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Leichtathletik: Zwei Schwestern, deren Vater und ein Dopingskandal

Leichtathletik

Zwei Schwestern, deren Vater und ein Dopingskandal

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    Die Läuferin Sara Benfares wurde positiv auf Testosteron und das Blutdopingmittel Epo getestet.
    Die Läuferin Sara Benfares wurde positiv auf Testosteron und das Blutdopingmittel Epo getestet. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Ein Dopingfall im Olympiajahr? Unappetitlich und störend wie eine Schmeißfliege, die plötzlich in das von langer Hand geplante Festmenü platzt. Zunächst versucht man noch, den ungebetenen Gast zu ignorieren, tut so, als ginge einen das alles nichts an. Doch mit zunehmender Dauer der beinahe täglich hereinbrechenden Meldungen wird es nerviger, vor allem, wenn dann noch eine zweite Fliege aus derselben Familie hinzukommt.

    Der DLV fürchtet um sein Saubermann-Image

    Nach dem jüngsten Skandal um die Benfares-Schwestern fürchtet der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) um sein Saubermann-Image, das er sich selbst seit der Ära des Präsidenten Clemens Prokop (2001 bis 2017) als Verband mit den weltweit schärfsten Dopingregularien im Verbund mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) auferlegt hat. Seit jedoch zu Beginn des Jahres die Langstreckenläuferin Sara Benfares, 22, und Ende Februar auch ihre Schwester Sofia Benfares, 19, des Dopings überführt wurden, tut sich der Verband erkennbar schwer, das Thema aus der öffentlichen Debatte und der laufenden Olympiavorbereitung herauszuhalten. Zwar verweist man beim DLV fast gebetsmühlenartig auf die Verantwortlichkeit der Nada und auf das laufende Verfahren. Dass das Ende ihrer Karriere erklärte, kommt einem Schuldeingeständnis gleich. 

    Nicht wenige Leichtathletik-Fans mussten im Januar die Meldung zur Kenntnis nehmen, dass Sara Benfares positiv auf die verbotenen Substanzen Erythropoetin (Epo) und Testosteron getestet worden war. Die Nachricht markierte den vorläufigen Höhepunkt der Odyssee einer deutsch-französischen Leichtathletik-Familie, die bis 2019 in Fontainebleau bei Paris lebte, wo die Geschwister eine deutsche Schule besuchten, und seit 2021 im Saarland eine neue Heimat gefunden hat. Die Taktik von Vater und Trainer Samir Benfares schien klar: den Vorfall kleinreden, entlastende Erklärungen in Umlauf bringen und wegen des beschädigten Images möglichst geräuschlos vorgehen. So soll bei Sara im September 2023 Knochenkrebs diagnostiziert worden sein, ein Arzt habe sofort zur Behandlung gedrängt: das Ausdauerpräparat Epo gegen die Blutarmut, Testosteron für die geschwächten Knochen. Auch das Wort „Chemotherapie“ fiel. Weil die Zeit so drängte, habe man keine Ausnahmegenehmigung eingeholt, die eine Spitzenathletin auch in dringenden Fällen benötigt. Dies wollte man aber nachholen – was bis heute nicht geschah.

    Der Heimatverein LC Rehlingen schloss die Schwestern aus

    Für Verwunderung sorgte die 22-Jährige zudem, als sie noch Anfang Dezember 2023 bei einem Straßenlauf über sieben Kilometer in Genf nur eine Minute langsamer als die Marathon-Weltmeisterin von 2022 ins Ziel kam. Vater Benfares begann, sich in Widersprüche zu verwickeln, verwies auf die Krankenakte seiner Tochter (die bis heute nicht vorliegt) und hielt den Traum von einer Olympiateilnahme in der alten Heimat Paris im Sommer wach. Bis schließlich über die Nada bekannt wurde, dass auch bei Sofia Benfares, 2023 immerhin Dritte bei der U 20-EM über 3000 Meter, Epo im Blut gefunden worden sei. Ihr Heimatverein LC Rehlingen kündigte daraufhin beiden Läuferinnen mit sofortiger Wirkung die Mitgliedschaft.

    Der Benfares-Anwalt ist ein ehemaliger AfD-Funktionär

    Eine verworrene, rätselhafte Geschichte, die mit dem Engagement des Freiburger Anwalts Dubravko Mandic auf eine neue, noch skurrilere Spitze zutreibt. Mandic erlangte in der Vergangenheit vor allem als einstiger AfD-Funktionär, Anhänger des rechtsextremistischen Höcke-Flügels und Verteidiger von Neonazis Bekanntheit. Der AfD-Landesverband Baden-Württemberg wollte 2020 ein Ausschlussverfahren gegen ihn erwirken, doch Mandic kehrte der Partei zuvor selbst den Rücken. Aktuell vertritt er den Rechtsextremisten und ehemaligen Sprecher der „Identitären Bewegung Österreich“ Martin Sellner, der durch seinen bei einem Geheimtreffen in Potsdam vorgestellten „Remigrationsplan“, der die millionenfache Vertreibung von Menschen aus Deutschland beschrieb, bundesweite Bekanntheit erlangte. In einem Youtube-Video gibt der Anwalt Tipps für Hobbysportler, „wie man anhand der verfügbaren Gesetze und Verordnungen Anabolika nehmen kann, ohne sich strafbar zu machen oder jedenfalls staatliche Verfolgung unwahrscheinlicher zu machen“.

    Es geht längst nicht mehr um eine Dopingsperre für Sara Benfares, denn nach ihrem Rücktritt würde diese quasi ins Leere laufen. Inzwischen ermitteln die Staatsanwaltschaften im Saarland und in Frankreich wegen Verstoßes gegen das Antidopinggesetz. Fast zur gleichen Zeit wurde die französische Speerwerferin Alexie Alaïs dabei erwischt, verbotene Amphetamine eingenommen zu haben, und dafür 18 Monate gesperrt. Der Präsident ihres Klubs AS Montreuil hieß bis vor wenigen Wochen: Samir Benfares.

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