Es ist nicht viel, was den deutschen Handballern derzeit fehlt, um gegen Top-Mannschaften wie Frankreich zu gewinnen. Doch auch das 29:30 am Mittwochabend japanischer Zeit war – wie schon die Auftaktniederlage gegen Spanien – nicht unverdient. Das hatte vor allem mit der ersten Hälfte zu tun, in der die Auswahl von Bundestrainer Alfreð Gíslason überhaupt nicht ins Spiel fand und zeitweise einem Sechs-Tore-Rückstand hinterherrannte. Bereits nach zehn Minuten nahm Gíslason eine Auszeit und machte seine Schützlinge darauf aufmerksam, dass die Fehlerquote zu hoch sei. Daraus würden zu viele Gegenstöße resultieren.
Am späteren Abend sagte Timo Kastening dann, dass er und seine Kollegen ein grundsätzliches Problem mit der Auftaktphase hätten. „Wir tun uns schwer, ins Spiel zu kommen. Das zieht sich durch die gesamte Mannschaft.“ Fehlwürfe und technische Fehler bescherten den Gegnern immer wieder Ballbesitz. „Und dann musst du viel arbeiten, um wieder ranzukommen. Das kostet viel Kraft. Das müssen wir jetzt schnell in den Griff bekommen, sonst ist das hier schneller vorbei, als man denkt.“
Handball in Tokio: Sogar ein Sieg war für kurze Zeit in Sichtweite
Dass es auch anders geht, zeigt die Mannschaft oft erst nach dem Seitenwechsel. Und auch gegen Frankreich waren die Deutschen kaum wiederzuerkennen. Bissig in den Zweikämpfen und deutlich zupackender in der Defensive. Jetzt bekam der Mittelblock auch den bärenstarken Dika Mem einigermaßen in den Griff. Der hatte im ersten Durchgang fast nach Belieben getroffen.
Bei 18:18 war der Rückstand erstmals aufgeholt. Deutschland ging sogar mit 19:18 in Führung. „Ich glaube, dass wir eine Hand am Sieg hatten“, sagte Kastening. Doch es sollte die einzige Führung in dem Spiel bleiben. Es fehlte, trotz aller kämpferischer Klasse, an Konstanz. Die Fehlerquote schnellte wieder nach oben, was die Franzosen eiskalt ausnutzten. Das Zwischenhoch war schnell beendet. Frankreich wirkte jetzt wieder wacher, gedankenschneller und im Abschluss effektiver. Bei 27:27 gab es den letzten Blickkontakt mit einem Sieg. Das Ende ist bekannt. Er sei immer noch zuversichtlich, sagte Kastening. Deutlicher wurde Bundestrainer Gíslason: „Es ist ärgerlich und frustrierend“, schimpfte der und sah dabei genauso aus. „Leider haben wir wieder einen Fehlstart hingelegt. Wir haben erst nach einer Viertelstunde angefangen, unseren Handball zu spielen.“
Momentan steht sein Team nach drei Spielen mit nur einem Sieg gegen Argentinien auf Platz vier der Sechsergruppe. Nächster Gegner ist am Freitag Norwegen, ehe zum Abschluss der Gruppenphase am Sonntag das Duell mit Brasilien ansteht. Der Druck ist jetzt enorm.
Abwehrspieler Hendrik Pekeler ist nach der Niederlage enttäuscht
Die ersten vier Teams jeder Gruppe erreichen das Viertelfinale, für das neben Frankreich auch Europameister Spanien, Weltmeister Dänemark und der WM-Zweite Schweden bereits qualifiziert sind. In den ausstehenden Spielen gegen Norwegen und Brasilien muss etwas Zählbares her, um den Traum vom Weiterkommen und dann auch von einer Medaille am Leben zu erhalten. „Wir werden alles daran setzen, dass dies gelingt“, kündigte Gíslason an.
Doch erst einmal muss die erneut knappe Niederlage verdaut werden. „Es zieht sich schon seit längerer Zeit wie ein roter Faden bei uns durch, dass wir die Topspiele nicht gewinnen können. Auch heute hatten wir die Möglichkeit. Aber welche Mannschaft macht schon zwei so leichte technische Fehler zum Schluss?“, kritisierte Abwehrmann Hendrik Pekeler. „Das macht den Unterschied.“
Der Bundestrainer suchte derweil schon nach dem Positiven in der Niederlage. „Ich kann den Jungs keinen Vorwurf machen, sie haben in der zweiten Halbzeit sehr, sehr gut gespielt“, sagte der Bundestrainer. „Am Ende fehlten Kleinigkeiten.“ Diese Kleinigkeiten allerdings sind es, die die deutsche Mannschaft noch von den Top-Teams unterscheiden.