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Fußball: Köln steigt ab, Stuttgart spielt international: So schlecht waren unsere Saison-Tipps

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Köln steigt ab, Stuttgart spielt international: So schlecht waren unsere Saison-Tipps

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    Bei derartigen Tipps haben Steffen Baumgart und Anthony Modeste gut Lachen.
    Bei derartigen Tipps haben Steffen Baumgart und Anthony Modeste gut Lachen. Foto: Marijan Murat dpa

    Immerhin befindet sich die Sportredaktion dieser Zeitung in guter Gesellschaft. „Das Reisen mit der Eisenbahn bei hohen Geschwindigkeiten ist nicht möglich, da Passagiere nicht in der Lage wären zu atmen und erstickten“, sagte einst der irische Physiker Dionysius Lardner. Er sollte sich irren. Atemlos lassen beim Bahnfahren lediglich die Verspätungen zurück. Wer prognostiziert, irrt. Daher sollten Vorhersagen vermieden werden – besonders, wenn sie die Zukunft betreffen. Sagte wiederum Mark Twain. Weil es Journalistinnen und Journalisten aber gemeinhin nicht an Selbstvertrauen fehlt, sie sich extremer Expertise sicher und allein schon aus beruflicher Sicht sehr mitteilsam sind, schauen sie eben doch gerne in die Zukunft.

    Wer schneidet wie ab? Unsere Prognosen vor der Bundesliga-Saison

    Anders als Wahlforscher, die ihre (trotzdem teilweise danebenliegenden) Prognosen aufgrund von Befragungen erstellen, verlassen sich Sportreporter und -reporterinnen auf ihre ganz persönlichen Erfahrungen und Erkenntnisse, mixen die einmal durch und erstellen dann wortreich Begründungen, warum ein Ereignis eintreten wird. So auch der Autor dieser Zeilen, der sich schon vor der Bundesliga-Saison sicher war, die Abschlusstabelle vorhersagen zu können. Das Ergebnis: siehe Mark Twain.

    Wenn die Investigative Recherche die Königsdisziplin des Journalismus ist, dann ist die Prognose eine Narretei – mit der Einschränkung, dass Narrenmund eben nicht immer Wahrheit kundtut. Selbstredend läuft nicht jede Vorhersage der Realität zuwider. Wer die zehnte Meisterschaft des FC Bayern prophezeit hatte, lag richtig. Aber auch das blinde Huhn kommt nicht an einem felsgroßen Korn vorbei.

    Um die Güte von Prognosen zu überprüfen, gibt es mathematische Möglichkeiten, erklärt Professor Martin Lames, Lehrstuhlinhaber für Sportinformatik an der TU München. Um einen Zusammenhang mathematisch nachzuweisen, bedient man sich der sogenannten Korrelation. Trifft eine Prognose voll zu, beträgt sie eins. Tritt das exakte Gegenteil ein, ist die Korrelation -1, und wenn man nicht von der einen Variablen auf die andere schließen lässt, liegt sie bei 0. Für die Prognose der Sportredaktion hat Lames eine Korrelation von 0,598 errechnet. Klingt erst mal gut, findet der mathematisch unbeleckte Sportredakteur.

    "Wenn man schon froh ist, dass man überhaupt einen Zusammenhang gefunden hat, dann ist man mit einem Wert von über 0,30 schon glücklich", bestätigt Lames die Freude. Aber nur kurz. "Wenn es sich allerdings um eine Prognose handelt, dann muss man strenger sein", so Lames. Der Wert von 0,30 sei okay, wenn es darum geht, Zusammenhänge zu erkennen. Beispielsweise: Wenn es mehr Rote Karten gibt, fallen mehr Tore. Beim Redaktionstipp gehe es aber darum, dass "man im Wesentlichen das Ergebnis mit einer guten Prognose schon weitgehend vorwegnimmt", so Lames. Dazu wäre ein Wert von 0,90 sehr gut. Gar nicht mal so knapp daneben.

    Wer konnte denn mit einer derartigen Hertha-Saison rechnen?

    Verantwortlich für die Differenz: die anderen. Das eint Redakteur und Fußballer. Selbstkritik ist fein, die Schuld bei anderen abzuladen aber einfacher. Die Herthaner spielten eine Saison, die dazu verleitete, wenige Spieltage vor Schluss einen Trainer anzuheuern, der dem deutschen Profifußball fast ein Jahrzehnt ferngeblieben ist. Wolfsburg verpflichtete für den glücklosen Mark van Bommel den zuvor schon in Bremen noch glückloseren Florian Kohfeldt, um eine Saison fernab jeglichen Glückes zu spielen.

    Union Berlin und Freiburg hingegen überraschten nicht nur die Sportredaktion, sondern die ganze Republik und sich selbst auch noch gleich.

    Die Kölner aber vor der Saison auf den 17. Platz zu tippen und den VfB Stuttgart auf Rang sieben, spricht entweder für einen verkaterten Arbeitstag oder einen Sprung in der Redaktions-Glaskugel.

    Die Sportredaktion gehört in die Champions League

    Immerhin aber gelang an den beiden Enden der Tabelle der ein oder andere Pflichtsieg. Bayern, Dortmund und Fürth kamen gemäß der Erwartungen ins Ziel, bei Bielefeld Leipzig und Augsburg hat nicht viel gefehlt. Die Redaktion ist gemacht für die Champions League. Oder zumindest den Kampf um den Klassenerhalt. Mittelmaß kann sie nicht.

    Wer wagt, gewinnt. Oder verliert eben. So wie Dionysius Lardner, der Eisenbahnskeptiker. Demgegenüber nimmt sich ein prophezeiter Abstieg des 1. FC Köln harmlos aus, eine Gladbacher Champions-League-Teilnahme: ja, warum denn nicht? Auch für die Vorhersage aus dem Ressort gilt: Die meisten Prognosen sind gut, aber die Zukunft kümmert sich wenig darum. Sagt der deutsche Chemiker Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger.

    Nach der Saison ist vor der Saison. Noch aber ließe sich leichter im Kaffeesatz lesen, als eine Prognose abzugeben. Das wird uns freilich nicht daran hindern, schon bald wieder mit Überzeugung zu schreiben, wer wo landen wird. Immer dem Klinsmannschen Idiom folgend, jede Saison ein bisschen besser zu werden. Und wenn es nicht klappt, sind Journalisten äußerst gut darin, zu analysieren, warum es so gekommen ist, wie es gekommen ist.

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