Startseite
Icon Pfeil nach unten
Sport
Icon Pfeil nach unten

Magnus Carlsen & Hans Niemann: Runde 2 im bizarren Streit

Schach

Bizarrer Schach-Streit zwischen Carlsen und Niemann geht in die zweite Runde

    • |
    Magnus Carlsen sagt nichts und lässt stattdessen Taten sprechen.
    Magnus Carlsen sagt nichts und lässt stattdessen Taten sprechen. Foto: Jon Gambrell, dpa

    Es muss schon etwas sehr Außergewöhnliches passieren, das Schach aus dem Spartenbereich in die breite Öffentlichkeit katapultiert. Beispielsweise in den erfolgreichen Podcast „Baywatch Berlin“, in dem die Herren Klaas Heufer-Umlauf, Thomas Schmitt und Jakob Lundt einmal die Woche über Gott und die Welt plaudern. Allzu ernst nehmen sie sich und den Rest der Welt dabei nicht. Deswegen heißen die Episoden dann auch wie die aktuelle. Deren Titel lautet: „Morsezeichen aus der Unterbux“. Das wiederum bezieht sich, auch wenn nicht sofort erkennbar, direkt auf die jüngsten Geschehnisse in der Welt des Schachs.

    Ein Zwist zwischen dem Weltmeister und einem 19-Jährigen

    Denn dort trägt sich dieser Tage das eingangs erwähnte Außergewöhnliche zu. Im Zentrum steht ein Zwist zwischen dem Weltmeister Magnus Carlsen und dem 19-jährigen US-Amerikaner Hans Niemann. Am vergangenen Montag brach Carlsen eine Partie im Rahmen des Onlineturniers „Julius Bär Generation Cup“ zwischen den beiden schon nach dem ersten Zug ab und verließ den Chat. Niemann hatte die Partie mit seinem Bauern eröffnet, Carlsen schaffte es noch, den Springer zu bewegen. Dann aber fror Carlsens Kamera ein und die Verbindung wurde unterbrochen. Zurück blieben ein fassungsloser Gegner und genauso fassungslose Zuschauer.

    Anfang September war es zum ersten Vorfall zwischen den beiden Kontrahenten gekommen. Beim Sinquefield Cup in St. Louis verlor Superstar Carlsen überraschend gegen Niemann und zog sich erstmals in seiner Karriere von einem Turnier zurück. Vorher war Carlsen 53 Partien in Folge ungeschlagen geblieben.

    Gründe für seinen Rückzug von der mit 500.000 Dollar dotierten Veranstaltung nannte der 31 Jahre alte Norweger damals nicht, twittere lediglich ein altes Interview des Fußball-Trainers José Mourinho, in dem der Portugiese sagte: „Ich ziehe es vor, nichts zu sagen. Wenn ich etwas sage, komme ich in große Schwierigkeiten, und ich möchte nicht in große Schwierigkeiten kommen.“

    Die Schach-Szene deutete Carlsens Ausstieg als Betrugsvorwurf gegen Niemann. Der US-Amerikaner hatte während des Sinquefield Cups in einem Interview zugegeben, zweimal als Teenager im Alter von zwölf und 16 Jahren bei Online-Partien betrogen zu haben, nie jedoch in Präsenz am Schachbrett. Einiges deutet darauf hin, dass Carlsen nun nach dem Motto verfährt: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Beweise für einen Betrug Niemanns liegen allerdings nicht vor. Stattdessen kocht die Gerüchteküche über.

    Hintergrund ist, dass Schachcomputer menschlichen Spielerinnen und Spielern längst überlegen sind. Wer also von Komplizen mit Tipps eines solchen Rechners unterstützt würde, hätte auch gegen den amtierenden Weltmeister keine Probleme. Doch wie sollte Niemann während des Spiels die Informationen bekommen haben?

    An dieser Stelle kommt die „Unterbux“ aus dem Podcast ins Spiel. Denn die Sicherheitsvorkehrungen bei dem Online-Turnier in St. Louis waren streng. Alle Spieler seien täglich vor Betreten des Gebäudes abgetastet und auf unerlaubte elektronische Geräte durchsucht worden, hieß es vonseiten des Veranstalters. Eine Theorie besagt nun, dass Niemann möglicherweise über eine vibrierende Kugel in einer vom Sicherheitspersonal nicht so ohne weiteres einsehbaren Körperöffnung Signale zugemorst sein worden könnten. Ob das praktikabel ist, sei dahin gestellt. Experten halten es zumindest für denkbar. Der österreichische Schachgroßmeister Valentin Dragnev sagte gegenüber FM4, dass die Theorie, „so lächerlich wie sie klingt, trotzdem durchführbar sein könnte“.

    Niemann kämpft um seinen Ruf

    Der junge Amerikaner wiederum bestreitet alles und kämpft um seinen Ruf. In einem Interview nach dem Sieg gegen Carlsen sagte der 19-Jährige, dass er auch nackt spielen würde, wenn man das von ihm verlange. „Es ist mir egal, denn ich weiß, dass ich sauber bin.“ Ein Schelm, wer sich dabei an die Ausflüchte erwischter Doper aus diversen anderen Sportarten erinnert fühlt.

    Denkbar wäre in diesem ganz speziellen Fall aber auch, dass Carlsen seine Niederlage gegen den jungen Niemann ein wenig zu persönlich genommen hat und deshalb einfach nur beleidigt ist. Schon seit längerem scheint der Norweger in einer Sinnkrise zu stecken. Es sei für ihn keine sportliche Herausforderung mehr, den WM-Titel zu verteidigen, hat er schon vor einiger Zeit gesagt. Deshalb spielen nächstes Jahr der Russe Ian Nepomniachtchi und der Chinese Ding Liren um die Schach-Krone – im Idealfall ohne Morsezeichen aus der Unterbux. (mit dpa)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden