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Regionalgeschichte: Königsbrunn: Die steinreichen Sieben

Regionalgeschichte

Königsbrunn: Die steinreichen Sieben

So stellt sich die Brunnenstadt Königsbrunn um das Jahr 1960 dar. Von einer dichten Besiedlung ist sieben Jahre vor der Stadterhebung noch nicht allzu viel zu sehen.
So stellt sich die Brunnenstadt Königsbrunn um das Jahr 1960 dar. Von einer dichten Besiedlung ist sieben Jahre vor der Stadterhebung noch nicht allzu viel zu sehen. Foto: Stadtarchiv Königsbrunn

„Königsbrunn ist eines der merkwürdigsten Dörfer im ganzen Bayernland. Man braucht, wenn man um das ganze Dorf herumgehen will, so viel Zeit wie man zur Umgehung einer großen Stadt nötig hätte. Vom äußersten Haus im Nordwesten bis zum äußersten im Südosten braucht man über zwei Stunden. Es dürfte wohl das längste Dorf in Bayern sein.“

Als der evangelische Pfarrer Wilhelm Rohn 1911 diese Notiz anfertigte, ahnte er wohl nicht, dass die Gemeinde 56 Jahre später tatsächlich Stadterhebung feiern würde.

Für die Landwirtschaft war die Gegend nicht attraktiv

Mit seiner Vermutung hatte er übrigens recht. Stolze sieben Kilometer Länge misst man von der einen zur anderen Grenze, doch an eine Besiedlung des Gebiets dachte lange Zeit niemand. Der karge Kiesboden und die steppenartige Flora waren für die Landwirtschaft nicht gerade attraktiv. „Früher gab es hier den nicht ganz ernst gemeinten Spruch: ‚Wir sind steinreich‘“, erzählt Susanne Lorenz vom Stadtarchiv Königsbrunn mit einem Schmunzeln.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war von Siedlern keine Spur. Man schrieb das Jahr 1836, als im heutigen Ortsbereich das erste Haus gebaut wurde. Kurz zuvor hatte König Ludwig I. zwei Brunnen zur Erfrischung Wallfahrtsreisender nach Klosterlechfeld errichten lassen. Die Vorbeiziehenden gaben ihnen den Namen „Königsbrunnen“.

Die Brunnen machten den Anfang

Es folgte ein rascher Zuzug und bereits am 4. Januar 1842 wurde die Kolonie durch königliche Verfügung zur Gemeinde erhoben. Jünger als Königsbrunn sind bayernweit nur noch Kolbermoor (1863) sowie Waldkraiburg und Traunreut (jeweils 1950).

Die Anwesen entstanden weiterhin entlang der Hauptstraße, zudem begannen sowohl Katholiken als auch Protestanten jeweils mit dem Bau einer Kirche, an die ein Pfarrhaus und eine Schule angebunden waren. „Gerade die katholische Kirche, die 1858 fertiggestellt worden ist, war eigentlich überdimensioniert. Doch der damalige Kaplan war ziemlich gewieft und hat die Kirche als Bauwerk zum Gedenken an 900 Jahre Lechfeldschlacht angepriesen. Das stieß im königlichen Umfeld auf große Resonanz, sodass eine beachtliche Summe an Fördergeldern zur Finanzierung bereitgestellt wurde“, berichtet Lorenz.

Mit den Sudetendeutschen stieg die Einwohnerzahl

Das Gemeindeleben blühte auf, bis 1931 waren zwei weitere Schulhäuser gebaut worden. Zwei Jahre später war die Einwohnerzahl auf knapp 2500 gestiegen. Über 3000 notierte man zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Nach dessen Ende wuchs die Bevölkerung um nahezu ein Drittel, denn etwa 1200 Sudetendeutsche fanden in Königsbrunn eine neue Heimat.

Bei der ersten demokratischen Nachkriegswahl 1948 wurde Friedrich Wohlfarth zum Bürgermeister gewählt – mit 25 Jahre war er damit der jüngste in ganz Bayern. Er forcierte das Wachstum des damals noch kargen Bauerndorfs ungemein. „Wohlfarth war sehr umtriebig, energisch und durchsetzungsstark“, sagt Lorenz. Auch eine gewisse Schlitzohrigkeit wurde ihm nachgesagt. „Er hatte ein erstaunlich gutes Händchen dafür, an Fördertöpfe zu kommen“, blickt die Archivarin zurück. In der Bevölkerung genoss er jedenfalls hohes Ansehen.

Bürgermeister Wohlfahrt machte seinem Namen alle Ehre

Bis 1984 war Wohlfahrt im Amt, stolze 36 Jahre also. Unter seiner Ägide entwickelte sich Königsbrunn zu einer Schulstadt. So entstanden unter anderem ein Zentralschulhaus, eine Realschule sowie ein Gymnasium. Ende der 1970er-Jahre kam zusätzlich ein Sonderschulzentrum dazu.

Projekte wie die Ansiedlung der Bereitschaftspolizei im Norden, der Bau einer Brücke über den Lech in Richtung Mering im Süden oder die Inbetriebnahme der Königstherme im Herzen Königsbrunns sorgten überregional für Aufmerksamkeit. „Das alles wie auch der Bau des Hans-Wenninger-Stadions oder die Etablierung des Ilsesees als Naherholungsgebiet hat das Ansehen der Stadt erhöht und den Zuzug gefördert. Zudem waren und sind wir auch für Augsburg-Pendler attraktiv“, sagt Lorenz.

Königsbrunn wurde zur größten Stadt im Landkreis Augsburg

Apropos Stadt: Der Ort, der 14 Zierbrunnen sein Eigen nennen kann, bekam am 28. April 1967 freudige Nachrichten aus dem Bayerischen Staatsministerium des Inneren. Die Ernennungsurkunde „Bezeichnung-Stadt“ war eingegangen. Damals zählte Königsbrunn 11500 Einwohner. Die Festrede von Wohlfarth ist im Archiv auf Tonband gesichert. „Während dieser erwähnt er schon die Straßenbahntrasse, die jetzt – über 50 Jahre später – ja tatsächlich von Augsburg bis nach Königsbrunn verlängert wird“, weiß Lorenz. Dies hätte den 2010 im Alter von 87 Jahren verstorbenen Alt-Bürgermeister sicherlich gefreut.

Gut ein Vierteljahrhundert ist die Stadt nun bereits die größte im Landkreis Augsburg, vor Gersthofen, Neusäß, Bobingen, Stadtbergen und Schwabmünchen. Aktuell wohnen rund 28400 Menschen in Königsbrunn. Die 30000er-Marke dürfte bald geknackt werden. Denn zwei neue Baugebiete mit rund 2400 Wohneinheiten sind in Bearbeitung. Vor über 100 Jahren hätte Pfarrer Wilhelm Rohn davon wahrscheinlich nicht einmal zu träumen gewagt.

Dieser Artikel stammt aus unserer Beilage "2020 - Was in der Region zählt." Hier finden Sie weitere spannende Texte zum Thema Zahlen.

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