Startseite
Icon Pfeil nach unten
Sport
Icon Pfeil nach unten

Fußball: Ex-Trainer Hitzfeld warnt den FC Bayern: "Wird kein Selbstläufer"

Fußball

Ex-Trainer Hitzfeld warnt den FC Bayern: "Wird kein Selbstläufer"

    • |
    Gewann sowohl mit dem BVB als auch mit dem FC Bayern die Champions League: Ottmar Hitzfeld.
    Gewann sowohl mit dem BVB als auch mit dem FC Bayern die Champions League: Ottmar Hitzfeld. Foto: Robert Ghement, dpa

    Herr Hitzfeld, zum Einstieg eine Quizfrage: Wann gab es einen ähnlich späten Bundesliga-Saisonstart wie jetzt? Stichwort: Olympische Spiele.

    Ottmar Hitzfeld: 1972, aber ohne Tipp hätte ich mich nicht erinnert. In Deutschland lag der Fokus auf den Olympischen Spielen in München. Die Bundesliga begann erst danach. Die Teilnahme an Olympischen Spielen war ein Traum, ein Geschenk! Für mich sowieso, weil ich erst ein Jahr in der obersten Schweizer Liga spielte, Torschützenkönig war und als Nachzügler für den Kader nominiert wurde, zu dem meist Bundesliga-Spieler gehörten wie Uli Hoeneß. Er war 1972 schon Europameister geworden und – in Anführungszeichen – Olympia-Amateur. So der Status, um mit Mannschaften aus dem Ostblock mithalten zu können, die ihre A-Teams aufboten.

    Waren Ihre fünf Tore Bundesliga-Türöffner?

    Hitzfeld: Angebote gab es schon vorher. Für mich war aber klar, dass ich beim FC Basel bleiben und mein Lehrerexamen abschließen würde. Auch hätte ein Wechsel zu Bayern keinen Sinn gemacht, wo auf meiner Position mit Gerd Müller ein einzigartiger Mittelstürmer spielte.

    1972 startete der FC Bayern einen Meisterschafts-Hattrick, holte von 1974 bis 1976 auch den Landesmeister-Europacup in Serie. Ist das mit heute vergleichbar?

    Hitzfeld: Es lässt sich erahnen, zu was auch die heutige Mannschaft fähig sein kann, ist jedoch ein weiter Weg, einen solchen Erfolg zu wiederholen. Aber Bayern hat die Substanz, wurde verdient Champions-League-Sieger. Mit Hansi Flick als idealem Trainer, bei dem mir seine sachliche Art gefällt. Aber auch Niko Kovac hat, finde ich, einen guten Job gemacht. Wenn es aber in eine falsche Richtung läuft, brennt es bei Bayern ziemlich schnell.

    Aus Ihrer Zeit ist kein Spieler mehr beim FC Bayern aktiv. Thomas Müller kam 2008 nach Ihrem Abschied, war nun eine prägende Figur.

    Hitzfeld: In der vergangenen Saison hat Thomas Müller wie andere Bayern-Spieler Weltklasse gezeigt, unglaublich konstant, mit seiner Ausstrahlung ein absoluter Leader. Torgefährlich war er immer, aber er hat sich auch spielerisch entwickelt.

    Die Triple-Sieger zurücl auf dem Bayern-Trainingsplatz: Thomas Müller (vorne, l-r), Robert Lewandowski und Thiago.
    Die Triple-Sieger zurücl auf dem Bayern-Trainingsplatz: Thomas Müller (vorne, l-r), Robert Lewandowski und Thiago. Foto: Tobias Hase/dpa

    Gibt es sein Nationalmannschafts-Comeback?

    Hitzfeld: Man muss respektieren, was „Jogi“ Löw plant, dass er bei seiner Entscheidung bleiben will. Er hat einen Umbruch angekündigt, damit Jüngeren eine Perspektive versprochen.

    Können Sie sich in die Lage der Klubs in Corona-Zeiten hineinversetzen?

    Hitzfeld: Wirklich froh bin ich, als Trainer etwas derart einzigartig Kompliziertes nie erlebt zu haben. Umso höher ist die Leistung der Vereine zu bewerten, auch dass es relativ wenige Verletzte gab. Heutige Spieler sind noch athletischer als früher. Es wird intensiver auf körperliche Voraussetzungen geachtet, Prävention größer geschrieben.

    Wie kommen Sie selbst aktuell zurecht?

    Hitzfeld: Man muss einfach die Regeln einhalten! Was den Fußball betrifft, hat sich für mich nicht viel verändert, weil ich nur noch selten im Stadion bin. Aber ich war glücklich, als mit dem Restart überhaupt gespielt wurde: Präzisionsarbeit von Christian Seifert mit seinem DFL-Team, unglaubliche Pionierarbeit. Das auf die Beine zu stellen und mit der Politik zu koordinieren, war ein Meisterwerk! Und wurde Musterbeispiel für die ganze Welt, auch für andere Sportarten.

    Wie empfinden Sie jetzt Spiele im TV?

    Hitzfeld: Obwohl ich Fußball immer noch als Trainer schaue mit Blick auf den taktischen Bereich, fehlen mir ohne Fans im Stadion Atmosphäre, Emotionen, Gesänge. Daher freue ich mich, dass nun teilweise wieder Zuschauer in den Stadien sein können. Es braucht solche Pilotprojekte mit Fans, natürlich unter Berücksichtigung der Gesamtentwicklung der Pandemie.

    Acht deutsche Meisterschaften in Serie für die Bayern heißt Bundesliga-Langeweile?

    Hitzfeld: Zum Schluss der vergangenen Saison sah es einfacher aus, als es wirklich war. Wenn Bayern in Dortmund verloren hätte, wäre es noch einmal spannend geworden. Die Big Points hat aber Bayern gemacht! Trotzdem kann man jetzt nicht sagen: Die werden sowieso Meister! Das wird kein Selbstläufer für Bayern! Auch für eine so außergewöhnliche Mannschaft heißt es, demütig zu bleiben, sich alles wieder aufs Neue zu erarbeiten. Geschenkt wird Bayern nichts!

    Will mit Borussia Dortmund den DFB-Pokal gewinnen: Trainer Lucien Favre.
    Will mit Borussia Dortmund den DFB-Pokal gewinnen: Trainer Lucien Favre. Foto: Bernd Thissen/dpa

    Wer könnte angreifen?

    Hitzfeld: Größter Konkurrent wird Borussia Dortmund bleiben mit einer ebenfalls überragenden, jungen Mannschaft, die sich weiterentwickeln kann. Die neben dem Ziel, sich wieder für die Champions League zu qualifizieren, sicher vorhat, die Bayern zumindest ein bisschen zu ärgern – es bleibt abzuwarten, ob mehr geht. Dahinter sehe ich RB Leipzig mit großartigen Einzelspielern. Gute Perspektiven hat auch Gladbach mit gerade in der Offensive sehr interessanten Spielern. Wenn es gelingt, in der Defensive stabiler zu werden, ist auf Sicht noch ein bisschen mehr drin als zuletzt der vierte Platz.

    Warum gab es zuletzt keine wirkliche Bayern-Konkurrenz?

    Hitzfeld: Bayern hat einfach mehr Klasse! Dazu muss man das Budget sehen, sogar im Vergleich zu Borussia Dortmund. Aber Bayern wirtschaftet auch sehr gut. Was da geleistet wird, ohne Investor wie Liverpool, Manchester City oder Chelsea in der Premier League, kann man nicht hoch genug schätzen.

    Wie schauen Sie auf Klubs mit nicht so rosigen Voraussetzungen?

    Hitzfeld: Mir imponiert, wenn Freiburg den Abstieg vermeidet, obwohl immer wieder die besten Spieler abgegeben werden müssen. Christian Streich verdient für jeden Klassenerhalt die Auszeichnung „Trainer des Jahres“. Bemerkenswert ist auch, dass Mainz 05 seit 2009 und der FC Augsburg nun im zehnten Jahr der Bundesliga durchgängig angehören. Stefan Reuter hat als Manager in Augsburg unglaublich viel Erfahrung, weiß, wie Fußball funktioniert, beweist ein gutes Auge bei Transfers. Und dass er Trainer Heiko Herrlich als früheren Teamkollegen aus unserer gemeinsamen Dortmunder Zeit gut kennt, ist auch von Vorteil.

    Was erwarten Sie von den Aufsteigern Arminia Bielefeld und VfB Stuttgart mit Uwe Neuhaus und Pellegrino Matarazzo, beide erstmals Bundesliga-Trainer?

    Hitzfeld: Aufsteiger stehen immer vor einer Herkulesaufgabe! Für sie geht es darum, die Euphorie mitzunehmen und gleich zum Anfang viele Punkte zu holen. Die Umstellung auf die Bundesliga bedeutet eine neue Dimension, einen anderen Rhythmus, höhere Intensität, mehr Druck, mehr öffentliche Aufmerksamkeit und – je nach dem – auch mehr Kritik. Oben zu stehen, um aufzusteigen, oder weiter unten, um nicht abzusteigen, das sind ganz unterschiedliche Kriterien. Deshalb ist auch der Klassenerhalt von Union Berlin mit Trainer Urs Fischer ein toller Erfolg! Aber erfahrungsgemäß wird das zweite Jahr noch schwerer.

    Fußball gehört für Sie weiter zum Programm. Wie sieht Ihr Alltag sonst aus?

    Hitzfeld: Aus der Öffentlichkeit habe ich mich mehr und mehr zurückgezogen. Ab und zu halte ich Vorträge, aber auch das dosiert: über meine Führungsphilosophie, Prinzipien, Erfahrungen. Zudem spiele ich Golf, ein schöner Ausgleich, damit habe ich mit 50 Jahren noch rechtzeitig angefangen. Ski fahre ich nicht mehr, das wurde mir zu gefährlich. Manchmal besuchen wir unseren Sohn in München mit drei kleinen Enkelkindern. Das war zuletzt nicht regelmäßig möglich. Aber zum Glück gibt es ja FaceTime. Insgesamt ist es eine sehr angenehme Lebensphase.

    Lesen Sie dazu auch:

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden