die Höhlen gefunden, täuscht sich: Die Rollenmuster waren klar verteilt. Die Frauen sorgten fürs Essen, Kehren und die Wäsche. Die Männer machten das Feuer und Musik.

    Bis zu 200 Hippies bewohnten Matala. Und da es nicht so viele Höhlen gab, schliefen viele am Strand. Und wurde mal eine Höhle frei, lugte auch schon der Hippie-Kapitalismus hervor: Nicht selten musste für eine Höhle eine Auslöse bezahlt werden. Es gab auch große Höhlen wie „The Hilton“ mit drei Räumen oder „The Globe“. „The Hilton“ hatte schließlich auch die bekannteste Bewohnerin: Joni Mitchell war 1969 in Matala und schon damals berühmt. Sie verliebte sich in einen Burschen namens Carey Raditz, dem sie das Lied „Carey“ widmete. Das Höhlenleben fand sie schrecklich.

    Zur Natur-Toilette ging es über einen schmalen Pfad zum Meer hin. Trinkwasser gab es nur an einer Wasserstelle, wo man seine Flaschen füllen konnte. Die Höhlen waren zwar sauber (Frauenarbeit, siehe oben), aber Spinnen gab es dennoch reichlich. So mancher hatte kaum Geld und sehr wenig zu essen, klaute sich im Hinterland ein paar Tomaten oder Obst. Andere halfen gegen etwas Lohn bei der Ernte der Oliven, Tomaten, Trauben. Keiner bettelte. Aber die Einheimischen fragten sich: Was sind das für Leute, die in Höhlen leben wie Urzeitmenschen? Gegen den Vietnam-Krieg? Gegen Konsumindustrie? Gegen Bürgerlichkeit? „Damit konnten die nichts anfangen“, bilanzierte Joni Mitchell auf ihrer Homepage knapp.

    So wurde das Leben der Kommune auf Kreta organisiert

    Die alten Bilder erzählen von einer anderen Lebensvorstellung.
    Die alten Bilder erzählen von einer anderen Lebensvorstellung. Foto: Jochen Müssig

    Aber da die Griechen sehr tolerant sind, kamen beide Seiten gut miteinander aus. Und Mama sorgte sogar für sie. Backte Brot, half ihren Hippie-Kindern, wenn sie krank waren. Die einheimische Anthousa Zourithakis war der gute Geist für die Hippie-Kommune und wurde deshalb Mama genannt. Sie hatte eine Sammelbüchse: Jeder, der mehr hatte, spendete, um für andere kostenloses Brot zu finanzieren: Das war dann Matalas Umverteilungssozialismus. Auch Joni Mitchell kannte Mama. Als die Sängerin in Matala war, gab es schon einen Laden, Tavernen und „genug Fisch, einen Bäcker, der auch Joghurt machte“, wie die Kanadierin schrieb. Einige besorgten sich Möbel, sogar eine Holztüre am Höhleneingang wurde gesichtet. Und einer soll sogar einen Briefkasten gehabt haben. Es war die Zeit, als schon manche Athener übers Wochenende kamen, um ein bisschen Hippie auf Kreta zu spielen. Am Lagerfeuer wurden Lieder von Bob Dylan gesungen, von Joan Baez, von Donovan. Entgegen so mancher Behauptung: Keiner von ihnen war je in Matala. 

    Arn Strohmeyer hat nach der Matala-Erfahrung sein Examen gemacht und erst viel später das Buch ‚Mythos Matala‘ geschrieben: „Als ich alles reflektiert hatte. Matala war – so erinnere ich mich nachträglich vielleicht verklärend – ein dionysisches, rauschhaftes, psychedelisches Fest“, schreibt Strohmeyer. „Abends, wenn die Weinflaschen und Haschpfeifen die Runde machten, das Gitarrenspiel und der Gesang anhob, entstand ein Gemeinschaftsgefühl, wie ich es nie wieder erlebt habe. In Matala war immer so etwas wie Woodstock-Stimmung“. Arn wollte seinen Enkeln, die jetzt in den 20ern sind, also so alt wie er zur Hippie-Zeit, erklären, was der Mythos Matala war: „Aber die haben das einfach nicht verstanden ...“

    Irgendwann bekam die Kirche Wind von diesen Hippies und der Bischof im fernen Heraklion drängte die seit 1967 machthabende griechische Militär-Junta zur Räumung des Sündenpfuhls Anfang 1970. Das Höhlen-Areal wurde eingezäunt. Heutzutage wird sogar Eintritt verlangt.

    Das Matala-Beachfestival 2025 wird auf Kreta Anfang Juli gefeiert

    Das soziale Leben veränderte sich danach grundlegend. Die Kommerzialisierung schritt voran. Unaufhaltsam. 2011 stellte Arn Strohmeyer bei einem Hippie-Revival-Fest sein Buch „Mythos Matala“ vor und bekam letztlich für die Idee, so ein Fest jedes Jahr zu machen, die Ehrenbürgerurkunde der Gemeinde. Denn schon zum ersten Fest kamen nicht 300 Leute, wie Strohmeyer dachte, sondern 30.000! 2025 wird übrigens vom 4. bis 6. Juli gefeiert. Und so mancher, der in Matala ein Zimmer gebucht hat, klettert nachts über den Zaun und schläft eine Nacht in einer Höhle, um das Hippie-Feeling zu erleben.

    Weitere Informationen zu Matala auf Kreta

    Anreise: Flug mit Condor ab München mit Glück ab ca. 120 €, zum Festival hin ca. 300 €, condor.com

    Unterkunft: „Antonios“, ruhige, saubere Apartments mit viel Platz, ab 60 €, www.bodikos.com/de/antonios-1

    Essen & Trinken: „Petra & Votsalo“, typische griechische Küche, guter Fisch, direkt am Strand von Matala (petravotsalo@gmail.com)

    Matala Beach Festival: Gefeiert wird vom 4. bis 6. Juli, www.matalabeachfestival.org.

    Weitere Informationen: incrediblecrete.gr

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