
So leiden Bayerns Sportvereine unter dem Lockdown

Plus Trainingsplätze sind seit Monaten geschlossen – und besonders Kindern fehlt die Bewegung. Der Präsident des Bayerischen Turnverbands bezeichnet die Lage als "katastrophal".

Kein Mannschaftssport, kein Hallentraining, keine Wettkämpfe, kein Schwimmunterricht – Alfons Hölzl findet deutliche Worte für die seit Monaten andauernde Schließung von Sportstätten, Freizeitanlagen und Bädern. „Katastrophal“ sei die Lage im Amateur- und Breitensport, sagte der Präsident des Bayerischen Turnverbandes, kurz BTV, unserer Redaktion. „Der organisierte Sport findet nicht statt.“ Die Folgen seien bereits absehbar. Hölzl verweist auf Untersuchungen, die zeigen, dass die mangelnde Bewegung „gesundheitliche Auswirkungen bis hin zu psychischen Schäden hat“.
Kinder verbringen mehr Zeit am PC und Handy als beim Sport
Viele Kinder und Jugendliche, sagt Hölzl, würden lieber daheim vor dem PC sitzen, als sich sportlich zu betätigen, weil die Motivation durch den Sportverein oder die Trainingsgruppe fehlt. Die Zeit, die Kinder und Jugendliche am Computer und am Handy verbringen, sei um eine Stunde gestiegen. Hölzl zweifelt, dass sie nach der Corona-Pandemie wieder für den Sport gewonnen werden können.

Mitgliederzahlen in den bayerischen Sportvereinen sinken dramatisch
Die Folge: Die Mitgliederzahlen in den Vereinen sinken dramatisch, seit Monaten gibt es fast nur Aus- und kaum Neueintritte. Der Bayerische Landessportverband, kurz BLSV, vermeldete zuletzt einen starken Einbruch der Zahlen vor allem im Kinder- und Jugendbereich. Im Jahr 2020 haben fünf Prozent weniger Kinder Sport im Verein getrieben, bei den Jugendlichen waren es 3,7 Prozent. Aufgrund des seit November andauernden zweiten Lockdowns befürchtet Hölzl, „dass es sich viele zu Hause gemütlich eingerichtet haben und uns ganze Gruppen wegbrechen“.
Auch das Grundrecht, sich frei zu bewegen, müsse gewahrt bleiben
Wie die Präsidenten anderer großer Sportverbände wie Jörg Ammon vom BLSV oder Alfons Hörmann vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), fordert auch Hölzl von der Politik eine Perspektive für den Amateur- und Breitensport. Er hält der Politik zugute, dass man „Pandemie erst lernen muss“. Aber „in Anbetracht der langen Dauer erwarte ich, dass man erkennt, dass der Gesundheitsschutz das eine ist, dass wir aber noch andere Grundrechte haben, eben das Recht, sich frei zu bewegen und organisierten Sport zu betreiben“. Deshalb, betont er, müsse die Politik ihre Entscheidungen überdenken. Für Verbandschef Hölzl ist ausschlaggebend, dass die Maßnahmen geeignet und verhältnismäßig sind – gerade mit Blick auf Erkenntnisse von Aerosolforschern, dass Sport im Freien weitaus weniger gefährlich ist als in der Halle.
Ausgerechnet die Notbremse der Bundesregierung könnte dem Amateursport eine kleine Öffnungsperspektive bieten. Denn laut dem neuen Infektionsschutzgesetz soll auch bei einem Inzidenzwert von über 100 der Sport für Kinder unter 14 Jahren in 5er-Gruppen erlaubt sein, Außensportanlagen dürfen ebenfalls weiter offen gehalten werden – falls der Freistaat diesen Bundesregelungen nicht noch einen Riegel vorschiebt. „Zum jetzigen Zeitpunkt können wir noch keine verbindlichen Aussagen hinsichtlich der Auswirkungen der ,Bundes-Notbremse‘ auf die Sportausübungen in Bayern treffen“, hieß es dazu am Donnerstag lediglich aus dem Bayerischen Innenministerium.
Breiten- und Amateursport in Bayern hat weniger Lobby als erwartet
Egal wie der Freistaat reagiert, der BTV-Präsident ist enttäuscht davon, dass der Sport nicht die Lobby hat, die er erwartet hätte. „Der Sport darf nicht nur bei Sonntagsreden mit einer großen Bedeutung versehen werden, sein sozialer und gesundheitsfördernder Aspekt muss erkannt werden. Aber wir erleben leider gerade, wie gering der Sport eingestuft wird.“
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