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Interview: Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich: "Wir sind keine Außerirdischen"

Interview

Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich: "Wir sind keine Außerirdischen"

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    Patrick Ittrich ist Vater von vier Töchtern. Mit Erziehungsfragen sollte er sich auskennen, noch dazu hat er beruflich oft mit Kindern zu tun.
    Patrick Ittrich ist Vater von vier Töchtern. Mit Erziehungsfragen sollte er sich auskennen, noch dazu hat er beruflich oft mit Kindern zu tun. Foto: Witters

    Herr Ittrich, was macht das Kasperle eigentlich gerade?

    Patrick Ittrich: Der Hamburger Verkehrskasper macht noch etwas Pause! Ich bin Handpuppenspieler bei der Polizei und in der Verkehrserziehung tätig. Wegen Corona ist es gerade schwierig, in Schulen aufzutreten. In den vergangenen Monaten haben wir aber ein bis zwei Mal wöchentlich einen Podcast produziert, um den Kasper zu den Kindern nach Hause zu bringen.

    Wie wird denn der Podcast-Verkehrskasper angenommen?

    Ittrich: Sehr gut! Wir machen nicht viel Werbung dafür als Polizei, aber haben trotzdem schon über 40.000 Abrufe. Die Stammhörerschaft ist uns sicher!

    Wie sind Sie denn überhaupt dazu gekommen, den Kasper zu spielen?

    Ittrich: Ich habe bei den Kollegen hospitiert und habe schnell gemerkt: Das ist genau mein Ding, da kannst du dich ausleben und kreativ sein. Ich liebe den Umgang mit Kindern. Es ist auch schön, für ein gutes Image der Polizei zu sorgen. Ich bin gerne Polizist. Da kommst du in Uniform in die Schule und die feiern dich alle ab – das ist schon ganz cool.

    Weg von der Verkehrserziehung, hin zum Leiten von Fußballspielen. Sind Sie schon in der Vorbereitung auf die kommende Saison?

    Ittrich: Natürlich. Wir bekommen personalisierte Trainingspläne, teilweise mit zwei Einheiten am Tag. Wir müssen ja auch eine Prüfung ablegen. Da gehört es unter anderem auch dazu, 75 Meter in 15 Sekunden zu laufen, das ganze 40 Mal mit 25 Meter Gehpause dazwischen.

    Das ist Patrick Ittrich

    Patrick Ittrich pfeift seit 2016 Spiele der Ersten Bundesliga.

    Bisher leitete er 40 Spiele in der höchsten deutschen Spielklasse.

    Der 41-Jährige veröffentlicht am 21. August sein erstes Buch. „Die richtige Entscheidung – Warum ich es liebe, Schiedsrichter zu sein“ erscheint im Edel Verlag.

    Ittrich ist verheiratet und Vater von vier Töchtern.

    Er pfeift für den Verein Mümmelmannsberger SV.

    Sie gelten als sehr kommunikativ auf dem Feld. Haben Sie schon mal gemerkt, dass das bei einem Spieler weniger gut ankam?

    Ittrich: Klar, dann ist das angefangene Gespräch auch schnell wieder beendet. Es kommt auch mal vor, dass einer sagt: Ist gut jetzt, ich will weiterspielen (lacht). Häufiger wollen die Spieler aber ganz gerne ein wenig reden.

    Wird bei Ihnen auf dem Platz eigentlich geduzt oder gesiezt?

    Ittrich: Grundsätzlich wird mehr geduzt als gesiezt. Das liegt allerdings auch daran, dass ich schon länger dabei bin. Die Fluktuation in der ersten und Zweiten Liga ist nicht so hoch. Es kommen ja nicht permanent elf neue Spieler auf den Platz. Man kennt sich mittlerweile über die Jahre.

    Patrick Ittrich ist dafür bekannt, viel mit den Spielern zu sprechen - hier mit Mario Gomez.
    Patrick Ittrich ist dafür bekannt, viel mit den Spielern zu sprechen - hier mit Mario Gomez. Foto: Uwe Anspach/dpa

    Sie sehen viele Spiele, nicht nur in Deutschland. Wie gut sind die Schiedsrichter in der Bundesliga im Vergleich zu den Unparteiischen anderer Länder?

    Ittrich: Sehr gut. Das sieht man auch an den internationalen Ansetzungen. Wir mussten uns aber auch anpassen.

    Das müssen Sie erklären.

    Ittrich: Wir waren auch früher schon gut in der Spitze vertreten. Dann hat die Athletik extrem angezogen. Das haben wir in Deutschland ein bisschen außer Acht gelassen. Bei uns stand die Persönlichkeit des Schiedsrichters über allem. Da sind die Kollegen anderer Länder athletisch etwas davongezogen. Mittlerweile haben wir aber gut nachgelegt und haben Top Athleten in unseren Reihen. Und unseren Nachwuchs betreffend: Ich bin davon überzeugt, dass wir auch die kommenden Jahre auf internationaler Ebene top vertreten sein werden.

    Dabei heißt es aber doch immer, es gebe einen Schiedsrichtermangel in Deutschland.

    Ittrich: Es werden auch immer weniger. Das war auch einer der Gründe, warum ich ein Buch geschrieben habe, dass die positiven Seiten des Pfeifens herausstreicht. Dass es auch wahrgenommen wird, wie schön es sein kann, ein Spiel zu leiten. Wir hatten mal 80.000 aktive Schiedsrichter. Jetzt sind es noch knapp 60.000. Das sind weltweit immer noch die meisten, aber der Trend ist auch nicht wegzudiskutieren.

    Schiedsrichter? "Das ist ein toller Job"

    Woran liegt denn der Trend?

    Ittrich: Weil die Sicht auf den Schiedsrichter komplett falsch ist! Man vermittelt ihnen: Oh, das ist nicht so attraktiv, da bist du nur das fünfte Rad am Wagen. Da bin ich ganz klar dabei, dafür zu werben, dass das nicht der Fall ist. Das ist ein toller Job. Wir sind Teil dieses wunderbaren Spiels. Es kann einen für die Lebensführung weiterbringen.

    Würde es den Job aber nicht noch attraktiver machen, wenn endlich der Profi-Schiedsrichter eingeführt wird?

    Ittrich: Da bin ich zwiegespalten. Ich bin Polizeibeamter, das ist auch eine tolle Sache. Ein zweites Standbein zu haben, ist ja nie verkehrt. Man darf auch nicht vergessen: Schiedsrichter kommen nicht so früh in den Top-Bereich wie Spieler. Bis sie als Unparteiischer in der Ersten Liga pfeifen, haben sie normalerweise ein Studium absolviert oder stehen schon im Berufsleben. Du kannst ja nicht in der Nase bohren, bis du mit fast 30 Jahren endlich die Profis pfeifen darfst. Ich glaube auch, dass man in seinem Beruf erfolgreicher ist, wenn man Schiedsrichter ist. Weil da einfach Entscheider am Werk sind. Andererseits ist natürlich der Aufwand von der dritten Liga aufwärts so enorm, dass es vielleicht nicht schlecht wäre, sich ausschließlich darum zu kümmern. Da müssten aber Rahmenbedingungen geschaffen werden, die auch eine wirkliche Absicherung bedeuten.

    Sie beschreiben in Ihrem Buch die schönen Seiten des Schiedsrichterwesens, gehen auch ansonsten ganz gerne mal an die Öffentlichkeit. Früher galt das Schiedsrichterwesen als geheimbündlerisch. Hat da ganz bewusst eine Öffnung stattgefunden?

    Ittrich: Das wird tatsächlich bewusst von vielen Schiedsrichtern betrieben. Das hat aber auch viel mit der Art der Schiedsrichterführung zu tun. Wir haben mit Lutz-Michael Fröhlich eine kommunikative Person als sportlichen Leiter. Das ist schon forciert zu zeigen: Wir sind keine Außerirdischen. Es ist aber auch ein schmaler Grat. Pfeifst du mal richtig schlecht und du standest davor in der Presse, heißt es gleich: Der soll sich mal auf seinen Job konzentrieren. Das stört mich nicht. Man muss es aber wissen und beachten!

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