
Schwarze Tage für den Starfighter und ein dunkles Kapitel der Luftwaffe

Plus Vor genau 50 Jahren begann in der Luft ein Überlebenskampf für einen Lechfeld-Piloten. Ein Kollege verhinderte Tage später eine Katastrophe.

Zwei Flugzeug-Unglücke hielten die Region vor genau 50 Jahren in Atem. Die Abfangjäger Starfighter brachten der Luftwaffe schwarze Tage. Wegen vieler Abstürze wurden die "Sternenjäger" auch "Witwenmacher" genannt. In die Bilanz hätte sich beinahe auch der Vorfall am 30. Januar 1973 eingereiht.
Hauptmann Franz Schmid war gegen 10 Uhr auf dem Flugplatz Lechfeld abgehoben. Ein Werkstattflug stand auf dem Plan. Reine Routine, die für den erfahrenen 39-jährigen Piloten kein Problem darstellte. Dann kam es anders, wie Werner Bischler im aktuellen Heft der Militärgeschichtlichen Sammlung Lechfeld beschreibt. Über Stuttgart wendete der Pilot, der schon 3000 Flugstunden absolviert hatte. Er beschleunigte den Starfighter auf doppelte Schallgeschwindigkeit, was knapp 2500 Stundenkilometer bedeutet. Plötzlich gab es einen Knall.

Die Kanzel über Franz Schmid wurde weggerissen. Glassplitter schossen an ihm vorbei. Der Pilot erinnerte sich: "Der Sturm riss an meiner Atemmaske. Wenn ich sie verloren hätte, wäre alles aus gewesen." Geistesgegenwärtig bremste Schmid die Maschine auf 800 Stundenkilometer. Er löste Alarm aus und verständigte sein Geschwader. Schmid gelang es, seine Maschine sicher auf den Boden zu bringen. Wie sich herausstellte, hatte es im Material der Glaskanzel Spannungen gegeben. Eine andere Ursache führte zu einem weiteren Unglück einige Tage später.
Das Schicksal meinte es gut mit Unterkammlach
Es passierte am 1. Februar 1973. Pilot Johannes Schiller gelang es, seinen abstürzenden Starfighter außerhalb der Gemeinde Unterkammlach im Nachbarlandkreis Unterallgäu auf den Boden zu bringen. Kaum vorstellbar, welche Katastrophe der Absturz des Starfighters angerichtet hätte, wenn er wie aus dem Nichts in die Häuser gekracht und dann in einem Feuerball explodiert wäre. Der Offizier des Jagdbombergeschwaders 34 in Memmingerberg starb bei dem Unglück - trotz Schleudersitz hatte er offenbar nicht mehr rechtzeitig den Ausstieg geschafft.

Der 27-Jährige war gegen 8.30 Uhr am Fliegerhorst Memmingerberg zu einem Übungsflug gestartet. Weit über den Wolken in etwa 3000 Metern Höhe meldete Schiller mit ruhiger Stimme: „Schwierigkeiten mit den Triebwerken. Ich schalte das Notsystem ein. Gleiche damit den Schubverlust aus. Fehler kompensiert. Alles in Ordnung.“ In Memmingerberg wurden vorsichtshalber die Rettungsmannschaften alarmiert. Es war 10.25 Uhr.
Bewohner sehen Starfighter auf sich zurasen
Landeanflug. Am Fliegerhorst Memmingerberg war der Starfighter, eine Mischung aus Flugzeug und Rakete, vom Schirm verschwunden. 10.32 Uhr. In Unterkammlach sahen Bewohner, wie der Starfighter auf sie zurast. Statt auszusteigen riss Schiller die Maschine noch einmal hoch. Etwa einen Kilometer nach der Dorfgrenze schlug der Starfighter mit einer Geschwindigkeit von 450 Stundenkilometer auf. Tausende Wrackteile schossen umher. Später stellten die Experten fest: Eine offene Schubdüse ließ die Maschine abstürzen. Der Fehler war bekannt. Und wieder war ein Sternenjäger vom Himmel gestürzt.
Insgesamt verlor die Luftwaffe damals 269 von 916 Starfightern. 108 deutsche und acht Piloten der US Air Force starben. Der Starfighter hatte längst den Beinamen „Witwenmacher“ und „fliegender Sarg“ erhalten. Sie stehen für das dunkelste Kapitel der Bundeswehr und für einen der großen Skandale der noch jungen Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg.
Schneller Abfangjäger für einen Gegenschlag
Im Kalten Krieg wurde für die deutschen Luftstreitkräfte ein Abfangjäger wie auch ein atomarer Waffenträger gesucht, um bei einem Überraschungsangriff des Warschauer Pakts schnell zum nuklearen Gegenschlag ausholen zu können. 1959 entschied sich die Regierung samt Opposition für einen kombinierten Entwicklungs- und Lizenzvertrag mit der US-amerikanischen Firma Lockheed. Das heißt: Ein Konsortium aus mehreren Flugzeugherstellern - darunter Dornier, Messerschmitt und Heinkel - baute in Lizenz mit. Um Jagdbomber wie auch Aufklärer zu können sein, waren einige Konstruktionsänderungen notwendig. Kameras mussten eingebaut, Tragflächen verstärkt, Außentanks an den Flügelenden angebaut oder Bomben eingehängt werden. Außerdem musste die Leistung der Triebwerke erhöht werden - unter dem Strich war das Lizenzmodell fast ein Drittel schwerer.
Fliegerisch war der Starfighter auch ohne alle Veränderungen in der für Deutschland gebauten Version eine Herausforderung. Das Triebwerk leistete (mit Nachbrenner) bis zu 29.000 PS. Der 17 Meter lange Starfighter flog in der Spitze mit mehr als doppelter Schallgeschwindigkeit. Wegen der Pfeilform glich die Maschine eher einer bemannten Rakete. Doch die ließ die Piloten immer wieder im Stich. Aus dem Starfighter wurde ein Fallfighter. Mal machten die Triebwerke Probleme, mal die Steuerung, mal die Elektronik. Dazu kamen fliegerische Fehler und mangelnde Infrastruktur bei der Wartung.
Franz Josef Strauß im Kreuzfeuer
Mit der zunehmenden Anzahl an Unfällen befasste sich Anfang 1966 der Verteidigungsausschuss. Immer wieder kam die Kritik: Bei mehr Sorgfalt hätten sich die Unfälle vermeiden lassen. Im Kreuzfeuer stand damals auch Franz Josef Strauß. Er hatte als Verteidigungsminister die Lockheed-Geschäfte eingefädelt. Die Opposition warf ihm unter anderem Vergeudung von Steuergeldern vor. Der Bundesrechnungshof hielt in einem Prüfbericht 1969 fest: Die Bundesrepublik habe ein nicht beschaffungsreifes Waffensystem gekauft. Das für seine Mehrzweckrolle erforderliche Nebeneinander von Entwicklung und Fertigung habe die rasche militärische Einsatzfähigkeit verhindert und verzögert. So ist es auch im Buch "Skandale in Deutschland nach 1945" der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland festgehalten. 1976 kamen neue Details ans Licht, die im sogenannten Lockheed-Skandal gipfelten. Es hatte sich herausgestellt, dass die US-Firma japanische, italienische und niederländische Spitzenpolitiker bestochen hatte.
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