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Porträt: Deutsche-Bank-Chef John Cryan: Stößt der Sanierer an seine Grenzen?

Porträt

Deutsche-Bank-Chef John Cryan: Stößt der Sanierer an seine Grenzen?

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    John Cryan, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank.
    John Cryan, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank. Foto: Boris Roessler, dpa

    Wird über John Cryan geschrieben, kommt früher oder später sein Spitzname ins Spiel. „Mr. Grumpy“ wird der Chef der Deutschen Bank genannt. Herr Griesgram. Wer Cryan, 57, erlebt, ahnt, weshalb. Ein Lächeln kommt ihm selten über die Lippen, wenn er die Zahlen seines Instituts vorstellt. Auf seiner Stirn kann er beeindruckend tiefe Sorgenfalten ziehen. Der Brite gilt als Sanierer. Er hat eine weiche Stimme, gilt aber als hart in der Sache. Für die Deutsche Bank schien er genau der Richtige zu sein. Doch derzeit drängt sich der Eindruck auf, dass seine Arbeit nur zäh vorankommt.

    Cryan ist im Norden Englands geboren, in Harrogate, in der Grafschaft North Yorkshire. Seine Mutter starb in seiner Kindheit, der Vater arbeitete den Berichten nach als Jazzmusiker. In Cambridge studierte Cryan Physik, auch Kurse bei Stephen Hawking soll er besucht haben.

    Bekannt wurde Cryan als Sanierer der Schweizer Großbank UBS, die 2008 im Strudel der Finanzkrise in die Tiefe gerissen zu werden drohte. Er hatte großen Erfolg. Damit schien er wie geschaffen zu sein, um die von Affären und Skandalen geplagte Deutsche Bank auf Kurs zu bekommen. Im Juli 2015 trat er die Nachfolge des glücklosen Duos Jürgen Fitschen und Anshu Jain bei Deutschlands größtem Kreditinstitut an.

    John Cryan gilt als bodenständig

    Viel sprach für Cryan. Der Brite gilt als bodenständig, als hochintelligenter und messerscharfer Denker. Bisweilen mag sein britischer Humor ins Sarkastische umschlagen, dafür soll er Protz und Glamour verachten und stattdessen für Bankmanager eher abseitige Hobbys pflegen – die Liebe zu Opern und dem Gartenbau.

    Tatsächlich griff Cryan gleich zu Beginn hart durch. Er entschuldigte sich für Fehler der Deutschen Bank in der Vergangenheit (Stichwort Zinsmanipulation, Zockermentalität) und bezeichnete das Verhalten der Bank auf dem US-Immobilienmarkt als „inakzeptabel“. Cryan schmiss Altlasten aus den Büchern und nahm dafür im Geschäftsjahr 2015 einen Rekordverlust von 6,8 Milliarden Euro in Kauf.

    Fehlt John Cryan die Fantasie?

    Doch die Sanierung scheint zum Dauerzustand zu werden: 2016 folgte abermals ein Milliardenverlust, auch 2017 schloss die Bank im Minus – während sich die Händler wieder Milliardenboni gönnen. Wie lange mag die Geduld der Investoren noch reichen?

    Vielleicht ist das Problem, dass Cryan nicht als Mann großer, neuer Visionen gilt. Fehlt ihm die Fantasie, um Wege zu entdecken, die die Bank wieder auf Wachstumskurs bringen? Es soll ihm auch schwerfallen, das „Herz“ der Mitarbeiter zu erreichen. Begeisterung lässt sich damit nur schwer schaffen.

    Eigentlich stehen für die Nachfolge Cryans bereits zwei Kronprinzen bereit – Privatkundenchef Christian Sewing und Marcus Schenck, zuständig für die Unternehmens- und Investmentbank, aber auch von außen könnte ein Nachfolger kommen. Cryans Vertrag läuft bis 2020.

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