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Olympia 2021: Gegnerinnen fast eingeholt: Deutschland-Express rast zu Gold

Olympia 2021

Gegnerinnen fast eingeholt: Deutschland-Express rast zu Gold

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    Deutschlands Franziska Brauße, Lisa Brennauer, Lisa Klein und Mieke Kröger (von links) bejubeln ihre Goldmedaille.
    Deutschlands Franziska Brauße, Lisa Brennauer, Lisa Klein und Mieke Kröger (von links) bejubeln ihre Goldmedaille. Foto: Thibault Camus, dpa

    Sie habe diese Medaille so unbedingt gewollt, sagte Lisa Brennauer immer wieder. All die Mühen der vergangenen Jahre sollten nicht umsonst gewesen sein. Olympische Spiele sind für Radsportlerinnen die größtmögliche Bühne. In den beiden Straßenrennen war Brennauer als jeweils Sechste noch knapp an Edelmetall vorbei geschrammt. Dann tauschte die Allgäuerin ihr Straßenrad gegen eines der futuristisch anmutenden Geräte für die Bahn, die mit einem handelsüblichen Fahrrad nicht mehr viel gemeinsam haben.

    Rund 40 Kilometer von Tokio entfernt wurde eigens für die Spiele das Izu Velodrom aus dem Boden gestampft. Und auf dem Oval aus sibirischer Fichte war am frühen Dienstagabend japanischer Zeit ein Hochgeschwindigkeitszug unterwegs. In der 4000-Meter-Mannschaftsverfolgung verbesserten die vier deutschen Frauen ihren eigenen Weltrekord vom Vortag gleich zweimal und gewannen im Finale gegen das Quartett aus Großbritannien die ersehnte Goldmedaille.

    Die sechsten Plätze haben an Lisa Brennauer genagt

    Für Lisa Brennauer ist dieser Erfolg das gleichermaßen fulminante wie versöhnliche Ende dieser Olympischen Spiele. Denn es hatte an der 33-Jährigen genagt, dass sie auf der Straße so knapp an den Medaillenrängen vorbei gefahren war. "Natürlich ist ein sechster Platz bei Olympia gut. Aber jeder Sportler träumt davon, hier eine Medaille zu gewinnen", sagte sie. Diesen Traum hat sie sich nun erfüllt.

    Dabei hätten sie und ihre drei Kolleginnen im Vorfeld eigentlich keine Ahnung gehabt, wie schnell sie im Vergleich zur Konkurrenz seien, sagte Brennauer nach dem Einzelzeitfahren. Coronabedingt hatte es seit eineinhalb Jahren nahezu keine Rennen auf der Bahn gegeben. Letzter Härtetest war die WM 2019 gewesen. Damals fuhren die Deutschen zu Bronze. Jetzt seien sie im Training zwar wieder schnell gewesen, aber was heißt das schon.

    Der Weltrekord der Britinnen wurde zerbröselt

    Erst am Montag war dann klar, dass die Zeiten im Training tatsächlich schnell gewesen sein müssen. Denn in der Qualifikation zerbröselten die deutschen Frauen den alten Weltrekord, aufgestellt von den Britinnen bei ihrem Olympiasieg 2016 in Rio. Dieser ersten Machtdemonstration folgte am Dienstag ein spektakulärer Schlagabtausch. In der Vorrunde holten sich zunächst die Titelverteidigerinnen ihren Weltrekord zurück, nur um ihn wenige Minuten später erneut an Brennauer & Co. zu verlieren. Damit stand das Traumfinale Großbritannien gegen Deutschland fest.

    Auf der Insel ist Bahnradsport äußerst populär. Dementsprechend groß ist die Förderung, die dieser Sport dort erfährt. In Deutschland fristet er eher ein Nischendasein. Dass das aber kein Hindernis auf dem Weg zu einem Olympiasieg sein muss, bewies das deutsche Quartett im Finale. Nur auf den ersten Metern schafften es die Britinnen, sich einen kleinen Vorsprung zu erarbeiten. Dann nahm der deutsche Express an Fahrt auf, holte erst den Rückstand auf und raste dann zu Weltrekord und Gold.

    Die deutsche Mannschaft glitt schneller über das Oval als es jemals ein Frauenteam zuvor geschafft hatte.
    Die deutsche Mannschaft glitt schneller über das Oval als es jemals ein Frauenteam zuvor geschafft hatte. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    "Wir sind mit dem Anspruch hergekommen, eine Medaille zu gewinnen. Ich habe in Berlin schon gemerkt, dass in den Mädels wesentlich mehr Potenzial steckt", sagte der Bundestrainer André Korff, als am Dienstag gerade die deutsche Hymne verklungen war. "Dass es jetzt so gut läuft, da bin ich selbst positiv überrascht. Hier haben sie alles abgerufen, was ging. Der Frauen-Radsport hat einen enormen Hype bekommen. Alles ist professioneller geworden. In den letzten zehn Jahren hat sich das enorm entwickelt."

    Was so leicht ausschaut, ist schwere Arbeit

    Was für Außenstehende so leicht und locker aussieht, ist das Ergebnis knochenharter Arbeit. "Die Belastung ist komplett anders als auf der Straße. Das sind vier Kilometer Vollgas. Da wird richtig Laktat produziert in den Muskeln", sagte Brennauer. Mit teilweise mehr als 60 Stundenkilometern rasen die vier Frauen um das Oval. Die Renntaktik ist bis ins letzte Detail ausgetüftelt. Wann wer und wie lange vorne im Wind fährt ist genau abgesprochen. Jeder in dem Quartett hat eine feste Rolle. "Wir haben versucht, an uns zu arbeiten und Schritt für Schritt immer schneller zu werden. Wir hatten da was aufzuholen. Umso schöner, dass die Lücke immer kleiner wurde", berichtet Brennauer von dem mühsamen Weg an die Spitze.

    Schon bei der WM vor 18 Monaten hatte es in Berlin zu Bronze gereicht. Und irgendwann in den Tagen vor Tokio muss den deutschen Frauen und ihren Trainern klar geworden sein, dass sogar der Weltrekord möglich ist. Das Oval hat sich schon in den ersten Runden als sehr schnell erwiesen. Dazu die hohen Temperaturen – die Rahmenbedingungen waren ideal. Die deutschen Frauen haben ihre Chance genutzt.

    "Ich kann das Gefühl noch gar nicht beschreiben. Das ist Gänsehaut, da oben zu stehen und das als Team zusammen zu genießen", sagte Brennauer nach der Siegerehrung, trug die Goldmedaille um den Hals und lächelte glücklich in die Kameras. Vergessen waren die sechsten Plätze aus der Vorwoche. "Ich wollte diese Medaille unbedingt. Jetzt habe ich sie."

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