Ein hohes politisches Amt, eine Beziehung, Kinder oder Eltern, die Pflege bedürfen: All das unter einen Hut zu bringen, ist in den Augen vieler Deutscher nur schwer möglich. Denn zwei von drei Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern halten Spitzenpolitik für eher familienfeindlich. Laut einer repräsentativen Civey-Umfrage für unsere Redaktion glauben 67 Prozent der Befragten nicht, dass sich auf den höchsten Ebenen der Politik Familie und Beruf gut vereinbaren lassen. In den Augen von 29 Prozent kann eben dies sogar auf keinen Fall gelingen. 22 Prozent sind dagegen der Ansicht, dass sich Privates und Professionelles gut kombinieren lassen. Elf Prozent sind unentschieden.
Das Gefühl, dass sich in der Spitzenpolitik Familie und Beruf nicht so recht zusammenbringen lassen, entsteht über Parteigrenzen hinweg. Laut Umfrage sind sich die Anhängerinnen und Anhänger aller im Bundestag vertretenen Parteien in dieser Annahme mehrheitlich einig. Auch über die verschiedenen Altersklassen hinweg gibt es diesbezüglich nur wenig Unterschiede.
Neu entbrannt war die aktuelle Debatte um die (Nicht-)Vereinbarkeit von Familie und Job in der Spitzenpolitik in der Diskussion rund um den Rücktritt von Anne Spiegel. Die nun ehemalige Familienministerin, die bis zum Antritt der Ampel die Umweltpolitik in Rheinland-Pfalz verantwortet hatte, war für ihr Krisenmanagement bei der Flut im Ahrtal scharf kritisiert worden. Kritik entzündete sich unter anderem an einem mehrwöchigen Frankreich-Urlaub, den Spiegel zehn Tage nach der Flut angetreten hatte. Spiegel führte in einem Statement zunächst familiäre Gründe an und verwies darauf, das ihr Mann 2019 einen Schlaganfall erlitten habe und ihre vier Kinder durch die Pandemie belastet gewesen seien. Wenige Stunden später trat sie zurück.
Den Rücktritt der Politikerin, die auch falsche Angaben bezüglich ihrer Teilnahme an Kabinettssitzungen einräumen musste, hält die große Mehrheit der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger für richtig. In einer weiteren repräsentativen Civey-Umfrage für unsere Redaktion vertreten 73 Prozent der Befragten diese Ansicht. 59 Prozent sagen sogar, es sei eindeutig richtig, dass Spiegel ihr Amt niedergelegt habe. Anderer Meinung sind 17 Prozent der Befragten. Jede und jeder Zehnte ist unentschieden.
Begrüßt wird der Rücktritt der Grünen-Politikerin Spiegel auch im eigenen Lager. 48 Prozent der Wählerinnen und Wähler ihrer Partei halten diesen für richtig, 37 Prozent für falsch. Unter denen, die SPD, Union, FDP oder AfD nahestehen, geben jeweils mindestens sieben von zehn Befragten an, Spiegel habe richtig gehandelt, als sie in Folge der Vorwürfe ihr Amt zur Verfügung stellte.
Das Meinungsforschungsinstitut Civey zählt für seine repräsentativen Umfragen nur die Stimmen registrierter und verifizierter Internetnutzerinnen und -nutzer, die Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angegeben haben. Die Stimmen werden nach einem wissenschaftlichen Verfahren gemäß der Zusammensetzung von Deutschlands Bevölkerung gewichtet. Für die Frage "Glauben Sie, dass sich Familie und Beruf in der Spitzenpolitik gut vereinbaren lassen?" wurden im Zeitraum vom 11.04. bis 12.04.2022 die Antworten von 5001 bevölkerungsrepräsentativ ausgewählten Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern berücksichtigt. Für die Frage "Finden Sie es richtig oder falsch, dass Anne Spiegel vom Amt der Bundesfamilienministerin wegen der Affäre um ihren Urlaub nach der Flutkatastrophe zurückgetreten ist?" wurden im Zeitraum vom 11.04. bis 12.04.2022 die Antworten von 5011 bevölkerungsrepräsentativ ausgewählten Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern berücksichtigt. Der statistische Fehler liegt jeweils bei 2,5 Prozent.