
Tuchel und Nagelsmann: So viel FC Augsburg steckt in den Top-Trainern

Plus Einst haben Thomas Tuchel und Julian Nagelsmann beim FC Augsburg zusammengearbeitet. Nun treffen sie im Halbfinale der Königsklasse aufeinander. Eine Spurensuche.
Es gibt genügend Parallelen. Beide kommen aus der Fußball-Provinz. Thomas Tuchel (46) ist im westschwäbischen Krumbach aufgewachsen, Julian Nagelsmann (33) wurde in Issing nahe dem Ammersee groß. Beide haben zudem eine gemeinsame Vergangenheit in der Talentschmiede des FC Augsburg. Zunächst als Spieler im Nachwuchsbereich, dann in der Saison 2007/2008 als Trainer der FCA-Landesligamannschaft.
Auf der Paul-Renz-Sportanlage im Augsburger Stadtteil Oberhausen erfolgte, wenn man so will, der Startschuss für zwei äußerst erfolgreiche Trainerkarrieren. Tuchel und Nagelsmann zählen mittlerweile zu den begehrtesten Fußballlehrern Europas. Beide greifen in diesen Tagen nach den Sternen, Thomas Tuchel und Julian Nagelsmann stehen sich am Dienstag in Lissabon im Champions-League-Halbfinale zwischen Paris St. Germain und RB Leipzig gegenüber (21 Uhr, Sky und DAZN).
Tuchel war es, der Nagelsmann das Trainergeschäft schmackhaft machte
Günter Hausmann war als Jugendleiter am sportlichen Werdegang der beiden unmittelbar beteiligt. Tuchel, der als Spieler mit den A-Junioren des FCA den Gewinn des deutschen Pokals feiern konnte, kehrte 2006 nach Stationen als Spieler bei den Stuttgarter Kickers (zweite Liga) und dem SSV Ulm (Regionalliga) und als Jugendcoach des VfB Stuttgart als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums und Trainer wieder zum FCA zurück. "Man hat schon damals gesehen, dass er als Trainer einiges drauf hat, allerdings war er gerade nach Niederlagen ungenießbar," erzählt der heute 73-jährige Hausmann, der beim Bezirksligisten TSV Neusäß immer noch im Fußballgeschäft aktiv ist. Tuchel war es, der seinem Spieler Nagelsmann das Trainergeschäft schmackhaft machte.
Hausmann: "Nagelsmann spielte schon in der D-Jugend bei uns und wechselte 2007 von den Amateuren des TSV 1860 München nach Augsburg zurück, er spielte in unserer Landesligamannschaft. Doch nach schweren Verletzungen beendete er seine Karriere." Tuchel wollte ihn aber unbedingt als Co-Trainer behalten. "Ich war zunächst nicht begeistert, schließlich war Nagelsmann damals erst 20 Jahre alt. Doch schließlich haben wir diesem Plan dann zugestimmt", so Hausmann.

Nagelsmann sammelte für Tuchel Informationen über den TSV Gersthofen
In der bayerisch-schwäbischen Provinz erledigte er im Anfang 2008 seinen ersten Job als Tuchels Trainer-Lehrling. So beschreiben es die beiden Sportjournalisten Daniel Meuren und Tobias Schächter in einer Biografie über den PSG-Coach Tuchel. (Lesen Sie dazu: Wie Thomas Tuchel beim FCA die Karriere von Julian Nagelsmann startete). Der 20 Jahre alte Nagelsmann sollte Anfang 2007 beim TSV Gersthofen Informationen über den Gegner des FC Augsburg II sammeln und war ziemlich aufgeregt. "Ich wusste nicht, ob Thomas mit dem zufrieden war, was ich ihm geliefert habe."

Vor seinem Wechsel aus dem Kraichgau nach Sachsen im vergangenen Sommer wurde er sogar als Nachfolgekandidat für Zinedine Zidane bei Real Madrid gehandelt. Er selbst sagte den "Königlichen" ab, wie er der spanischen Sportzeitung Marca verriet.
Doch zurück ins Jahr 2007. Andreas Rettig arbeitete damals gerade ein Jahr als Geschäftsführer bei den 12 Monate zuvor in den bezahlten Fußball zurückgekehrten Augsburgern. "Es ist schon irre", sagt Rettig, wenn er an den Werdegang seiner damals noch jungen Mitarbeiter denkt. "Thomas war nicht einfach, er hatte seine Ecken und Kanten". Beinahe wäre Tuchels Tätigkeit bei den bayerischen Schwaben schon nach einem Jahr wieder beendet gewesen. Präsident Walther Seinsch wollte den Vertrag auflösen, er kam mit dem jungen und an und ab launischen Coach nicht zurecht.

Dass der FC Augsburg ihn nicht als Cheftrainer sah, konnte Tuchel nicht verwinden
Tuchel zeigte sich mal freundlich und gab auch im Kontakt mit seinen Untergebenen den guten Kumpel, konnte aber auch mürrisch und jähzornig sein. Rettig und Aufsichtsratschef Peter Bircks setzten sich schließlich bei Seinsch für Tuchel ein. Er durfte bleiben und absolvierte die Fußballlehrer-Ausbildung. "Dass er ein guter Trainer ist, das hat man damals schon gesehen", ergänzt Rettig, der den Krumbacher aber immer wieder ermahnen musste. Denn am Spielfeldrand legte er sich permanent mit den Unparteiischen an und wurde ein Fall für die Sportrichter. Doch ein Jahr später wurde die Zusammenarbeit beendet. Tuchel verstand nicht, dass ihn Rettig bei der Neubesetzung des Profi-Trainerstuhls nicht berücksichtigte, sondern Jos Luhukay an den Lech lotste.
"Mir hat der Mut gefehlt, einen jungen Trainer mit der schwierigen Aufgabe zu betrauen", räumt Rettig ein, "und im Nachhinein war Luhukay ja auch nicht die schlechteste Lösung." Doch das Tischtuch war zerschnitten, Tuchel wechselte in die Nachwuchsabteilung nach Mainz. Mittlerweile kommen Tuchel und Rettig aber wieder ausgezeichnet miteinander aus.

Ex-Spieler erinnern sich an Tuchel: "Bei ihm hat nur Leistung gezählt"
Zurück nach Augsburg. Nur Positives erzählen Thomas Rudolph und Thomas Jakob aus gemeinsamen Zeiten beim FCA über den erfolgreichen Trainer Tuchel. Beide sind heute beim Bayernligisten TSV Schwabmünchen tätig. Tuchel holte den talentierten Jugendspieler Rudolph ins Landesligateam, Jakob arbeitete als Physiotherapeut an der Donauwörther Straße. "Bei ihm hat nur Leistung gezählt", blicken die beiden mehr als ein Jahrzehnt zurück. Rudolph erinnert sich auch noch an seinen Teamkollegen Nagelsmann. "Er war eigentlich ein guter Fußballer, der leider Pech mit seinen Verletzungen hatte."
Doch was Julian Nagelsmann als Spieler verwehrt blieb, das schaffte er als Übungsleiter. Über den Nachwuchs der Münchner Löwen und der TSG 1899 Hoffenheim landete er bei RB Leipzig. Und steht am Dienstagabend mit seinem ehemaligen Augsburger Kollegen Thomas Tuchel im Mittelpunkt des europäischen Fußballs.
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