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Leichtathletik-WM 2019: Carl Lewis ist eine Legende mit Schattenseite

Leichtathletik-WM 2019

Carl Lewis ist eine Legende mit Schattenseite

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    Carl Lewis gewann neun olympische Goldmedaillen. Er ist einer der größten Athleten aller Zeiten.
    Carl Lewis gewann neun olympische Goldmedaillen. Er ist einer der größten Athleten aller Zeiten. Foto: Witters (Archiv)

    Wer Carl Lewis noch nie begegnet ist, lebt möglicherweise in der Annahme, der Mann sei pünktlich. Jeder, der Carl Lewis schon einmal begegnet ist, weiß, dass der Mann nie pünktlich ist. „Der Verkehr war schrecklich“, sagt er am Montag, als er mit einer Stunde Verspätung im schicken Hotel „The Torch Doha“ einläuft. Dort soll er vor Sportjournalisten aus aller Welt sprechen. Die meisten kennen Lewis. Allgemeines Gelächter. Lewis ist einer der größten, vielleicht sogar der größte Leichtathlet aller Zeiten. Neun Mal war der ehemalige Sprinter und Weitspringer Olympiasieger, acht Mal Weltmeister. Eine Legende. Inzwischen ist Lewis 58 Jahre alt, arbeitet als Assistenz-Trainer an der Universität von Houston und hat sie immer noch: die Fähigkeit, einen ganzen Raum binnen Sekunden für sich zu gewinnen.

    Goldkettchen am Arm, weißes Poloshirt mit dem Emblem eines Sponsors. Schlank. Strahlendes Lachen. Showtime. Neben Lewis sitzt Leroy Burrell, 52. Fünf Zentimeter kleiner, etwa 30 Kilo schwerer. Kaum zu glauben, aber in den 1990ern duellierten sich die beiden über 100 Meter. Trieben sich zu Weltrekorden. Lewis war besser. Jetzt ist Burrell Cheftrainer in Houston. „Mein Boss“, sagt Lewis.

    Lewis redet und redet am Rande der Leichtathletik-WM in Doha

    Neben die beiden haben die Organisatoren den jungen Italiener Filippo Tortu platziert. Der 21-Jährige stand in Doha im WM-Finale über 100 Meter und wurde Siebter. Bestzeit: 9,99 Sekunden. Wie ein kleiner Junge hört er gebannt den beiden Legenden seines Sports zu. Bis Lewis ihn fragt, was er für Ziele habe. Tortu bekommt das Mikrofon, überlegt, setzt an: „Ich würde gerne …“ „Nein“, funkt Lewis sofort dazwischen. „Was ist dein Ziel? Sag mir eine Zeit und nicht: Ich würde gerne …“ Tortu läuft rot an, ringt sich dann aber eine 9,92 über 100 Meter ab.

    Lewis sagt, seinen jungen Athleten versuche er zu vermitteln, dass sie einem Ziel alles unterordnen. „Ich wollte immer 8,90 Meter springen. Immer. Ich hatte immer diese Weite im Kopf. Darauf habe ich alles ausgerichtet.“ Es wurden 8,87 Meter, gesprungen 1991 in Tokio. Bis heute der drittweiteste Satz aller Zeiten. „Du musst dich auf das konzentrieren, was du beeinflussen kannst. Und das ist deine eigene Leistung. Nimm dir keine Goldmedaille als Ziel vor, denn das kannst du nicht beeinflussen.“

    Lewis redet und redet. Dazwischen redet Burrell. Dann wieder Lewis. Die beiden sind gut gelaunt. Bis einer die Frage stellt, wie ihm die Leichtathletik der Gegenwart gefalle. Lewis wird ernst. „Alle sind spektakulärer geworden. Alle sind mit der Zeit gegangen. Die Leichtathletik nicht.“ Er sagt, dass es heute wie damals 60.000 Dollar für einen WM-Titel gibt. Er beklagt, dass jemand das 100-Meter-Finale einer WM erreicht, davon aber nicht leben könne. „Das ist kein professioneller Sport. Wir haben nichts geändert.“ Lewis ist ein Mann klarer Worte, selbst wenn er dabei sein strahlendes Lachen lacht. Donald Trump hat er jüngst als Rassisten bezeichnet.

    Kleinlaut wird Carl Lewis nur beim Thema Doping

    Nur einmal wurde er kleinlaut. Als es darum ging, dass auch über seiner strahlenden Karriere ein Dopingschatten liegt. 1988, während der Olympia-Qualifikation, waren in seinem Körper die Stimulanzien Pseudoephedrin, Ephedrin und Phenylpropanolamin nachgewiesen worden. Alle verboten. Trotzdem durfte er in Seoul starten und gewann Gold im Weitsprung. Der positive Test wurde unter den Teppich gekehrt. Erst 2003 gestand Lewis, spielte den Vorfall aber herunter. „Das Olympische Komitee der USA hat mich freigesprochen. Bei mir wurde genauso verfahren wie bei hundert anderen Sportlern auch, die positiv getestet wurden.“ Subtext: alles halb so wild.

    Doping ist an diesem Montag in Doha kein Thema. Denn bei aller Kritik, in einem Punkt hat sich die Leichtathletik enorm weiterentwickelt. Sie hat gelernt, damit zu leben, dass die meisten ihrer Stars früher oder später des Dopings überführt werden. Ärgerlich, ja. Aber die Show muss weitergehen.

    Aktuelle Informationen rund um die Leichtathletik-WM finden Sie hier.

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