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Durchbruch mit Makeln - Pechstein in Kampflaune

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Durchbruch mit Makeln - Pechstein in Kampflaune

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    Durchbruch mit Makeln - Pechstein in Kampflaune
    Durchbruch mit Makeln - Pechstein in Kampflaune Foto: DPA

    Nach zahlreichen Tränen zeigte sich die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin kämpferisch und beriet mit ihrem "Krisenstab" das Vorgehen im juristischen Tauziehen nach dem niederschmetternden CAS-Urteil. Ihr Ruf ist zerstört, die finanzielle Basis ihre Zukunft gerät ins Wanken, nachdem sie der Verband aus der Förderung strich und erwartungsgemäß auch der erste Sponsor sich abwendete. Die Deutsche Kreditbank (DKB) kündigte ihr die Zusammenarbeit auf "Grundlage geltender Verträge", bestätigte eine Pressesprecherin.

    Wenigstens ihr Hauptsponsor ("Grabower Süßwaren") ließ eine Trotzreaktion folgen. "Wir werden den Vertrag demonstrativ verlängern", verriet Pressesprecher Matthias Dickmann der dpa. Auch zahlreiche Fans sprachen ihr weiter Mut zu. "Sie hat mehr E-Mails erhalten als nach ihren Olympiasiegen 2002", bestätigte Manager Ralf Grengel. Pechstein mag das guttun, an der realistischen Lage ändert es wenig. Wie von Innenminister Thomas de Maiziere angekündigt, wird auch ihre Anstellung bei der Bundespolizei in einem Disziplinarverfahren infrage gestellt.

    Indizienprozesse, im Zivil- und Strafrecht längst Alltag, dürften sich mit der Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofes (CAS) auch im Sport etablieren. Funktionäre, Politiker und Wissenschaftler werten die CAS-Rechtsprechung nahezu unisono als richtungsweisenden Durchbruch. Für Blutdoper wird das Manipulieren immer riskanter, trotzdem plädiert Bayerns Justizministerin Beate Merk zur weiteren Abschreckung für ein Bundes-Sportschutzgesetz. Doping, Bestechung, Bestechlichkeit und sonstige betrügerische Manipulation müssten verfolgt werden. Bei gewerbsmäßigem Doping sollten sogar bis zu 15 Jahren Haft möglich sein, forderte die CSU- Politikerin in der "Süddeutschen Zeitung".

    Suspendierungen auf der Basis von Blutprofilen könnten in Mode kommen. Die Frage ist: Welcher Verband traut sich als nächster? Gian- Franco Kasper hatte schon vor dem Urteil eine wahre Prozessflut prophezeit. Die meisten Verbände hätten Listen von Athleten, deren Blutbilder Abnormalitäten zeigten, so der Chef des Internationalen Skiverbandes (FIS). Neben der FIS erstellen der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) und der Radsport-Weltverband (UCI) längst Blutpässe.

    Bei den Spitzenverbänden werden über einen langen Zeitraum bis zu zwölf Parameter beobachtet. In der Causa Pechstein reichte dem Weltverband ISU ein Blutparameter (Retikulozyten) zum Nachweis einer unerlaubten Manipulation. "Ich bin sicher, der indirekte Nachweis von Doping-Missbrauch wird aufgewertet und die Entscheidung erzeugt eine positive Stimmung bei den Verbänden", sagte Wilhelm Schänzer, Leiter des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln, "nicht wohl ist mir aber, dass das Urteil nur auf einen Parameter, die erhöhte Anzahl von Retikulozyten im Körper, beruht."

    Nicht überraschen würde es, wenn weitere Sperren ausgerechnet im Eisschnelllauf folgen würden. Immerhin schmoren 527 Proben mit Retikulozytenwerten außerhalb des Grenzbereiches in der ISU- Datenbank. "Ich denke, dass in den nächsten Monaten weitere Sportler nur auf Grundlage eines Blut-Parameters gesperrt werden können. Die Tür ist geöffnet, und das sowohl im Eisschnelllauf als auch in allen anderen Sportarten", erklärte DESG-Sportdirektor Günter Schumacher.

    Pechstein nutzte am Tag nach ihrem Desaster erneut die Möglichkeit, gegen ihre Kritiker zu wettern. Zu diesen gehört seit der Verkündung des Urteils auch Thomas Bach. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hatte sie "zur umfassenden Aufklärung" aufgefordert. Seine Bemerkung "die Hintermänner müssen bestraft werden" löste bei der Berlinerin heftigen Protest aus. "Wenn's nicht so traurig wäre, könnte ich mich kaputtlachen. Hintermänner! Was für Hintermänner? Wenn ich nicht gedopt habe, kann es auch keine Hintermänner geben! So einfach ist das", erklärte sie auf ihrer Homepage "www.claudia-pechstein.de".

    Nach der ersten Nacht als "verurteilte Dopingsünderin" fühle sie sich "völlig irreal. Seit 10 Monaten ist es so, als lebe ich im Moment gar nicht mein eigenes Leben, sondern wäre Teil eines Films", sagte die 37-Jährige, "es ist unglaublich schwer, die eigene Gefühlslage zu beschreiben. Mal ist es Ohnmacht, mal Kampfeslust." Im weiteren juristischen Prozedere vor dem Schweizer Bundesgericht geht es für Pechstein nun schon wieder um alles, aber vor dem Zivilgericht können nur noch Verfahrensfehler reklamiert werden.

    Sicher wissen auch ihre Anwälte, dass in den 25 Jahren der CAS- Existenz bisher nur zwei Urteile von diesem Zivilgericht gekippt worden sind. 2007 zog der argentinische Tennis-Profi Guillermo Canas gegen einen CAS-Richterspruch erfolgreich zu Felde, unlängst der deutsche Ex-Eishockey-Nationalspieler Florian Busch. Selbst vom Thema Olympia hat sich Pechstein nach wie vor nicht verabschiedet. Vision oder Illusion? Deutschlands erfolgreichster Winter-Olympionikin läuft die Zeit davon. Ihr Ziel ist, nach der endgültig verpassten Olympia- Qualifikation bis zur EM am 8. bis 10. Januar 2010 eine einstweilige Starterlaubnis zu erhalten.

    Auf die Hilfe des Verbandes kann sie nicht mehr zählen. "Für uns ist der Kampf zu Ende. Auch wenn wir sie moralisch weiter ermutigen und sie nicht fallen lassen wie eine heiße Kartoffel", sagte DESG- Präsident Gerd Heinze. Der Verband wird nach dem schon rund 100 000 Euro teuren Engagement als Drittpartei in dem Präzedenzfall genug weitere Probleme bekommen, denn der Vertrag mit Hauptsponsor DKB läuft spätestens nach der Saison aus. Die DKB-Sprecherin wollte zu diesem Kontrakt zwar nicht Stellung nehmen, doch es gilt als sicher, dass er nicht verlängert wird. "Man muss auch versuchen, die Partner zu verstehen", sagte Heinze.

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