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Interview: Julia Scharf: "Es ist eine ganz besondere Atmosphäre"

Interview

Julia Scharf: "Es ist eine ganz besondere Atmosphäre"

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    Julia Scharf  steht während der WM für die ARD als Stadionmoderatorin vor der Kamera. Unter anderem führt sie durch die BR-Sendung „Blickpunkt Sport“ oder den ARD-„Sportschau-Club“.
    Julia Scharf steht während der WM für die ARD als Stadionmoderatorin vor der Kamera. Unter anderem führt sie durch die BR-Sendung „Blickpunkt Sport“ oder den ARD-„Sportschau-Club“. Foto: Witters

    Haben Sie Ihr Visum für Russland schon erhalten?

    Julia Scharf: Nein, noch nicht. Zum Glück kümmert sich unser Sender um alles. Ich muss gestehen, ich war mit meinen Unterlagen etwas spät dran, demnächst müsste aber alles kommen.

    Probleme wegen seines Visums hatte Ihr ARD-Kollege Hajo Seppelt, der sich mit der Aufarbeitung des russischen Dopingskandals beschäftigt und deshalb in Russland kein gern gesehener Gast ist. Glauben Sie, auch Ihnen wird die Berichterstattung erschwert?

    Scharf: Wir haben für das Thema Doping eine eigene Redaktion und um politische Vorgänge kümmern sich unsere Korrespondenten. Auf ihren Gebieten sind das absolute Fachleute. Ob deren Arbeit erschwert wird, kann ich nicht beurteilen. Man muss deren Arbeit aber komplett vom Sportlichen trennen. Ich erwarte nicht, dass die Berichterstattung über Spiele und Teams beeinträchtigt wird.

    Sie waren bereits während der Olympischen Winterspiele in Sotschi für die ARD in Russland. Wie haben Sie Land und Leute erlebt?

    Scharf: Die Organisation war perfekt, alles funktionierte reibungslos. Zudem sind die Russen sportbegeistert. Land und Leute kann ich nach den Tagen in Sotschi schwer beurteilen, weil ich mich vor allem in den Bergen, nahe der Skipisten, aufgehalten habe und mit Sportlern, Kollegen und Zuschauern aus aller Welt Kontakt hatte. Mehr von Russland gesehen habe ich erst bei der Auslosung der WM-Gruppen in St. Petersburg. Ich empfand die Stadt westlicher, als man sich vorstellt.

    Jetzt die WM in Russland, in vier Jahren das Turnier in Katar. Die Vergaben wurden hierzulande kritisch gesehen. Freuen Sie sich auf die kommenden Wochen in Russland?

    Scharf: Ich freue mich total, weil es für mich die erste WM vor Ort ist. Weil ich wie andere Kollegen das Turnier in Brasilien nicht miterlebt habe, gehe ich unbelastet an die Sache heran. Ich habe es während der Europameisterschaft in Frankreich erlebt, auch wenn das Finale ohne deutsche Beteiligung war. Es ist eine ganz besondere Atmosphäre. Wie die Stimmung in Russland sein wird, hängt auch vom Abschneiden der Gastgeber ab und davon, ob die Anfangseuphorie anhält.

    Worauf freuen Sie sich am meisten?

    Scharf: Zunächst auf das Eröffnungsspiel. Das ist der Auftakt, der Startschuss. Jeder freut sich, dass es endlich losgeht. Interessant wird bestimmt auch die Zusammenarbeit mit Experte Kevin Kuranyi. Er hat fünf Jahre in Russland gespielt und etliche Einblicke in Land und Liga. Und dann finde ich es immer toll, Dinge auf sich zukommen zu lassen. Man weiß vorher nie, welchen Kuriositäten man begegnet.

    Sie berichten von Olympischen Spielen und einer Fußball-WM. Was kann in Ihrer Karriere noch kommen?

    Scharf: Gute Frage. Ich habe immer gesagt: Ich möchte mal zu Olympia, ich möchte mal zu einer Fußball-WM. Schwer zu sagen, was noch kommt, weil sich auf dem TV-Markt alles dynamisch entwickelt. Oft wechseln die TV-Rechte. Live-Events bleiben für mich das Wichtigste. Ich bin aber auch sehr zufrieden, dass ich Sonderprojekte wie den „Sportschau-Club“ oder die Auslosung der ersten DFB-Pokalrunde moderieren darf.

    Wie wichtig ist die Eigenvermarktung in Ihrer Branche?

    Scharf: Das kommt darauf an, ob man für öffentlich-rechtliche oder private Sender arbeitet.

    Ist der Unterschied so groß?

    Scharf: Bei den privaten Sendern ist die Wahrnehmung wichtiger, weil diese Sender wesentlich weniger Übertragungsrechte besitzen und man nur punktuell zu sehen ist. Außerdem ist die eigene Einstellung entscheidend.

    Julia Scharf.
    Julia Scharf. Foto: Uw

    Wie sieht diese bei Ihnen aus?

    Scharf: Für mich ist wichtig, dass ich für Themen einstehe, die nicht immer mit meinem Job zu tun haben. Ich mache Projekte in der Kinder- und Sportförderung. Darüber hinaus muss ich nicht immer präsent sein. Ich muss nicht wegen Banalitäten in der Presse auftauchen.

    Eine hübsche Frau berichtet über Männerfußball. Diese Frage wurde Ihnen bestimmt schon oft gestellt. Trotzdem: Wie oft wurden Sie in Ihrer täglichen Arbeit mit Vorurteilen konfrontiert?

    Scharf: Diese Frage wird wirklich oft gestellt. Und wenn ich sagen würde, es stimmt nicht, wäre das Blödsinn. Für mich selbst ist das mittlerweile kein Thema mehr. Ich hatte erst neulich die Situation, mit einem erfahrenen Trainer zu sprechen. Bei der Generation von Jupp Heynckes stelle ich fest, dass Zweifel bestehen. Ich stelle aber auch fest, dass diese schnell ausgeräumt werden, wenn Menschen merken, dass man sich mit der Materie befasst und ernsthaftes Interesse zeigt.

    Kompetenz spiegelt sich auch in Fragen wider. Auf dem inoffiziellen Journalistenindex steht „Wie fühlen Sie sich?“. Gibt es im Interview Fragen, die Sie niemals stellen würden?

    Scharf: (lacht) Wie fühlen Sie sich? Im Ernst: Ich finde gerade im Fernsehen, wenn die ersten Reaktionen und Emotionen eingeholt werden, macht diese Frage durchaus Sinn. Man formuliert es vielleicht anders, aber genau darum geht es in diesem Moment. Was soll man sonst einen Frankfurter fragen, der gerade gegen Bayern München den DFB-Pokal gewonnen hat? Es geht nun mal um die Gefühlslage. Eine blöde Frage gibt es nicht, solange diese der Situation angepasst ist. Manchmal macht daher die Frage ,Wie fühlen Sie sich?‘ absolut Sinn.

    Freuen Sie sich auf manchen Interviewpartner mehr als auf andere?

    Scharf: Klar weiß man, dass manche Gesprächspartner auf Autopilot umschalten und wenig Essentielles von sich geben. Andererseits lassen sich ein Mats Hummels oder ein Thomas Müller immer auf die Situation ein, erzählen Unerwartbares und äußern sich sehr reflektiert. Unterschiede existieren nicht nur im Fußball. Der Skifahrer Thomas Dreßen etwa ist ein Geschenk, er ist so erfrischend. Oder auch Tennisspieler Alexander Zverev, der einfach clever ist.

    Inwieweit darf ein TV-Moderator während der WM auch Fan sein?

    Scharf: Eine gewisse Neutralität muss man wahren. Als Berichterstatter sollte eine Barriere vorhanden sein, man muss Themen kritisch sehen und nachfragen. Aber abzustellen, sich zu freuen, wenn Deutschland gewinnt, das kann man nicht.

    Delling und Scharf.
    Delling und Scharf. Foto: Lg

    Das „Schalke 05“ von Carmen Thomas im „Aktuellen Sportstudio“ ist ein Stück Fernsehgeschichte. Gibt es einen ähnlichen Versprecher, über den Sie inzwischen schmunzeln können?

    Scharf: Doch, den gibt es. Shinji Kagawa hat als Sommerneuzugang sein allererstes Spiel für Borussia Dortmund bestritten. Er war erst zwei Tage in Deutschland und ihn kannten damals nur absolute Insider. Vor dem Anpfiff führte ich ein Interview mit BVB-Trainer Jürgen Klopp. Als plötzlich der Rasensprenger anging, mussten wir flüchten und im Regen gingen alle Unterlagen verloren. Ich sagte dann Nagawa statt Kagawa. Wenn man weiß, dass hinter einem Versprecher keine Wissenslücke steckt, ist das ärgerlich, aber erklärbar. Ich stelle fest, inzwischen kann ich damit entspannter umgehen.

    Gibt es einen Moment in Ihrer TV-Karriere, an den Sie besonders gerne zurückdenken?

    Scharf: Weil ich ein großer Wintersportfan bin, die Olympischen Spiele in Sotschi. Damals hatte ich Markus Wasmeier als Experten an meiner Seite. Das hat großen Spaß gemacht. Ebenso der „Sportschau-Club“ nach den Pokalfinals. Ich mag die Spontanität dieser Sendungen, eine Minute vorher weiß niemand, was gleich passieren wird.

    Sie engagieren sich nebenberuflich für SOS-Kinderdörfer, zudem sind Sie Mutter von zwei Töchtern. Wie schwierig ist es, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen?

    Scharf: Ich finde, das ist Einstellungssache. Für mich war es nie ein Thema, auf eines von beidem zu verzichten. Ich bin unter der Woche relativ viel zu Hause und verbringe Zeit mit den Kindern. Am Wochenende müssen wir uns arrangieren. Das klappt wunderbar, weil ich viel Unterstützung aus der Familie erhalte. Zudem gibt es für Kinder Schlimmeres als Ferien bei der Oma.

    Letzte Frage. Wer wird Weltmeister?

    Scharf: Deutschland. Das habe ich 2014 auch gesagt. Da mache ich jetzt keine Experimente.

    Dieser Artikel ist Teil unserer WM-Beilage, die am 12. Juni unserer Zeitung kostenlos unserer Zeitung beiliegt.

    Hier finden Sie den kompletten Spielplan zur WM, den Sie über diesen Link auch im PDF-Format zum Ausdrucken finden: Spielplan zum Herunterladen und Ausdrucken.

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