Die größten Wellen der Welt in Portugal
An der portugiesischen Atlantikküste in Nazaré brechen die größten Wellen der Welt. Doch man braucht kein Surfer zu sein, um in dem kleinen Fischerort Naturgewalten zu erleben.
Der Atlantik vor dem portugiesischen Fischerdorf Nazaré wirkt nahezu friedlich an diesem sonnigen Wintermorgen. Vom Hafen fahren wir im Jet-ski zur Praia do Norte, dem berühmt-berüchtigten Nordstrand. Daniel Rangel fetzt über das flache Wasser.
Doch in der Ferne sind die Monster bereits zu sehen. Sie brechen genau vor den Klippen, auf denen eine alte Festungsanlage thront. Hier befindet sich der Ort, den die Surfer auch gerne die „Todeszone“ nennen.
Hört sich ein wenig überdramatisch an. Doch je mehr wir uns nähern, desto fester klammere ich mich an Rangel. Kurz vor unserem Ziel hält er den Jetski an und dreht sich zu mir um: „Eine Sache noch, bevor wir ankommen. Halte dich auf keinen Fall an mir fest, sondern nur am Jetski. Denn wenn wir beide ins Wasser fallen, sind wir verloren.“
Haushohe Wellen an der portugiesischen Küste
Spätestens jetzt schießt der ohnehin schon hohe Adrenalinspiegel ins schier Unerträgliche hoch. Seitlich nähern wir uns den Wellen. Zehn Meter hohe Wasserwände, die sich wie aus dem Nichts vor uns aufbauen.
Dutzende Surfer sind am Morgen bereits in der „Todeszone“ unterwegs. Vor allem Extrem-Surfprofis aus aller Herren Länder suchen hier die perfekten Riesenwellen und: Weltrekorde. Und wir sind mittendrin.
Das Donnern der gewaltigen Wassermassen ist Angst einflößend, aber auch faszinierend. Manchmal befürchte ich, dass der Jetski es nicht mehr rechtzeitig schafft, oben anzukommen, bevor die Welle bricht. Doch Rangel weiß, was er tut. Der 39-jährige Brasilianer aus Rio de Janeiro steht seit seinem vierten Lebensjahr auf Surfbrettern. Er ist professioneller Big-Wave-Surfer.
„Keine Angst, wir gehen mit Touristen ja nur bei normalen Wellen raus“, sagte Rangel vor der Tour. „Normal?“ Der Begriff relativiert sich, wenn die Wellen, die auf einen zurollen, so hoch sind wie ein zweistöckiges Haus.
Zehn Meter hohe Wellen sind in Nazaré gar nichts, wenn zwischen November und Februar Monsterwellen-Saison ist. Der Grund: ein fast fünf Kilometer tiefer und 230 Kilometer langer Unterwassercanyon, durch den das Wasser wie durch einen Trichter gepresst wird.
„Wenn die Wassermassen des Atlantiks auf das Küstenplateau stoßen und hochgedrückt werden, entstehen die berühmten Monsterwellen von über 30 Metern“, brüllt Rangel nach hinten. Seit drei Jahren lebt er in Nazaré und führt für Waterfun Nazaré die „Canyon Adrenalin Experience“ durch, um sich seinen eigenen Wellenspaß zu finanzieren.
Schuld daran, dass der Brasilianer und andere Big-Wave-Surfer nach Nazaré kommen, ist Garrett McNamara. Die Wellenreiterlegende aus Hawaii wurde von der Gemeinde 2010 eingeladen, um den Surfspot zu bewerten.
„Als ich diese Wellen zum ersten Mal sah, war ich völlig platt. Seit Jahren fliege ich um die ganze Welt auf der Suche nach den größten Wellen. Von Nazaré hatte ich nie zuvor gehört. Als ich zum Leuchtturm kam, erblickte ich die größten Wellen, die ich je gesehen hatte“, sagt der Surf-Guru, der jedes Jahr nach Nazaré kommt.
Riesenwellen-Surfer McNamara stellte in Nazaré einen Weltrekord auf
Im November 2011 stellte McNamara einen Weltrekord auf – er ritt eine 23,7 Meter hohe Welle. Den aktuellen Rekord, aufgestellt 2022, hält der Nürnberger Sebastian Steudtner mit 26,21 Metern.
Doch es war McNamara, der den unbekannten Fischerort mit seinem Weltrekord in das angesagteste Mekka für Riesenwellen-Surfer verwandelte. Vorher kamen die Urlauberinnen und Urlauber nur im Sommer. Dann ist der Atlantik ruhiger, wenngleich für normal sterbliche Surfer immer noch ein Traum.
„Doch dank Garrett haben wir jetzt auch viele Touristen im Winter, welche die weltweit besten Big-Wave-Surfer und die Riesenwellen sehen wollen“, sagt Pedro Pisco. Er arbeitet in der Marketingabteilung der Stadtverwaltung und brachte McNamara einst dazu, Nazaré kennenzulernen.
Stolz zeigt Pisco das Surf-Museum in der Festungsanlage Forte de São Miguel Arcanjo aus dem 17. Jahrhundert, die direkt vor der „Todeszone“ auf der Felsspitze thront. Die Ausstellung informiert über den Canyon-Effekt und zeigt Fotos von Riesenwellen und Weltrekorden. Surf-Weltstars haben dem Museum ihre signierten Bretter geschenkt.
Der Ort ist magisch, ein Treffpunkt für Surf-Begeisterte. Hier sitzen auch die Spotter, die mit Radios die Jetskifahrer auf besonders hohe Wellen aufmerksam machen. „Es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem man vom Land aus in so unmittelbarer Nähe Riesenwellen beobachten kann“, versichert Pedro Pisco. Tatsächlich brechen die Wasserberge so dicht vor der Festung, dass ihr Donner und die Gischt selbst hier oben noch gewaltig zu spüren sind.
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