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Fußball-EM 2021: Was hat die Rückkehr von Hummels und Müller dem Team gebracht?

Fußball-EM 2021

Was hat die Rückkehr von Hummels und Müller dem Team gebracht?

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    Sekunden zuvor setzte Thomas Müller den Ball neben den Pfosten. Es hätte auch alles ganz anders kommen können ...
    Sekunden zuvor setzte Thomas Müller den Ball neben den Pfosten. Es hätte auch alles ganz anders kommen können ... Foto: Christian Charisius, dpa

    Zu all der Kreisligahaftigkeit, die sich Thomas Müller über die Jahre erhalten hat, hätte eine kleine Bodenwelle gut gepasst. Ein Maulwurfshügel, wie er sich in den Strafräumen der Bezirkssportanlagen erhebt oder ein nicht ganz so akkurat gemähter Rasen. Irgendeine Unebenheit, die den Ball von seiner vorgegebenen Linie abgebracht hätte. Das Grün Wembleys hat aber wenig gemein mit den Wiesen im Pähler Umland, wo Müller das Kicken lernte. Also strich der Schuss Müllers in dieser unglückseligen 81. Minute am Tor vorbei. Es war die größte Möglichkeit der Deutschen im Spiel gegen die Engländer. Es war die Chance auf Müller erstes EM-Tor, vor allem aber war es die Gelegenheit, das Turnier über den Juni hinaus auszudehnen.

    So aber beendeten die Deutschen mit dem Achtelfinal-Aus die Ära Joachim Löws als Bundestrainer. Sie waren den Engländern in einem mäßigen Spiel ebenbürtig, fassten aber zu selten Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Löw berichtete am Tag nach der Niederlage von einem Gespräch, das er noch nachts mit Müller geführt habe. Demnach hätte der Offensivspieler gesagt: "Es hätte wohl nicht geschadet, wenn ich den reingemacht hätte." Löws Replik: "Stimmt." Vorwürfe aber wollte er Müller selbstverständlich nicht machen.

    Der hatte sich nachts auch noch auf Instagram gemeldet: "Da war er, dieser eine Moment, der dir am Ende in Erinnerung bleibt, der dich nachts um den Schlaf bringt. Für den du als Fußballer arbeitest, trainierst und lebst. Dieser Moment, wenn du es alleine in der Hand hast, deine Mannschaft in ein enges K.-o.-Spiel zurückzubringen und eine ganze Fußballnation in Ekstase zu versetzen. Diese Möglichkeit zu bekommen und sie dann ungenutzt zu lassen, tut mir verdammt weh", schrieb er. Es tue ihm auch weh wegen seines Trainers, der ihm Vertrauen geschenkt habe. Allerdings war Löw auch der Trainer, der ihm vor zwei Jahren das Vertrauen entzogen hatte, ebenso wie Mats Hummels. Erst kurz vor der Europameisterschaft befand Löw die Leistungen der beiden als so wertvoll, dass er sie wieder im Kreis der Nationalmannschaft aufnahm.

    Thomas Müller und Mats Hummels spielten schon bessere Turniere

    Die faktische Bilanz der Rückholaktion ist ernüchternd. Aus im Achtelfinale. Hummels schoss einmal ins eigene Tor und verschuldete einen Gegentreffer gegen Ungarn. Müller überzeugte lediglich gegen Portugal, schoss kein Tor und ließ die Chance auf eine Verlängerung in Wembley verstreichen. Löws Handeln aber ist seit jeher eher gefühlsbasiert. Darauf wiesen auch Aussagen von ihm hin, die er während seines letzten Medienauftritts als Bundestrainer in Herzogenaurach gab. Am Mittag nach dem Aus geriet er zur abschließenden Bilanz-Pressekonferenz. Die Bekanntschaften, die er habe machen dürfen, seien wichtiger als alle Erfolge und Misserfolge, so Löw. In den vergangenen Jahren machte er allerdings mehr Bekanntschaft mit Misserfolgen, als es ihm lieb war.

    Löw übergibt nun eine Mannschaft an Hansi Flick, von der er überzeugt ist, dass sie ihren Höhepunkt noch vor sich hat. Was in Anbetracht zweier Turnierabschiede auch nicht allzu schwer ist.

    Joachim Löw hat die Zeit seit 2018 nicht gut genutzt

    Für das Aus in London übernahm Löw "die volle Verantwortung". Konsequenzen brauchte er freilich nicht zu ziehen, ist er doch ab sofort Privatier. Als solcher muss er sich in der Öffentlichkeit auch nicht mehr rechtfertigen, daher wird eine eingehende Analyse des Ausscheidens wohl ausbleiben. Am Tag nach der Niederlage war Löw dazu noch nicht bereit. Klar sei aber, dass andere Mannschaften schon weiter seien, was notwendige Automatismen betreffe. Er habe sich und der Mannschaft in der Vorbereitung aber nichts vorzuwerfen. "In der Kürze der Zeit" hätte man an vielen Bereichen gearbeitet, konnte aber nicht mehr jeden Rückstand auf die Top-Teams aufholen. Dass Löw aber überhaupt die "Kürze der Zeit" als Druck empfinden musste, lag auch daran, dass er die lange, dünn besiedelte Strecke zwischen dem WM-Aus in Russland und der EM 2021 nicht nutzte, die Mannschaft auf eine gemeinsame Spielweise einzuschwören und dann in der Vorbereitung nur noch nötige Detailarbeit zu leisten.

    Ab sofort stellt Hansi Flick die deutsche Nationalmannschaft zusammen.
    Ab sofort stellt Hansi Flick die deutsche Nationalmannschaft zusammen. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Löw ist nun Vergangenheit als Bundestrainer. Hansi Flick ist die Zukunft. Ob er dann auch noch weiter auf Hummels und Müller setzen will und wird, ist ungewiss. Während Bastian Schweinsteiger unmittelbar nach dem Ausscheiden in seiner Funktion als TV-Experte sagte, die beiden würden wohl aufhören, konnte das Oliver Bierhoff zumindest nicht bestätigen. Auf ihn sei keiner der etwas älteren Spieler zugekommen, um seinen Rücktritt vorzubringen. Vorerst bleibt alles bei den Alten – und einem neuen Trainer.

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