
Flutpolder: Mehr Fragen als Antworten


Rund 500 Menschen verfolgen den Auftritt von Umweltministerin Ulrike Scharf in Höchstädt.
Diesen Abend müsse die Familie erst mal verdauen, sagte Andrea Musselmann. Ihr Gut Hygstetten liegt direkt am Riedstrom-Damm. Und mitten im geplanten Flutpolder Helmeringen bei Lauingen. Um sich zu informieren, war sie mit Ehemann Klaus Kitzinger-Musselmann am Montagabend nach Höchstädt gefahren.
In der Nordschwabenhalle präsentierten Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf und der Leiter des Donauwörther Wasserwirtschaftsamts Ralph Neumeier bei Häppchen und Getränken das vorläufige Maßnahmenpaket für Hochwasserschutz entlang der Donau. Am Freitag vor einer Woche war bekannt geworden: Drei Flutpolder sind geplant, bei Leipheim, Lauingen und Schwenningen. Die Lauinger, darunter die Musselmanns, wurden von der Entscheidung völlig überrumpelt. „Vier Familien leben in dem betroffenen Gebiet Helmeringen. Die hätte man doch vorher informieren können“, sagte Andrea Musselmann enttäuscht.
Auch später auf der Bühne kritisierte Lauingens Bürgermeister Wolfgang Schenk die Informationspolitik seitens des Umweltministeriums. Die Stadt befände sich in einer „Schockstarre“. Fragen wie die Grundwasserthematik oder eine Lösung für die Aussiedlerhöfe in Helmeringen seien nicht geklärt. Schwenningens Bürgermeister Reinhold Schilling hofft, dass die Absichtserklärung über Entschädigungen für den Riedstrom fester gezurrt wird und die Flutpolder-Betroffenen davon profitieren könnten. Vielleicht sei auch die Größe des geplanten Beckens Neugeschüttwörth bei Schwenningen, das mit 1800 Hektar das mit Abstand das größte aller drei sein wird, verhandelbar. Deutlichen Widerstand formulierte Leipheims Bürgermeister Christian Konrad. Auch seine Stadt habe die Entscheidung völlig überrascht. Viele Fragen der Bürger seien nicht geklärt, etwa die Grundwasserproblematik. „Eine Akzeptanz für die Flutpolder gibt es nur, wenn die Bürger einen Vorteil haben. Stattdessen sehen wir essenzielle Nachteile.“
Umweltministerin Ulrike Scharf betonte, Flutpolder sollen eine Notbremse für Extremfälle sein. „Wir bauen etwas, das wir hoffentlich nie brauchen.“ Doch der Klimawandel sei messbar, die Hochwasserereignisse nähmen zu, man müsse sich schützen. Das Maßnahmenpaket diene vor allem der Region, nicht Passau oder Deggendorf. Insgesamt 50 Millionen Kubikmeter Wasser können alle angedachten Projekte aufnehmen. So viel Wasser füllt drei Mal die Münchner Allianz-Arena. Ein Anstieg des Grundwassers sei ein K.-o.-Kriterium für die weiteren Planungen. Laut Ministerin darf es keine Verschlechterungen für die Anwohner geben. Außerdem könnten die Landwirte ihre Flächen innerhalb der Flutpolder bewirtschaften wie bisher. Allein für die Ausweisung als Flutpolder-Fläche bekomme der Grundstücksbesitzer einmalig 20 Prozent des Grundstückswertes, würden bei einem Hochwasser dann Felder und Ernte zerstört, gibt es einen Schadenersatz in Höhe von 100 Prozent. „Diese Vereinbarung steht“, sagte Scharf.
Den Landwirten reicht das allerdings nicht, wie erneut deutlich wurde. Albert Riedlinger aus Gremheim fürchtet, dass die Molkerei ihm keine Milch mehr abnimmt, wenn tagelang das Wasser auf seinem Acker stand. Schließlich bringe eine Flut Material aus der Donau mit. Kreisobmann Klaus Beyrer bekam Beifall dafür, dass er verlangte, die vorläufige Sicherung aller anderen Gebiete, die jetzt nicht mehr im Rennen sind, aufzuheben. Er und Landrat Leo Schrell als Sprecher des Bündnisses Hochwasserschutz an der Donau wollten eines unbedingt vermeiden: Dass für Flächen, die im Rahmen des Hochwasserschutzes bebaut werden, Ausgleichsflächen fällig werden. Christine Markgraf vom Bund Naturschutz fügte hinzu: „Polder mit stehendem Wasser lehnen wir ab.“ Egal ob auf dem Feld oder im Wald, die Schäden könnten so immens sein, dass solche Becken aus Sicht der Umweltschützer gar nicht genehmigungsfähig sind.
Ralph Neumeier vom Wasserwirtschaftsamt betonte, dass es seit Generationen zwischen Iller und Lech kein hundertjährliches Hochwasser gab. „Das heißt aber nicht, dass es nicht passieren kann.“ Viele Anregungen aus der Region, wie die Auwaldvernässung, die Überprüfung der Nebengewässer und Zuflüsse sowie des Staustufenpotenzials, wurden oder werden noch bearbeitet. Er zeigte die verschiedenen Argumente für die drei Flutpolder im Unterschied zu den fünf anderen auf. So liege Neugeschüttwörth bereits in einem Überschwemmungsgebiet. Dank der topografischen Lage seien kaum Bauwerke für den Flutpolder nötig. Leipheim sei zwar von allen drei Standorten am schwierigsten, doch die Vorteile wie Flächenbeanspruchung, Waldanteil und Hochwasserwirkung überwiegen. Einzelne Planungen für die Standorte gebe es noch nicht.
Rund 24 Monate werden die weiteren Vorplanungen dauern, kündigte Neumeier an. „Entscheidend sind die Wirksamkeit und die Auswirkung auf das Grundwasser.“ In zwei Jahren könnte das Maßnahmenpaket ins Raumordnungsverfahren gehen. Bei einem positiven Ergebnis beginnt das Planfeststellungsverfahren. „Das heute ist nur eine Zwischenbilanz.“ Auch künftig sollen Bürger beteiligt werden, in kleinerem, konkretem Rahmen.
Knapp drei Stunden später, nach den Reden von Scharf und Neumeier, nachdem sich auf der Bühne Politiker und Vertreter von Interessengruppen geäußert hatten, ging es im Kleinen weiter: An drei Stehtischen, je einen für die drei betroffenen Landkreise Dillingen, Donau-Ries und Günzburg, beantworteten Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamtes die Fragen der Bürger. Stellwände, Videos und Flyer informierten darüber hinaus. Dennoch blieben ratlose Gesichter zurück. Andrea Musselmann hatte immer noch viele Fragen. Sie hat Angst. Ihr Mann ergänzte: „Als Landwirte leben wir doch von dem Land.“ Das Wasserwirtschaftsamt habe Hilfe zugesagt.
Der Blindheimer Diplom-Geologe Michael Audibert beschwerte sich, er und Hubert Mayer, Sprecher der Bürgerinitiative „Rettet das Donauried“, seien explizit ausgeladen worden. Landtagsabgeordneter Johann Häusler (FW) beklagte, dass den Abend über keine Wortmeldung möglich war. „Ich bin kein grundsätzlicher Gegner der Flutpolder, aber es gibt noch Dinge, über die geredet werden muss.“ Organisiert hatte die Veranstaltung wieder das Unternehmen Tatwort aus Österreich. Franz Tragner sagte dazu, niemand sei ausgeladen worden. Und auf der Bühne hätten nicht noch mehr Menschen Platz gehabt.
Die Diskussion ist geschlossen.