Wie politisch der Sport ist – diese Frage hat Dettmar Cramer, ehemaliger Trainer des FC Bayern, einmal so beantwortet: „Dass der Fußball ein politisches Element ist, ist eine Illusion. Gucken Sie sich den Ball an: Er ist so schön rund. Alles, was man auf diesem Ball aufbauen will, rutscht herunter.“ Das, was gerade in der Türkei passiert, beweist, wie falsch Cramer lag.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan benutzt den Lieblingssport seiner Landsleute seit einiger Zeit intensiv, um eigene Anliegen zu platzieren. Das für Mesut Özil verhängnisvolle Foto, das Erdogan kurz vor der WM 2018 aufnehmen ließ, um seinen Wahlkampf anzuschieben, gehört dazu. Mit dabei war damals - neben Gündogan, Özil und Erdogan - übrigens Cenk Tosun. Jener Stürmer, der mit seinem Tor den Militär-Jubler initiiert hatte.
Reihenweise stimmen Spieler und Trainer in den Jubel-Kanon auf Erdogan ein
Dass Trainer wie Spieler nach Abpfiff mit martialischen Worten in den Jubel-Kanon auf ihren Präsidenten einstimmen, zeigt wie eng in der Türkei der Sport die Politik begleitet. Ob dies auf Anweisung oder in vorauseilendem Gehorsam geschieht, spielt keine Rolle. Entscheidend ist der Umstand, dass sich eine Gruppe mit enormen Vorbildcharakter sich vor den Karren eines Autokraten spannen lässt.
Umso wichtiger wäre es nun vonseiten der Uefa, den türkischen Verband wegen der Instrumentalisierung des Torjubels gegen Albanien entschieden zu bestrafen. Um eines klar zu stellen: Das wird nichts daran ändern, was innerhalb der Türkei vor sich geht. Dennoch muss klar sein, dass das Bejubeln einer hochgradig umstrittenen Militäroffensive, bei der hunderttausende Menschen mit dem Tod oder der Vertreibung bedroht werden, nicht einfach so übergangen werden darf. Die Uefa wirbt gerne mit Begriffen wie Respekt, Gleichstellung und anderen Werten. Es wäre nun an der Zeit, auch dafür einzutreten.
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