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Foto: Ulrich Wagner
Foto: Ulrich Wagner

Ben Meisner spielte drei Jahre für die Augsburger Panther. Der 28-Jährige veröffentlichte nun, dass er an Depressionen litt.

Ben Meisner
15.08.2018

Ex-AEV-Torwart spricht über Depression: "Ich hatte Angst vor allem"

Von Milan Sako

Ben Meisner schreibt über die dunkelsten Stunden in seinem Leben als Profi. Der Ex-Torwart der Augsburger Panther kämpft gegen Depressionen.

Er wollte sich umbringen und stand kurz davor, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Erschreckend genau bis ins kleinste Detail schildert Eishockey-Torwart Ben Meisner seine schwarzen Gedanken und Probleme, die ihn jahrelang beschäftigten. „Ich bin ein Mensch, der lange Zeit mit Depressionen, Angstzuständen und Zwangsstörungen gekämpft hat.“ Und er hielt seine Krankheit geheim. Denn im Profisport allgemein und im Eishockey im Speziellen läuft derjenige schnell Gefahr, aus dem Spiel genommen zu werden, der zu viele Gefühle zeigt. Es könnte als Schwäche ausgelegt werden.

Mit schockierend offenen Worten erzählt Ben Meisner seine Leidensgeschichte. Es ist ein berührendes Bekenntnis. Der ehemalige Torwart der Augsburger Panther war nur wenige Zentimeter vom Tod entfernt. Er hatte über verschiedene Möglichkeiten nachgedacht, seinem Leben ein Ende zu setzen. Im letzten Moment wählt der Kanadier den Weg zurück ins Leben. Den offenen Blick in seine Gefühlswelt gewährt der Kanadier aus Halifax auf der Homepage „The players tribune“. Es handelt sich um eine amerikanische Internet-Plattform, auf der sich Profisportler äußern und ihre Geschichten erzählen können. Unter anderem schreibt FC-Bayern-Profi Arjen Robben einen Brief an sich selbst, an den 16-jährigen Buben Arjen.

Meisner rechnete sich aus, wie viele Torwart-Stellen es gibt

Ein ernstes Thema wählt der Torwart und schildert seine Hölle auf Erden unter dem Titel: „Ich bin nicht Connor McDavid.“ Gemeint ist: Er ist nicht der Superstar der Edmonton Oilers, der an der Seite des deutschen Wunderkinds Leon Draisaitl die Liga rockt und nebenbei zum zigfachen Millionär wird. „Ich bin nicht berühmt. So komisch das klingen mag, ich denke, das ist einer der Hauptgründe dafür, dass ich dies schreiben wollte… Ich bin kein Superstar… ich bin nur ein hart arbeitender Torwart.“

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Foto: Ulrich Wagner
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Mit Jonathan Boutin (links) bildete Ben Meisner bei den Augsburger Panthern ein Torwart-Gespann. Vor allem die Konkurrenz-Situation zu Beginn seiner Karriere hatte ihn stark belastet, so Meisner.

Die NHL ist auch das Traumziel des jungen Torwarts aus Halifax, dem er alles in seinem Leben unterordnet. Als Kind wird er in der Schule gehänselt und zählt nie zu den coolen Jungs in der Klasse. Deshalb fasst er nur schwer Vertrauen zu fremden Menschen. Meisner schildert seinen Alltag in den nordamerikanischen „Minor Leagues“, den unteren Klassen. „Als ich anfing, in der ECHL als Profi zu spielen, hatte ich fortwährend Angst, aus dem Team gestrichen zu werden.“ Er ist weit davon entfernt, Millionenbeträge zu verdienen. Vielleicht waren es 500 Dollar brutto pro Woche. Davon bleiben 395 Dollar, schreibt der Goalie. Wohnung, Auto, Krankenversicherung und Lebenshaltungskosten müssen davon beglichen werden. Aber der Profi will sich nicht über die Bezahlung beschweren. Er erzählt, wie er trotz Rückschlägen weiterhin von der NHL träumt. „Aber für einige von uns kann es ein Albtraum werden.“

Die Mechanismen des Geschäfts zermürben Meisner: Er weint, kämpft mit Panikattacken

Ben Meisner, der drei Spielzeiten von 2015 bis 2018 für die Panther fängt, berichtet von seinen Hoffnungen und Ängsten. Er rechnete sich aus, wie viele Torhüter-Positionen es gibt. „Ich wusste, dass es 98 Profi-Teams in Nordamerika gibt… also gab es exakt 196 Jobs für Torhüter.“ Meisner rechnet, trainiert, hofft und kämpft um seine Chance. „Ich war besessen.“ Kurzzeitig sieht es so aus, als könnte der Schlussmann einen weiteren Schritt nach oben machen. Als sich der Stammkeeper Viktor Fasth vom NHL-Klub Anaheim verletzt, löst das eine Kettenreaktion aus. Der Fasth-Ersatzmann aus dem Farmteam rückt in die NHL nach und Meisner wiederum steigt in die American Hockey League (AHL) auf. Er ist nur noch einen Schritt von seinem Lebenstraum entfernt. Doch Fasth gesundet wieder, Meisner muss zurück nach Utah, wo sein Stellvertreter die Tasche wieder packen muss und entlassen wird. Die Mechanismen des gnadenlosen Profi-Geschäfts in Nordamerika beschäftigen Meisner mehr, als ihm lieb ist. Auch ihn packt die Angst, der Nächste zu sein, der auf der Straße steht. Meisner weint oft, kämpft mit Panikattacken. „Ich hatte Angst vor allem und jedem.“ Unter der mentalen Abwärtsspirale leiden auch seine sportlichen Leistungen.

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Foto: Ulrich Wagner
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Eishockey zu spielen, ist Ben Meisners Traum gewesen - es wird zu seinem Albtraum.

AEV-Trainer Mike Stewart hält sich bedeckt

Der Kanadier sucht einen Ausweg und wechselt in der Saison 2014/2015 in die DEL 2 zu Bremerhaven. Von dort nimmt ihn Trainer Mike Stewart im Sommer 2015 zum DEL-Klub Augsburg mit. Über seinen ehemaligen Torwart will sich der Coach nicht näher äußern. Der Österreicher Ulf Wallisch arbeitet seit drei Jahren in dieser Funktion in Augsburg. Auch Kapitän Steffen Tölzer bittet um Verständnis, dass er die Privatsphäre seines Ex-Kollegen respektiert: „Ich will dazu nichts sagen.“

Erst Anfang dieses Jahres vertraut sich Meisner einem Psychologen an

Nach seinem langen Kampf vertraut sich Ben Meisner zu Beginn dieses Jahres, als er noch in Augsburg spielt, einem Psychologen an. „Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass mir das das Leben gerettet hat.“ Nach der Saison 2017/18, in der die Panther die Play-offs verpassen, wechselt der Kanadier in die zweite Liga zum EC Bad Tölz. Er freut sich auf die Herausforderung: „Ich genieße es richtig, Profi-Eishockey in Deutschland zu spielen, und zum ersten Mal, seitdem ich mich erinnern kann, sehe ich jeden Tag als einen Segen.“ Der 28-Jährige will sich in den Alltag und ins Leben zurückkämpfen, ohne dunkle Gedanken und schwarze Stunden, von denen er genügend erlebt hat.

Anmerkung der Redaktion:

Wer an einer Depression oder an Stimmungsschwankungen leidet, findet zum Beispiel Hilfe bei der Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist anonym, kostenlos und wird weder von der Telefonrechnung noch vom Einzelverbindungsnachweis erfasst. Direkte Anlaufstellen sind zudem Hausärzte sowie auf Suizidalität spezialisierte Ambulanzen in psychiatrischen Kliniken, die je nach Bundesland und Region unterschiedlich organisiert sind. Eine Übersicht über eine Vielzahl von Beratungsangeboten für Menschen mit Suizidgedanken gibt es etwa auf der Website der Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention.

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