Typisch Friseuse? Typisch Techniker?
Welche Auswirkungen unsere Rollenbilder auf die Berufswahl haben können
Eine Kfz-Mechanikerin und ein Zahnmedizinischer Fachangestellter haben etwas gemeinsam: Sie sind Minderheiten in ihrem Beruf. Denn es gibt sie noch, die typischen Männer- und Frauenberufe. Doch es deutet sich an, dass sich die beruflichen Stereotypen auflockern.
Ein Hamster spielte für die Berufswahl von Laura Kästner eine wichtige Rolle. Sie musste dafür sorgen, dass der Nager sein Futter findet. Stopp! Was ist nun der erste Gedanke beim Lesen? Vielleicht, dass Kästner Tierärztin geworden ist. Das würde ja passen: Mädchen kümmern sich doch gerne um Tiere. Oder? Doch Kästners Weg ging anders weiter.
Die kleinen Nager, die das Mädchen in der neunten Klasse umsorgte, erinnerten kaum an echte Hamster. Es waren kleine Hamsterköpfe auf einem Bildschirm. Mit Programmierbefehlen musste Kästner sie durch ein Labyrinth zu ihren Futterkörnern führen. Hamstersimulator hieß das Programm, das Anfänger ins Programmieren einführte. „Da stand für mich fest, dass ich in die technische Richtung gehen will.“ Heute ist die 21-Jährige im dritten Lehrjahr. Sie macht im Bosch-Werk Homburg eine Ausbildung zur Elektronikerin für Automatisierungstechnik.
Was ist daran so ungewöhnlich? Eigentlich nicht viel. Andererseits doch eine Menge. Denn Kästner wird in ihrem Beruf in der Minderheit sein. Sie ist die einzige Frau in ihrem Lehrjahr. Von mehr als 6500 Auszubildenden in diesem Beruf waren 2015 nur etwa 600 weiblich. Das sind knapp 9 Prozent.
Viele technische Berufe sind männlich dominiert. Typische Frauenberufe finden sich dagegen eher im Dienstleistungs- und Handelsbereich. Friseur gehört dazu (87 Prozent weibliche Azubis). Bei Zahnmedizinischen und Medizinischen Fachangestellten ist fast jede Auszubildende weiblich (rund 99 bzw. 98 Prozent). Hier sind männliche Lehrlinge in der deutlichen Minderheit.
Von Männer- oder Frauenberufen ist die Rede, wenn ein Beruf zu mindestens 80 Prozent von Männern oder Frauen ergriffen wird. Fachleute hören die Begriffe aber nur ungern. „Die sind leider geläufig, aber eigentlich total veraltet“, sagt Angelika Puhlmann vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Beim BIBB formuliert man deshalb anders: Berufe sind hier „mehrheitlich von Frauen oder Männern besetzt.“
Die Gründe für die klaren Unterschiede haben viel mit Image und tradierten Vorstellungen zu tun: in Betrieben, in der Familie, zum Teil auch in Schulen. Manchmal scheitert es schon an Kleinigkeiten. Bei manch kleineren Handwerksbetrieben fehle zum Beispiel eine Frauen-Toilette, erzählt Florian Haggenmiller, Bundesjugendsekretär des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).
Doch es liegt nicht nur an den Unternehmen. Auch im Umfeld und der Familie können junge Menschen viele Vorbehalte zu hören bekommen, wenn sie eine Ausbildung wählen, die nicht gängigen Vorstellungen entspricht. Am Ende machen sie dann einen Rückzieher.
Männer- oder Frauenberuf?
Wer Interesse an einem Beruf hat, sollte sich von solchen Schubladen nicht irritieren lassen. Ausprobieren heißt stattdessen die Devise. Ein Praktikum zeigt, was der Beruf für einen bereithält: inhaltlich, aber auch persönlich. Haggenmiller rät außerdem dazu, eine Potenzialanalyse bei der Arbeitsagentur zu machen. So erfährt man von Berufen, an die man nie gedacht hat.
Vielleicht ist auch etwas Gelassenheit angebracht. „Man kann nicht erwarten, dass immer alle Berufe gleichermaßen von Männern und Frauen angestrebt werden“, sagt Puhlmann vom BIBB. Doch unabhängig davon sei es wichtig, dass die Voraussetzungen für alle gleich sind.
Einen dummen Kommentar wegen ihrer Berufswahl habe sie in mehr als zwei Jahren nicht einmal bekommen, versichert Laura Kästner. „Das Thema hat sich gewandelt“, glaubt sie. „Junge Leute machen sich darüber kaum mehr Gedanken.“
Text: tmn/oH
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