Erinnerungen an den Doppelmord in Wertingen
Im Oktober vor 130 Jahren wurden ein 72-jähriger Bäckermeister und seine 22-jährige Tochter getötet. Das Grab wurde zwar aufgelöst, doch einen Teil des Grabsteins gibt es noch. Und die Erinnerung.
Im Jahr 2019 wurde im Wertinger Friedhof ein Grab aufgelöst, das an den Doppelmord in Wertingen vor ziemlich genau 130 Jahren erinnerte. Das Heimatmuseum sicherte sich diesen Teil des Grabsteines und zeigt ihn seitdem im Raum 0002 im ersten Untergeschoss bei den Grabkreuzen. Aufgrund des traurigen „Jubiläums“ ist er das Objekt des Monats Oktober im Jahr 2021.
Tatort war die Bäckerei Braun im Ochsengässchen 4. Das Ochsengässchen verbindet die Pfarrgasse mit der Hauptstraße in Wertingen. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe der Stadtpfarrkirche. Für unsere Ohren fast etwas reißerisch berichtet Alois Gerblinger in seiner „Geschichte der Stadt Wertingen mit Streiflichtern auf die Umgebung“ aus dem Jahr 1910, also knapp zwanzig Jahre nach dem Ereignis über den Mord.
Die ganze Stadt wurde in große Aufregung versetzt
Alois Gerblinger schrieb: „1891. Am frühen Morgen des 7. Oktober wurde die ganze Stadt in große Aufregung versetzt, als sich wie ein Lauffeuer die Nachricht verbreitete, dass nachts 12 Uhr im Hause des Bäckermeisters Joseph Braun im Ochsengässchen eingebrochen und fast sämtliche Insassen ermordet wurden.
Der 22-jährigen Tochter Therese wurde im Schlafe mit einem zum Hause gehörigen Handbeil die rechte Schläfe eingeschlagen, [sie] war sofort tot. Der 72-jährige Braun gab beim Auffinden morgens 4 Uhr noch schwache Lebenszeichen, kam aber nicht mehr zum Bewusstsein. Durch sechs Beilhiebe mit der Schneide war ihm das Schädeldach zertrümmert. Frau Braun konnte sich trotz der furchtbaren Kopfverletzungen noch bis zur Haustüre schleppen, brach aber dort zusammen und verlor das Bewusstsein; sie kam zwar mit dem Leben davon, erholte sich aber nicht mehr vollständig, und ist einige Jahre später an den Folgen der schweren Verletzungen gestorben.
Einer ist der Tat dringend verdächtig
Der Tat dringend verdächtig ist ein bei Braun bis drei Tage vor dem Morde in Arbeit gestandener 18-jähriger Bäckergeselle namens Georg Will aus Mittelfranken. Geraubt wurden 3- bis 400 Mark an barem Gelde. Diese Mordtat ist noch ungesühnt, da es dem Täter leider gelang, zu entkommen, und [er] bis heute nicht aufgefunden wurde.“ Übrigens: Die Orthografie des Textes in der Chronik wurde der heutigen Schreibweise angepasst.
Als Motiv für die Tat wird Raubmord genannt. Aber auch die unerwiderte Liebe des Bäckergesellen zur Bäckerstochter, auf die der Bäckergehilfe ein Auge hatte, könnte eine Rolle bei der Tat gespielt haben. Jürgen Fiedler beschäftigte sich 1991 anlässlich der 100. Wiederkehr des Datums in der Wertinger Zeitung ausführlich mit dem Mordfall, vor allem mit der Verfolgung des Täters, der wohl auch durch mehrmalige Namensänderung einer Festnahme entging.
Im Verlauf der Ermittlung des Verbrechens und in dem anschließenden Prozess gegen einen mutmaßlichen Täter wurden so viele Fehler gemacht, dass der Mordfall als Negativbeispiel in die Kriminalgeschichte einging. So ist der Fall bis heute nicht aufgeklärt.
Auch nach dem Doppelmord und dem Verkauf des Anwesens wurde die Bäckerei weiter betrieben: Zunächst von Sales Baumeister („Salesbäck“), dann von Franz Bunk („Bunkabäck“), der die Bäckerei 1957 aus Altersgründen aufgab. 1970 kaufte Malermeister Hans Senger die Bäckerei (Ochsengässchen 4) zu seinem Betrieb und Wohnhaus (Ochsengässchen 3) dazu, sodass Vorderhaus und Hinterhaus nun den gleichen Besitzer hatten.
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