
Dieser Käfer ist 67 und läuft und läuft...


Ein Nachkriegswagen von 1952 eroberte von Bobingen aus Europa – und er ist noch immer unterwegs. Doch im Jahr 1969 wäre fast alles vorbei gewesen.
Dieser VW Käfer wäre Volkswagen eine Menge Geld wert. Doch er käme ins Museum. Das will Paul Campell aus Kent in England aber nicht. Er war mit dem grauen 25-PS-Boliden gerade auf Europatour unterwegs – samt Überquerung der Großglockner-Hochalpenstraße. Und natürlich durfte der alte Käfer danach wieder einmal Heimatluft tanken: in Bobingen.
Der graue Kugelporsche liebt seit 1952 die Straße. Seither ist er im Flachland ebenso wie in den Bergen unterwegs. Seit 1965 sehr viel auf englischen Straßen, obwohl Fahrersitz und Lenkrad immer noch auf der linken Seite sind. Zwischendurch kommt er immer wieder auf den Kontinent, kurvt durch Europa zwischen Holland und Italien. Zwischenstopp ist dabei immer wieder Bobingen. Denn von hier kommt er her. Auch 67 Jahre nach seiner ersten Ausfahrt über die Hochstraße von Bobingen, an St. Felizitas vorbei nach Süden in Richtung Berge gilt somit: Er fährt und fährt und fährt...
Gut gepflegt und nie umgebaut
Die Geschichte dieses Käfers ist akribisch dokumentiert. Einer seiner langjährigen Besitzer – der englische VW-Käfer-Experte Robin Allen – hat alle Daten zusammengetragen. Die anderen Besitzer haben ihm geholfen – denn man kennt sich. Der Käfer verbindet sie wie ein gemeinsames Familienmitglied. Das Autohaus Edgar Meyer aus Augsburg hat später einmal sogar das offizielle Bordbuch von 1952 und die alten Zulassungsdokumente von VW besorgt. Eine englische Fachzeitschrift hat alles veröffentlicht: Die Namen aller Besitzer, sämtliche Zulassungskennzeichen und natürlich, wie es dazu kam, dass dieser Wagen gut gepflegt und nie umgebaut wurde.
Die Geschichte beginnt 1952 in Bobingen: Josef Vogel sen. kauft einen Volkswagen Typ 1. Der Begriff Käfer – oder englisch Beetle – hat seinen Ursprung zwar in einem amerikanischen Zeitungsbericht aus der Vorkriegszeit, er bürgert sich aber erst später ein. Individuelle Kosenamen dürfte das Auto durchaus im Lauf der Jahre ebenso bekommen haben – so wie der berühmte Film-Käfer namens „Herbie“. Doch sie sind so ziemlich das Einzige, was nicht überliefert ist.
Die ganze Familie fährt damit in den Urlaub
Zwölf Jahre lang ist der graue Käfer verlässliches Transportmittel der Familie Vogel. Die ganze Familie fährt damit in den Urlaub, macht Besorgungen oder kommt damit zur Arbeit. Seine erste Anmeldung stammt noch aus der Zeit, bevor es Autokennzeichen in der heutigen Art gab. Erst später bekam er das Nummernschild SMÜ H 118.
1964 leistet sich Vater Vogel einen neuen VW. Den alten Wagen erhält Sohn Josef jun. Der ist damals Ingenieur bei Daimler-Benz in Stuttgart und bekommt dort bald die Chance, einen Mercedes zum Mitarbeiterpreis von rund 10.000 Mark zu erwerben und später für den gleichen Betrag als Gebrauchtwagen zu veräußern. Bis dahin pendelt er an Wochenenden mit dem VW zwischen Stuttgart und Bobingen.
Für 46 Pfund sollte er den Besitzer wechseln
Den alten Käfer von 1952 kauft ihm schließlich eine Arbeitskollegin ab. Die heiratet einen Engländer und zieht mit dem Wagen auf die Insel. Seit 44 Jahren ist der englische Linksverkehr das Umfeld für den Bobinger Käfer. 1969 hatte der Zahn der Zeit sichtlich an dem Wagen genagt. Es gab ein Kaufangebot: Für 46 Pfund sollte er den Besitzer wechseln, auf Rechtslenkung umgebaut und so modifiziert werden, dass er sich zum Einsammeln von Strandgut eignet. Der englische VW-Käfer-Fan Robert Allen sollte Ratschläge dazu abliefern und den Kaufwert bestätigen.
Doch der befand: Dieses Zeitzeugnis aus den Anfangsjahren des deutschen Wirtschaftswunders umzubauen wäre eine große Sünde. Das war ihm sofort klar. Er besorget dem Strandgutsammler einen anderen Wagen zum günstigen Preis und kaufte selbst den Bobinger Beetle. Der wurde restauriert, neu in Originalfarbe lackiert, der Motor wurde überholt, doch alle wichtigen Elemente blieben im Original erhalten. So hat das Auto heute noch Winker statt Blinker. Sie klappen beim Abbiegen seitlich hinter der Tür aus. Ein sogenanntes Brezelfenster lässt durch die geteilte Heckscheibe etwas Sicht nach hinten zu. Und beim Schalten muss man Zwischengas geben.
Einmal noch über den Großglockner nach Bobingen
Mit diesem Auto besuchte Robin Allen mehrfach die Familie Vogel in Bobingen und nahm dazu auch seinen jungen Freund Paul Campell mit. Der teilte mit ihm die Leidenschaft für alte Volkswagen. Als er 2018 verstarb, vermachte Allen den Käfer seinem Freund mit der Auflage, ihn weiter zu benutzen und mindestens einmal noch über den Großglockner nach Bobingen zu fahren. Dieses Versprechen löste Paul Campell nun ein. Und wie schon früher, wurde es wieder eine Ausfahrt für die ganze Familie. Mit an Bord: Ehefrau Carole und der achtjährige Sohn Oscar. Ein Käfer und 25 PS reichten aus, um sie alle von England bis ans Ziel und wieder nach Hause zu bringen.
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