Der frühere Cross-Weltmeister Wout van Aert ist nach der langen Corona-Zwangspause im Radsport der Mann der Stunde.
Nur eine Woche nach seinem überzeugenden Sieg beim Schotterrennen Strade Bianche feierte der 25-jährige Belgier bei Mailand-Sanremo auch seinen ersten großen Klassiker-Sieg. Van Aert setzte sich bei der 111. Auflage des Rennens, das wegen der Corona-Pandemie vom Frühjahr in den Hochsommer verlegt worden war, im Sprint gegen den französischen Vorjahressieger Julian Alaphilippe durch.
Das Duo hatte sich beim Anstieg zum Poggio abgesetzt und nach 305 Kilometern - der längsten Distanz in der Geschichte von Mailand-Sanremo - einige Sekunden Vorsprung ins Ziel gerettet.
"Ich bin super glücklich, das ist unglaublich. So in den zweiten Teil der Saison zu starten, ist schon verrückt", sagte van Aert, der für den ersten belgischen Sieg seit Andrei Tchmil 1999 sorgte.
Deutsche Fahrer spielten bei der Entscheidung keine Rolle. Klassikerspezialist John Degenkolb, der in Sanremo 2015 triumphiert hatte, fehlte diesmal genauso wie Nils Politt, dem Zweitplatzierten von Paris-Roubaix aus dem Vorjahr. Degenkolb bereitet sich gerade bei der Polen-Rundfahrt auf die Tour de France vor. Politt ist bei der Tour de l'Ain unterwegs.
Die Vorentscheidung fiel beim letzten Anstieg, als Alaphilippe attackierte und ein Loch aufriss. Nur van Aert konnte folgen, gemeinsam rauschte das Duo richtig Via Roma, die wegen der Corona-Beschränkungen nur spärlich gefüllt war. Die erste große Verfolgergruppe kam nicht mehr ganz heran. So blieb für den Australier Michael Matthews vom deutschen Sunweb-Team nur der dritte Platz, der dreimalige Weltmeister Peter Sagan (Slowakei/Bora-hansgrohe) folgte direkt dahinter.
Alles war anders diesmal bei Mailand-Sanremo. Temperaturen von über 30 Grad sorgten auf dem langen Weg für eine schweißtreibende Angelegenheit, wo die "Primavera", also die "Fahrt in den Frühling" in den Vorjahren mitunter auch mal ungemütlich geworden war.
Auch die Strecke musste stark verändert werden. Allein die 130 Kilometer lange Fahrt an der Ligurischen Küste entlang musste entfallen, da sich in der Tourismus-Saison viele Orte querstellten. So ging es diesmal mehr durch das Landesinnere.
Außerdem musste kurzfristig noch eine Umleitung eingebaut werden. Die heftigen Unwetter in Alessandria in den vergangenen Tagen machten eine Ortsdurchfahrt unmöglich, wodurch die Distanz von 299 auf 305 Kilometer anwuchs. Ein Rekord in der langen Geschichte des Rennens. Die letzten 40 Kilometer der Strecke blieben aber gleich. Und da ging es bei den Anstiegen Cipressa und Poggio zur Sache.
Bereits am nächsten Samstag wartet ein weiterer Klassiker, wenn die Lombardei-Rundfahrt ansteht. Übrigens ein Rennen, das normalerweise im Herbst gefahren wird, nun aber im komplett überarbeiteten Rennkalender wegen der Corona-Pandemie vorverlegt wurde.
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