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Fußball-WM 2022: Und wieder ein Drama: Brasilien erst einmal ohne Superstar Neymar

Fußball-WM 2022

Und wieder ein Drama: Brasilien erst einmal ohne Superstar Neymar

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    Neymar (Brasilien) hat sich in der Vorrunde der WM verletzt.
    Neymar (Brasilien) hat sich in der Vorrunde der WM verletzt. Foto: Tim Groothuis, Witters

    Die Inszenierung ist Teil seines Tuns. Auch wenn sein Haar derzeit fast auffällig unauffällig frisiert ist, trug Neymar goldene Kopfhörer beim Abgang aus dem Lusail Stadium. Dazu ist der Goldpokal als Bildschirm-Hintergrund auf seinem Handy hinterlegt, was ja ein schönes Motiv ist, wenn eine Weltmeisterschaft läuft, bei der Brasilien den sechsten Titel herbeisehnt. Welche Rolle der 30-Jährige bei der Mission in Katar spielt, nachdem im goldfarben schimmernden Endspielstadion zum Auftakt ein 2:0-Sieg gegen Serbien gelungen war, ist jedoch nicht so ganz klar. Vermutlich wird er die Vorrunde nicht mehr mitspielen. Der Knöchel ist verstaucht.

    Nationaltrainer Tite lud gleich einige Schuld auf sich, dass er vom Spielfeldrand nicht sah, was die mehr als 88.000 Augenzeugen vor Ort ohnehin im Detail kaum erkennen konnten: Wie sich Neymar bei einem der vielen Fouls des serbischen Abwehrrüpels Nikola Milenkovic so böse den Fuß einklemmte, dass Standbilder das Schlimmste vermuten ließen. Elf Minuten spielte die Nummer zehn noch weiter, ehe es nicht mehr ging. "Es ist bewundernswert, dass er so lange noch weitergemacht hat", sagte Tite, der Spekulationen über ein vorzeitiges WM-Aus sofort widersprach. "Er wird diese WM fortsetzen", sagte der 61-Jährige.

    Neymar fällt für das nächste WM-Spiel gegen die Schweiz aus

    Weit nach Mitternacht kletterte auch Teamarzt Rodrigo Lasmar vorsorglich mit aufs Podium der Pressekonferenz. Mit ruhiger Stimme berichtete der 46-Jährige von einer Verstauchung. Kein Knöchelbruch. Am Tag danach wurde Neymar zur weiteren Untersuchung ins Aspetar-Hospital in Doha gebracht. Genau wie Rechtsverteidiger Danilo soll auch der Edeltechniker in den kommenden Tagen physiotherapeutisch behandelt werden. Eine detaillierte Heilungsprognose blieb Brasiliens Fußball-Verband (CBF) am Freitag schuldig. Das Mitwirken im nächsten Gruppenspiel gegen die Schweiz (Montag 17 Uhr/ARD) gilt als ausgeschlossen.

    In der Nacht zuvor war die Stilikone zwar ohne Krücken zum Bus gelangt, dennoch erinnerte einiges an den Ablauf vom 4. Juli 2014. WM-Viertelfinale Brasilien gegen Kolumbien. Es war ein erbitterter Abnutzungskampf der südamerikanischen Rivalen in Fortaleza, als der Kolumbianer Juan Camilo Zúñiga sein Knie in den Rücken des brasilianischen Idols rammte. Neymar, damals noch Anker eines Landes, weil er sich nicht vor politische Karren spannen ließ, musste in einer Plastikwanne – sein Oberkörper festgeschnallt - aus dem Stadion getragen worden. Es folgten Standleitungen, Liveschalten und Expertengespräche vom Hospital, ehe die Nachricht vom Wirbelbruch die Runde machte. Eine Tragödie der Heim-WM.

    Aufnahmen von dem geschwollenen Knöchel verbreiten sich in Windeseile

    Den Schock schüttelte die Seleção bis zum Halbfinale gegen Deutschland nicht ab. Das ominöse 1:7. Trauma bis heute. Schon damals stieg Lasmar zum wichtigsten Doktor vom Zuckerhut auf. Auch jetzt verbreiteten sich die Aufnahmen von dem dick geschwollenen Knöchel in Windeseile; viele brasilianischen Fans, die auf den Rolltreppen zur überfüllten Metrostation so fröhlich gesungen hatte, drehten sich beim Anblick entsetzt weg. Nicht schon wieder. Und warum Neymar, der doch 2018 nach einem Mittelfußbruch vor der WM auch schon so lange im Krankenstand verbrachte und nun diesen Sommer in seiner Strandvilla in Mangaratiba an der Baía de Sepetiba im Bundesstaat Rio de Janeiro dazu nutzte, um mit einem Privat-Coach an seiner Fitness zu arbeiten. Diese WM soll seine Bühne werden. Schließlich speist sich sein fürstliches Gehalt bei Paris St. Germain aus einem katarischen Staatfonds.

    Die Voraussetzungen für reiche Beute mit dem Nationalteam scheinen günstig. Neymar hat hinter den Spitzen Vinicius Junior, Raphinha und Richarlison einen Platz bekommen, der ihm die Freiheiten lässt, aber die Alleinverantwortung nimmt. Neymar ist heute nicht mehr unersetzlich. In der zweiten Halbzeit war das gut zu sehen, als neben dem pfeilschnellen Vinicius Junior natürlich Doppeltorschütze Richarlison die Lorbeeren erntete. Sein 2:0 wird in jedem WM-Rückblick auftauchen: Nachdem der 25-jährige erst den Ball hochnahm, um ihn dann mit einem Seitfallzieher in die Maschen zu schmettern, schien der riesige Tempel auf dem Wüstensand zu beben.

    "Ein wunderschönes Tor, akrobatisch - wahrscheinlich eines der schönsten meiner Karriere und auch des Turniers", lobte sich der Angreifer von Tottenham Hotspur, der in der Premier League noch auf den ersten Saisontreffer wartet. Weil ihm in der Nationalelf die Nummer neun zugeteilt wurde, war schon vermutet worden, dass er wie seine Vorgänger Fred und Gabriel Jesus bei der WM torlos bleiben würde. Der blondierte Matchwinner lächelte solche Spekulationen ebenso locker weg wie die Besorgnis um Neymar. "Ich habe 'Ney' kurz in der Kabine gesehen. Er soll Eis rauftun, damit wir ihn bald wieder bei 100 Prozent haben. Er muss auf sich und seinen Knöchel aufpassen." Wirklich besorgt klang er nicht. Notfalls geht's ohne Neymar.

    Die Fußballweltmeisterschaft in Katar steht in der Kritik, auch in der Redaktion haben wir ausführlich darüber diskutiert. Eine Einordnung, warum wir das Sportevent dennoch ausführlich journalistisch begleiten, lesen Sie in diesem Text.

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