Sehen wir in Ihrem letzten Bundesligaspiel am Samstag gegen Hertha BSC Ihr erstes Tor?
Kahn: "Ich habe Freistöße trainiert. Aber nur die über die Mauer geschnibbelten kann ich. Aber das Tor ist nicht in meiner Denke."
Kann man das letzte Spiel genießen, wenn es schon wieder um einen Rekord geht? Werder Bremen hat in der Saison 1987/88 22 Gegentore kassiert, der FC Bayern und Sie stehen aktuell bei 20.
Kahn: "Das Einzige, was mich stört, ist dieser Rekord, schon wieder dieser Druck. Unsere defensiven Spieler sind heiß darauf. Ein Tor dürfen wir noch kriegen, dann haben wir den Rekord, der für mich eigentlich einer für die Ewigkeit war. Denn als der aufgestellt wurde, gab es noch die Rückpass-Regel, da konnte man den Ball noch zum Torwart zurückspielen."
Wie erklären Sie sich Ihren Status als Persönlichkeit, der längst über den Sport hinausgeht?
Kahn: "Ich war ein Mensch, der nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg gehalten hat. Mir ging es nicht darum, mich 20 Jahre irgendwie durchzuschlängeln. Ich habe immer versucht, Standpunkte zu beziehen. Es gab viele Situationen, die für mich schwierig waren, in denen ich meinen eigenen sturen Kopf hatte. Vielleicht haben die Menschen gedacht, so ist er einfach, vielleicht hat sie das beeindruckt."
Aus Ihren Interviews der letzten Zeit war fast eine Sehnsucht herauszuhören, mit allen versöhnt zu gehen. Sie hauen in Ihrem neuen Buch "Ich. Erfolg kommt von innen." auch nicht sehr auf Jürgen Klinsmann drauf, der Sie vor der WM 2006 zur Nummer 2 degradierte.
Kahn: "Das ist meine Art. In dem Buch ging es nicht darum, irgendwelche Abrechnung zu betreiben. Und ja, das war mir schon wichtig, dass dieses letzte Jahr ein positives wird. Es war eines der anstrengendsten. Abtreten ist keine einfache Sache. Man möchte nicht weggejagt werden und sich mit einer schlechten Saison verabschieden."
Ist die Entscheidung, Co-Kommentator beim ZDF zu werden, eine aus der Überlegung heraus, dass Sie ganz ohne Fußball doch nicht auskommen?
Kahn: "Es ist schwierig, aufzuhören mit Fußball und ein halbes Jahr durch den Urwald zu spazieren. Ich weiß nicht, ob das das Wahre ist. Ich denke, solche Aufgaben möchte ich schon haben, um im Fußball zu bleiben und trotzdem eine Distanz zu bekommen. Beim ZDF kann ich eine sehr neutrale und unparteiische Position einnehmen, das passt."
Wie sehen Sie das ganz Neue, das jetzt auf Sie zukommt?
Kahn: "Man hat schon Respekt, wenn man aus dieser reglementierten Welt herausgeht. Aber es ist mir schon wichtig, jetzt meine Tage frei einteilen zu können, einfach mal in den Tag hineinleben zu können."
Wird es im normalen Leben einen Ersatz für die extremen emotionalen Momente im Sport geben?
Kahn: "Ich glaube nicht. Viele, mit denen ich gesprochen habe, ob Uli Hoeneß oder Franz Beckenbauer, haben mir gesagt, diese emotionalen Momente wird es wohl nur im Sport geben. Ich glaube, problematisch wird es dann, wenn ich anfange, sie zu suchen."
Ist es etwas Besonderes, gemeinsam mit Ottmar Hitzfeld abzutreten?
Kahn: "Ja, das ist etwas Außergewöhnliches. Uns beide verbinden große Erfolge, große Niederlagen, große Momente, schwere Stunden. Das wir zusammen aufhören, ist etwas sehr Schönes."
Geht damit eine Ära zuende beim FC Bayern?
Kahn: "Mit Ottmar Hitzfeld und mir wird sehr viel verbunden. Ich habe jetzt 14 Jahre meinen Teil zu diesem Verein beigetragen. Aber jetzt kommt ein neuer Torwart und wird genau das Gleiche tun. Sie kennen den Spruch: 'Der König ist tot, es lebe der König'. Das geht schnell in dem Geschäft, da bist du schnell vergessen. Das muss man wissen. Der FC Bayern wird immer oben und immer erfolgreich sein."
Wird es Tränen geben am Samstag nach dem letzten Spiel?
Kahn: "Wäre auch nicht so schlecht. Nach 20 Jahren hat man sich eigentlich mal Tränen verdient."
Was sind die Schattenseiten des Berühmtseins für Sie?
Kahn: "Dass nicht nur Interesse am Sportler besteht, sondern an dessen gesamtem Leben. Das sind Facetten, die mich gestört haben, zu denen ich vor einigen Jahren aber auch meinen Teil beigetragen habe. Ich war letztes Wochenende in Bad Griesbach beim Golfen und habe mir in Pocking ein Handy gekauft - das stand dann auf der Titelseite der örtlichen Zeitung. So etwas wird jetzt hoffentlich nachlassen. Das tut mir gut, denn das ist schon ein bisschen too much."
Interview:
Klaus Bergmann