Startseite
Icon Pfeil nach unten
Sport
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Im Profi-Fußball gibt's nur noch wenig Platz für Romantik

Kommentar

Im Profi-Fußball gibt's nur noch wenig Platz für Romantik

Tilmann Mehl
    • |
    Feature/Symbolfoto/Symbolbild/Fußball/Ball/Fußballschuhe
    Feature/Symbolfoto/Symbolbild/Fußball/Ball/Fußballschuhe Foto: Daniel Karmann, dpa

    Was waren das für feine Wochen für Romantiker. Das Schöne und Edle schien sich nach Jahren mal wieder über die Macht des Geldes zu erheben. Die von spielerischer Freude getriebene Dortmunder Fußballmannschaft strebte gen Meisterschaft, Frankfurts Vielvölker-Elf erackerte sich europaweit einen ausgezeichneten Ruf, und dem jugendlichen Ajax Amsterdam eröffnete sich der Weg zum Champions-League-Triumph. Dann aber scheiterte Dortmund an der eigenen Courage, Frankfurt an der Belastung und Amsterdam an einer fünfminütigen Nachspielzeit. Die Trophäen halten am Schluss doch wieder die Favoriten hoch. Geld schießt keine Tore, macht Erfolg aber wahrscheinlicher. Der BVB hat noch die kleine Chance, aus der Schwäche der Bayern Profit zu schlagen. Letztlich läge eine Dortmunder Meisterschaft dann auch nicht nur der eigenen Stärke, sondern vor allem der Münchner Fahrigkeit zugrunde.

    Die Spannung in der Bundesliga sollte deshalb auch nicht als Qualitätsmerkmal gesehen werden. Spannung gibt es auch in der Kreisliga. Was es dort wiederum nicht gibt: den Videoschiedsrichter und all das Aufhebens darum. Seit zwei Jahren nun mühen sich Unparteiische in einem Kölner Keller, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Die Zahl der spielentscheidenden Fehler ist in diesem Zeitraum massiv zurückgegangen, absolute Gerechtigkeit aber lässt sich auch durch die Wiederansicht von Fernsehbildern nicht erzwingen. In welch’ moralisches Dilemma die technische Neuerung die Spieler bringt, zeigt sich Wochenende für Wochenende. Wenn sich die Akteure vor Mikrofone stellen und sich über vermeintliche Fehlentscheidungen aufregen – wenige Minuten vorher aber selbst noch versuchten, den Schiedsrichter in die Irre zu leiten.

    Die Klubs haben kein Interesse an Überraschungen

    Der Fußball in seiner Premium-Version leidet unter vielen Fehlentwicklungen – keine aber konnte seiner Faszination ernsthaft etwas anhaben. Transfersummen und Gehälter stehen in keiner vernünftigen Relation zur erbrachten Leistung. Die Sichtung und Verpflichtung junger Talente ist legalisierter Kinderhandel. Die Quellen des Geldes sind oft verschmutzt. Beispielsweise durch Kataris, die Menschenrechte missachten – und Paris Saint-Germain unterstützen.

    An Faszination hat der Fußball deswegen aber trotzdem noch nie verloren. Im Gegenteil: Es wird immer noch mehr Geld in das Geschäft gesteckt. Weil es sich rentiert. Für Romantik bleibt da gerade so viel Raum, dass Überraschungen möglich scheinen – sie aber nicht das Geschäft kaputt machen. Wirtschaftsunternehmen müssen planen können. Deswegen sollen die europäischen Wettbewerbe künftig ein nahezu abgeschlossener Raum werden.

    Davon ist die Bundesliga bisher weit entfernt. Die Durchlässigkeit ist immer noch gegeben. So gelang es der Frankfurter Eintracht, sich nach oben zu spielen. So rutschte der FC Schalke in Abstiegsgefahr. Die Bundesliga ist im europäischen Vergleich nicht die beste Liga. Aber sie ist gesund. Investoren ist es in geringerem Maße möglich, Einfluss auszuüben als in England oder Frankreich. Die Stadien sind immer noch voll und es herrscht Spannung – egal, ob es um Auf- oder Abstieg geht, den Einzug in die Champions League oder die Europa League. Alles keine Merkmale für Qualität, aber für fairen und faszinierenden Wettbewerb. Wenn am Ende dann doch wieder die Bayern die Meisterschale hochrecken, haben sie sich das verdient. Den Romantikern bleibt dann immer noch die Hoffnung auf die nächste Saison. Das nämlich wird auch der moderne Fußball niemals schaffen: den Glauben an das Unwahrscheinliche zu beseitigen.

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden