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Formel 1: Zum Tod von Niki Lauda: Der ewige Kämpfer

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Zum Tod von Niki Lauda: Der ewige Kämpfer

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    Der Mann war eine Marke, nicht nur dank der roten Kappe: Niki Lauda ist im Alten von 70 Jahren gestorben. 
    Der Mann war eine Marke, nicht nur dank der roten Kappe: Niki Lauda ist im Alten von 70 Jahren gestorben.  Foto: David Ebener, dpa

    So etwas können wohl nur die Wiener, denen ein Hang zum Morbiden, eine merkwürdige Beziehung zum Tod nachgesagt wird. Im August hat Walter Klepetko, Thoraxchirurg am Wiener Allgemeinen Krankenhaus, Niki Lauda noch eine neue Lunge eingesetzt. Jetzt verleiht er der traurigen Nachricht eine Leichtigkeit, die Trost spendet: „Niki Lauda hat gekämpft. Er war ein toller Mann. Aber es war seit einiger Zeit klar, dass wir ihn nicht mehr auf die ,Rennstrecke‘ zurückbringen können.“ Genauso flapsig hätte es wohl auch Nikolaus Andreas Lauda formuliert.

    Still zu stehen, das kannte der Österreicher in seinem Leben nicht. Mit ganzem Herzen und maximaler Leidenschaft packte er die Dinge an. Lauda war ein Draufgänger, auf und vor allem neben der Asphaltpiste. Und er war ein Kämpfer. Seinen 70. Geburtstag im Februar feierte er während der Reha in Wien, wo er sich von der Lungentransplantation im vergangenen August erholte und wieder auf seine Rückkehr an die Rennstrecke hinarbeitete. In den letzten Wochen dann kämpfte Niki Lauda um sein Leben.

    Am Montag ist er in der Universitätsklinik Zürich, wo er wegen Problemen mit seinen beiden Spendernieren behandelt wurde, friedlich eingeschlafen. Seine Familie schreibt: „In den letzten zehn Monaten waren wir jede Minute an seiner Seite. Wir haben mit ihm gelacht, geweint, gehofft und gelitten, aber schlussendlich verließen Niki gestern seine Kräfte.“ Unterzeichnet ist die Mitteilung von Laudas Ehefrau Birgit, seiner Ex-Frau Marlene und seinen Kindern Lukas, Mathias, Max und Mia.

    A Busserl hier, a Busserl da - und schon waren die Fotografen da

    Was bleibt von so einem verrückten Leben? Es sind die Bilder von Begegnungen im Fahrerlager der Formel 1, wo sich der Wiener wie ein Herrscher aus der kaiserlich-königlichen Monarchie bewegte. A Busserl hier, a Busserl da – wenn Lauda in der Gasse zwischen den Formel-1-Garagen und den Motorhomes auftauchte, war ihm völlige Aufmerksamkeit gewiss. Blieb er stehen, dauerte es wenige Sekunden, bis sich die Fotografen postierten und Lauda mit seinem Gesprächspartner ablichteten. Denn derjenige, mit dem Lauda sich unterhielt, musste auch ein bisserl wichtig sein. Der Österreicher mit der roten Mütze war eine Marke: kauzig, unterhaltsam, ehrlich.

    Dabei hatten sich die Eltern etwas anderes für ihren Buben vorgestellt. Karriere in der Wirtschaft sollte er machen. Doch Niki Lauda, der in einer Wiener Industriellenfamilie aufwuchs, hatte nur Rennfahren im Kopf. Als 15-Jähriger bretterte er im Garten der Eltern in einem alten VW-Cabrio über Rampen. Die Schule sah er als notwendiges Übel an und gestand später seinen Eltern, sein Matura-Zeugnis gefälscht zu haben. Sein Großvater Hans zeigte sich wenig begeistert: „Der Niki soll nicht auf der Sportseite der Kronen-Zeitung, sondern im Wirtschaftsteil der Presse stehen.“

    Seinen Platz in der Formel 1 hat er sich damals gekauft

    Nun ja, der Enkel produzierte in seinem prallen Leben Schlagzeilen auf allen Zeitungsseiten. Was er sich in den Kopf gesetzt hatte, schaffte er meist auch. 1971 kaufte er sich für 80.000 Mark in das britische March-Team ein und bestritt im August beim Großen Preis von Österreich sein Formel-1-Debüt. 1974 fuhr er schon für Ferrari, ein Jahr später dann der erste WM-Titel. Dass er 1977 den zweiten holen konnte, grenzt bis heute an ein Wunder.

    1975 holte der Österreicher seinen ersten WM-Titel für Ferrari.  
    1975 holte der Österreicher seinen ersten WM-Titel für Ferrari.   Foto: Lapresse, dpa

    Es ist der 1. August 1976, Saisonrennen Nummer zehn auf dem Nürburgring, in das Lauda als WM-Führender geht. Nach einer Linkskurve beschleunigt er, verliert die Kontrolle. Der Wagen dreht sich und kracht mit noch über 200 Stundenkilometern in die Böschung. Der Ferrari fängt an zu brennen, auch der Nachfolgende Brett Lunger fährt in den Feuerball. Dann kommt Laudas Lebensretter. Arturo Merzario. Der Italiener stellt seinen Wagen ab, rennt zum brennenden Wrack. Er hört Lauda schreien. Merzario befreit ihn, 55 Sekunden sitzt Lauda da schon im brennenden Wagen und atmet giftige Dämpfe ein. „Als ich ankam, war er schon bewusstlos, hing leblos in den Gurten. Die waren von seinem verzweifelten Kampf gegen den Tod total verdreht“, erzählte Merzario später.

    An den Unfall hat Lauda keine Erinnerung. In einer Spezialklinik in Ludwigshafen kämpfen Ärzte um sein Leben. Mehrere Tage wird ihm die Lunge abgesaugt. Schreckliche Qualen. Doch er kämpft. Auch, als ein Priester ihm die letzte Ölung gibt. Später erzählt er: „Da habe ich mir gedacht: So nicht mit mir. Das war gut so und motivierte mich, am Leben zu bleiben.“

    Der Horror-Unfall am 1. August 1976: Laudas Auto fängt Feuer, 55 sitzt er in dem brennenden Ferrari.
    Der Horror-Unfall am 1. August 1976: Laudas Auto fängt Feuer, 55 sitzt er in dem brennenden Ferrari. Foto: dpa

    „Das Leben ist wichtiger als der WM-Titel“, sagte er damals

    Sechs Wochen später ist Niki Lauda wieder da – mit vernarbtem Gesicht und Bandage um den Kopf – und kämpft um den WM-Titel. Doch im Finale, in der Regenschlacht von Fuji, kann er auf einem Auge nichts mehr sehen und steigt aus. „Das Leben ist wichtiger als der WM-Titel“, erklärt er. Weltmeister wird der Brite James Hunt mit einem Punkt Vorsprung – ein Lebemann und Playboy der PS-Branche. Lauda ist der Gegenentwurf, ein von Technik besessener Perfektionist. Das Duell der beiden ist bester Stoff für die Leinwand, 2013 wird es verfilmt. In „Rush“ spielt Daniel Brühl den Österreicher. Lauda hat den Streifen gemocht.

    Andere haben damals weit weniger Glück als Niki Lauda. Es sind die Jahre in der Formel 1, in der zu viele Piloten ums Leben kommen. Die ultrasteife Fahrerzelle aus Kohlefaser oder der Hals- und Nackenschutz sind noch nicht erfunden. Die Frauen und Freundinnen der Fahrer packten damals auch immer ein schwarzes Kleid in den Koffer – für alle Fälle. Niki Lauda fährt weiter, holt 1984 seinen dritten und letzten WM-Titel und gewinnt 25 seiner 171 Grand-Prix-Rennen. Sein größter Sieg war es, die Formel 1 überlebt zu haben, hat Niki Lauda immer wieder gesagt.

    Der Feuerunfall zeichnete Lauda ein Leben lang. Doch sein schwärzester Tag war ein anderer – der 26. Mai 1991. Sechs Jahre lag das Karriereende da schon zurück, Lauda hatte sich längst daran gemacht, seine Lauda Air zu einer der großen Fluggesellschaften auszubauen. Da stürzte eines seiner Flugzeuge in Thailand ab. Alle 223 Insassen starben. Für Lauda war es ein Schock, der ihn stärker prägte als sein eigener Unfall. „Ich war tief erschüttert“, erzählte er einmal. Er fühlte sich schuldig. Erst nach Monaten stand fest, dass ein technischer Defekt Schuld an dem Absturz war.

    Er kannte nur ein Ja und ein Nein, kein Vielleicht

    Lauda stieg später vorübergehend wieder aus dem Airline-Geschäft aus. Zwischen 1993 und 1995 beriet er Ferrari, wurde TV-Experte für RTL und dann Teamchef bei Jaguar. Die Gesprächspartner schätzten an dem Österreicher seine Ehrlichkeit. Er kannte nur ein „Ja“ oder „Nein“, ein „Vielleicht“ zählte nicht zu seinem Vokabular.

    Im September 2012 stieg Lauda zum Mercedes-Teamaufsichtsratschef auf und führte die bis dahin erfolglosen Silberpfeile mit den Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg zu Weltmeistertiteln. Neben der Formel 1 zählt das Geschäft mit der Fliegerei zu den Leidenschaften des erfahrenen Linienpiloten mit 19.000 Flugstunden. Immer wieder gründete Lauda Fluggesellschaften oder übernahm sie. In einer hart umkämpften Branche behielt er meist den Überblick und fand immer wieder neue Airline-Modelle.

    Niki Lauda war nicht nur begeisterter Pilot, sondern auch Unternehmer. Er gründete mehrere Fluggesellschaften, darunter Lauda Air.
    Niki Lauda war nicht nur begeisterter Pilot, sondern auch Unternehmer. Er gründete mehrere Fluggesellschaften, darunter Lauda Air. Foto: Stefan Hesse, dpa

    Doch sein größter Sieg war ein anderer. Sagt RTL-Moderator Florian König, der ihn gut kannte und meint die harmonische Patchwork-Familie, in der Lauda lebte. Seine erste Ehefrau Marlene, mit der Niki Lauda von 1976 bis 1991 verheiratet war, blieb ihm stets eine wichtige Bezugsperson. Aus der Ehe stammen zwei Söhne: Lukas und Matthias. Hinzu kommt sein nichtehelicher Sohn Christoph. 2008 dann heiratete Niki Lauda seine Birgit. Die Frau, die ihm 2005 eine Niere spendete – die erste stammte von seinem Bruder Florian – und ihm damit sein Leben rettete. Gemeinsam lebten sie mit den zehnjährigen Zwillinge Max und Mia in Hof bei Salzburg. Familie bedeutete Lauda viel. „Mit Ausnahme meines unehelichen Sohnes, mit dem ich kaum Kontakt habe, feiern wir zum Beispiel Ostern immer alle zusammen“, erzählte er einmal im ORF.

    2005 spendete sie ihm eine Niere, drei Jahre später heiratete Niki Lauda seine Birgit.
    2005 spendete sie ihm eine Niere, drei Jahre später heiratete Niki Lauda seine Birgit. Foto: Facundo Arrizabalaga, dpa

    Nicht nur die Formel 1, die am Wochenende in Monte Carlo den Großen Preis von Monaco austrägt, trauert um eine ihrer schillerndsten Figuren. Die Sportwelt hat einen ihrer ganz Großen verloren, einen, der immer die Wahrheit ausgesprochen hat, auch wenn es der PS-Branche missfiel. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, ebenfalls ein Wiener, würdigt den einstigen Aufsichtsratschef: „Niki wird immer eine der größten Legenden unseres Sports bleiben. Er verkörperte Heldentum, Menschlichkeit und Aufrichtigkeit auf und abseits der Strecke.“ Die Mercedes-Mannschaft habe nicht nur einen Helden verloren, der das wohl eindrucksvollste Comeback aller Zeiten gegeben hat, sondern auch jemanden, der Klarheit und Offenheit in die moderne Formel 1 gebracht hat.

    Ein pralles Leben voller Triumphe, Schicksalsschläge und glücklicher Momente ist zu Ende gegangen. Auf die Frage ob er etwas bereut habe, antwortete Lauda einmal: „Eigentlich wenig bis gar nichts. Es gibt immer wieder Höhen und Tiefen, die man hat. Man muss immer einen Weg herausfinden.“

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