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Facebook-Chef: Charmeoffensive: Wie Mark Zuckerberg die Politik einlullt 

Facebook-Chef

Charmeoffensive: Wie Mark Zuckerberg die Politik einlullt 

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    Facebook-Chef Mark Zuckerberg traf am Montag mehrere Berliner Spitzenpolitiker, darunter Justizministerin Katarina Barley.
    Facebook-Chef Mark Zuckerberg traf am Montag mehrere Berliner Spitzenpolitiker, darunter Justizministerin Katarina Barley. Foto: Florian Gaertner, photothek.net

    Bei dem Treffen mit Grünen-Chef Robert Habeck gibt es Gemüsestäbchen und Wasser. Neben SPD-Justizministern Katarina Barley sieht er mit seiner blauen Krawatte und dem gesenkten Blick ein bisschen aus wie ein Büropraktikant. Und bei dem Treffen mit CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wirken der Tisch wie auch die Gesprächsatmosphäre ganz aufgeräumt. Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat zu Beginn dieser Woche das „Who’s Who“ des Berliner Politikbetriebs getroffen. Die Fotos stellte er unter dem Stichwort „Mark in Berlin“ – natürlich – auf Facebook. Zufällig ist dies alles nicht. Dahinter verbirgt sich nach Ansicht von Fachleuten eine Lobby-Strategie.

    Jahrelang wollte Facebook fast alle Versuche der Politik stoppen, regulierend in das soziale Netzwerk einzugreifen. Der Konzern stellte sich gegen die Pläne für die europäische Datenschutzgrundverordnung. Genauso wehrte man sich gegen die Bemühungen von SPD-Politiker Heiko Maas, noch als Justizminister gegen Hassbotschaften im Netz vorzugehen. Jetzt die Kehrtwende: Im Interview mit der Tagesschau forderte Zuckerberg eine aktivere Rolle der Politik. Sie solle festlegen, was genau eine Hass-Rede ist und was eine Meinungsäußerung.

    Zuckerberg zeigt sich fair und transparent: Am Sonntagabend traf er in der Nähe von Berlin Mathias Döpfner, den Chef des Springer-Konzerns (Bild-Zeitung) zum Interview, lobte ihn, dass dieser seine „Karriere der Freiheit der Presse gewidmet“ habe und versprach, auf Facebook ein Angebot für Qualitätsjournalismus zu schaffen. Das Video – mehr als einstündig – gibt es auf Facebook. Weiter kann man die Arme gegenüber Politik und Gesellschaft kaum ausbreiten. Was steckt dahinter?

    Expertin Léa Briand: „Teil einer globalen Kommunikationsstrategie“

    „Die Auftritte und Besuche sind Teil einer globalen Kommunikationsstrategie“, sagt Léa Briand, Mitarbeiterin von Abgeordnetenwatch, einer Organisation in Berlin und Hamburg, die den Politikbetrieb hinterfragt. „Dass Facebook-Chef Zuckerberg vergangenes Jahr vor dem US-Kongress im Zuge der Datenaffäre regelrecht verhört wurde, hat dem Image von Facebook geschadet.“ Nutzerdaten von Facebook waren damals von der Firma Cambridge Analytica genutzt worden, um Wahlkampf für US-Präsident Donald Trump zu machen.

    „Facebook hat erkannt, dass es nicht das Klügste ist, gegen die Regierungen und Parlamente der mächtigsten Länder der Welt zu arbeiten“, meint Briand. So umgarnt Zuckerberg heute Spitzenpolitiker.

    Abgeordnetenwatch fordert ein Lobby-Register

    Problematisch ist für Abgeordnetenwatch aber etwas anders. „Es ist okay, wenn wir erfahren, dass Herr Zuckerberg Frau Kramp-Karrenbauer trifft. Was wir aber leider nicht erfahren, ist, welche Mitarbeiter aus der Regierung oder den Abgeordnetenbüros sich mit Mitarbeitern aus dem Public-Affairs- und Lobby-Büros der Konzerne treffen“, kritisiert Briand. Auch Facebook hat so ein Büro in Berlin.

    Treffen zwischen Konzernvertretern und Beamten oder Politikern finden regelmäßig statt, sagt Briand. Teilweise stammen ganze Gesetzespassagen aus der Feder von Lobbyisten, berichtet sie. Deshalb die klare Forderung: „In Deutschland sollte es ein Lobbyregister geben, in dem Behörden eintragen müssen, wann, mit welchem Budget und zu welchem Thema Treffen mit Lobbyisten stattgefunden haben.“

    Facebook: Hohe Ausgaben für Lobbyarbeit

    Facebook hat in den letzten Jahren die Ausgaben für die Lobbyarbeit massiv erhöht. Investierte man in den USA im Jahr 2010 lediglich 690.000 Dollar, waren es 2015 bereits 10,81 Millionen Dollar, berichtet die Plattform Lobbypedia. Doch nicht nur Geld zählt: Konzerne wie Facebook setzen auch viel daran, die richtigen Leute aus Politik und Verwaltung an Land zu ziehen, um Einfluss auf die Politik zu nehmen.

    Seitenwechsler Nick Clegg: Vom britischen Vize-Premier zum Facebook-Lobbyisten

    „Es gibt viele Fälle von Seitenwechseln, zum Beispiel, wenn die Büroleiter eines Abgeordneten in die Wirtschaft gehen“, berichtet Briand. „Ihr Adressbuch bringen sie gleich mit.“ Gerade Facebook versteht es gut, Leute aus der Politik zu gewinnen: Nick Clegg, der frühere Vizepremier von Großbritannien, ist heute Leiter der Unternehmenskommunikation des sozialen Netzwerks. Man könnte auch sagen: Cheflobbyist.

    Das alles ist legal, aber problematisch, meint die Expertin – weil es die Ungleichheit im Politikbetrieb verschärft: „Gegen das immense Budget und die Macht von Facebook kommt eine kleine Initiative für mehr Datenschutz im Netz kaum an, die mit ehrenamtlichen Mitarbeitern arbeitet“, sagt Briand.

    Doch allmächtig ist Facebook nicht. Bei Justizministerin Barley blitzte Zuckerberg ab: „Mark Zuckerberg spricht seit einem Jahr viel über die Verantwortung von Facebook für Gesellschaft und Demokratie, doch zu spüren ist davon wenig“, meinte sie nach dem Treffen leicht verschnupft.

    Der Facebook-Chef scheint sich dagegen in Berlin wohlgefühlt zu haben: Auf Instagram stellte er ein Foto eines riesigen Wiener Schnitzels aus dem Café Einstein.

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