
Biografie: Ein Pfarrer in den Fängen der Geheimpolizei

Plus Der frühere Klimmacher Pfarrer Kresimir Gagula hat ein Buch geschrieben. Darin geht es um seine Erfahrungen im ehemaligen Jugoslawien.

Es waren schreckliche Erlebnisse, die sein ganzes Leben veränderten, allerdings letztendlich zum Guten. Der ehemalige Klimmacher Pfarrer Kresimir Gagula brachte jetzt ein kleines Buch mit schwerwiegendem und verstörendem Inhalt heraus, das einem guten Zweck dienen soll.
„Ich habe seit damals nie mehr etwas handschriftlich verfasst, keine Briefe, keine Postkarte. Man versuchte, mich zu überreden, alles zu vergessen, aber …“: So beginnt das Buch von Kresimir Gagula mit dem Titel „Warum ich nach Deutschland gekommen bin?!“. Er beschreibt darin vorrangig seine Erlebnisse mit der Geheimpolizei (UDBA) in Ex-Jugoslawien in den Jahren 1987 bis 90, die ihm psychisch und körperlich sehr stark zusetzten.
„Die Wände haben Ohren“, hieß es bei hm zu Hause in Banja Luka (Bosnien-Herzegowina). Über den schrecklichen Krieg, die Vermissten, die Toten auch in der Familie und der Verwandtschaft, es wurde nicht darüber geredet. Und trotzdem kam es für Kresimir Gagula zur Begegnung mit der Geheimpolizei, zunächst unbewusst, dann verhasst.
Eigentlich wollte Kresimir Gagula Architekt werden
Nach dem Abitur hatte Gagula Zeit, viel Zeit. Das angestrebte Studium der Architektur begann erst Monate später. Beim Umherstreifen in seiner Stadt ging er auch gerne in eine Kirche, „dort war es schön kühl“, erzählt er. Sein eigentlicher Traum: Alle Ziegel eines Hauses berechnen können, auch die der Kirche. Er wurde von einem Pater angesprochen, führte mit ihm viele Gespräche, fand Interesse an der theologischen Thematik, wollte wissen, was die Pfarrer so machen, und entdeckte, dass er gerne anderen helfen wollte. Also studierte der junge Mann Philosophie und Theologie in Sarajevo. Doch sein Wissenshunger war danach noch nicht gestillt. Er wollte in Kirchengeschichte promovieren. Und dann begann das Unheil.
Zu Hause hielten sie ihn wegen seines Berufswunschs für verrückt, die Familie wurde verspottet und ausgelacht: Die Kirche hatte damals im Land einen sehr schweren Stand.
Wie er in die Fänge der Geheimpolizei geriet
Gagula erhielt nach dem Studium eine kleine Pfarrei, schrieb nebenbei an seiner Promotion in Kirchengeschichte. Dabei geriet er in Fänge der Geheimpolizei. „Ich weiß nicht warum. Ich hatte mit denen nichts zu tun, konnte keine Geheimnisse preisgeben, weil ich keine kannte. Was die von mir wollten: keine Ahnung“, erzählt der frühere Pfarrer, der sich mit Schrecken an die damalige Zeit erinnert. „Ich sah überall nur noch Staatssicherheit, traute mich kaum noch in meine Wohnung, schlief oft im Auto und rauchte wie verrückt, nur um den Gedanken an die UDBA zu entkommen. Ich war psychisch am Ende, denn man setzte mich auch unter Druck.“
Also stürzte er sich der begabte junge Mann zusätzlich in Kirchenarbeit, spielte Theater und in einem Orchester, trieb wie verrückt Sport, alles zur Ablenkung. Es half nichts. Die Geheimpolizei blieb im auf den Fersen, bei seinen Kirchenvorgesetzten fand er keine Unterstützung, im Gegenteil. Psychisch am Ende brach er sein Studium ab, verbrannte alle seine Aufzeichnungen und fasste einen Entschluss: „Ich verlasse dieses Land.“ Deutschland war seine erste Wahl.
Er war gerne Pfarrer in Klimmach
„Die göttliche Vorsehung führte mich hierher“, erzählt er und strahlt übers ganze Gesicht. Doch bis nach Augsburg reichte der lange Arm der Geheimpolizei, allerdings nicht wirkungsvoll: Gagula erhielt trotz aller Anfeindungen die Stelle als Pfarrer in Klimmach, die er bis zu seiner Pensionierung mit viel Freude ausfüllte. „Für mich war und ist das mein zweites Zuhause. Ich fühle mich hier wohl“, betont der glückliche Pensionär und fügt hinzu: „Jeder Tag ist schön. Und immer noch den Menschen hier helfen zu können, für sie da zu sein, noch ab und zu Messen zu halten, das ist mir wichtig.“
Zeitweise nahm er bis zu 60 Kriegsflüchtlinge aus seiner Heimat in seinem Pfarrhof auf. Trotz der vielen Arbeit, die alte Geschichte hat er nie vergessen, „sie steckt noch immer in mir“. Jetzt hat er sie sich von der Seele geschrieben.
Große Pläne für seinen Ruhestand schmiedet er nicht, weiß sich aber bestens zu beschäftigen: „Ich lese und schreibe viel, treibe Sport, fahre Rad und lasse mich von dem schönen Leben überraschen. Das Tolle ist: Ich kann alles und muss nichts und habe keine psychische Belastung mehr.“ Mit Stolz blickt Gagula auf die Jahre in Deutschland, in Klimmach zurück: „Ich bin hier ein fester Bestandteil und anerkannt, das ist wichtig.“
„Warum ich nach Deutschland gekommen bin“ ist bei Kresimir Gagula im Pfarrhof gegen eine Spende von 13 Euro erhältlich. Der Erlös geht an seine Kollegen, die weniger Glück im Leben hatten als er.
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