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Kommentar: Die bittere Wahrheit über den Zucker

Kommentar

Die bittere Wahrheit über den Zucker

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    Jeder Deutsche isst oder trinkt am Tag 93 Gramm Zucker. Das ist viel zu viel.
    Jeder Deutsche isst oder trinkt am Tag 93 Gramm Zucker. Das ist viel zu viel. Foto: Franziska Gabbert, dpa

    Zucker ist nicht das neue Heroin. Dieser Vergleich wird ja gerne bemüht, wenn es darum geht, wie gefährlich Zucker ist. Aber bevor alle Schokofans nun erleichtert in die nächste Tafel beißen: Das ist kein Freispruch. Zucker ist nur eher vergleichbar mit Alkohol als mit Heroin. Denn er macht zwar süchtig, aber nicht sofort krank. Das geht schleichend. Gefährlich wird es erst, wenn man zu viel zu sich nimmt.

    Jeder Deutsche isst am Tag 23 Zuckerwürfel zu viel

    Denn genau dieses Zuviel ist das Problem. Es gibt etliche Studien, die zeigen, dass zu viel Zucker zumindest zum Teil für Krankheiten wie Karies, Diabetes oder Fettleibigkeit verantwortlich ist. Und in Deutschland – wie auf der ganzen Welt – steigt die Zahl derer, die diese Krankheiten haben. Um das zu ändern, hat die Weltgesundheitsorganisation eine Richtlinie herausgegeben, wie viel Zucker am Tag in Ordnung ist. Sie besagt: Ein Erwachsener sollte täglich höchstens zehn Prozent seines Energiebedarfs durch Zucker decken – besser wären weniger als fünf Prozent. Geht man davon aus, dass ein Erwachsener am Tag 2000 Kalorien braucht, dann entsprächen fünf Prozent etwa 24 Gramm Zucker. Von dieser Empfehlung sind die Deutschen meilenweit entfernt: Am Tag isst – und trinkt – jeder Bürger im Schnitt 93 Gramm Zucker. Hier kommt wieder das Zuviel: Das sind täglich 23 Zuckerwürfel über der Empfehlung. Ein Grund dafür ist, dass sich Zucker in vielen Lebensmitteln versteckt, in denen man ihn nicht vermutet. In Essiggurken zum Beispiel.

    Politiker sprechen deshalb schon länger über Strategien, wie weniger Zucker ins Essen kommt – auch, weil Verbraucherschützer sie gedrängt haben. Aber Ernährungsministerin Julia Klöckner geht die Sache höchstens halbherzig an. Am Dienstag verkündete ihr Ministerium, es habe – großer Durchbruch – eine Rahmenvereinbarung mit den zuständigen Verbänden aus Lebensmittelindustrie und -handwerk getroffen. Darin geht es um eine Reduktions- und Innovationsstrategie, die Klöckner umsetzen will. Sie soll nicht nur den Zuckergehalt von Fertiglebensmitteln senken, sondern auch den Anteil von Fett und Salz reduzieren. Doch die Rahmenvereinbarung, auf die Klöckner so stolz ist, bewirkt bei genauerem Hinsehen wenig – zumindest für Verbraucher. Sie lässt den Betrieben freie Hand. Sie dürfen zum Beispiel, statt die Kalorienanzahl ihrer Produkte zu senken, einfach nur die Packungsgröße verkleinern. Was soll das bringen?

    Wer gesündere Lebensmittel will, muss klare Regeln schaffen

    Dabei gibt es viele Ideen, wie der Lebensmittelindustrie ein Abschied vom Zucker gelingen könnte. Diskutiert wird zum Beispiel eine Zuckerabgabe, die der Hersteller bezahlen muss. Wer also die Rezeptur seines Produkts verändert und weniger Zucker verwendet, hätte einen Vorteil. Ein anderer Vorschlag ist eine Lebensmittelampel, die Verbraucher sofort erkennen lässt, welche Produkte wie (un)gesund sind.

    Und es gibt Vorbilder. Großbritannien etwa hat gegen Widerstand eine Zuckersteuer auf Softdrinks eingeführt. Mexiko genauso. Damit bekämpfen sie ein Problem: Gerade Kinder trinken viel zu viel der zuckrigen Getränke.

    Nun ist es verständlich, dass ein Lebensmittelbetrieb nicht von sich aus weniger Zucker verwenden wird – zumindest nicht, solange die Konkurrenz alles lässt, wie es ist. Wenn sein Produkt nämlich plötzlich anders schmeckt, greift der Kunde zum gewohnten – süßeren – Erzeugnis der Konkurrenz.

    Deshalb hilft eine freiwillige Verpflichtung der Industrie, in der auch noch jede Branche selbst entscheiden kann, welche Maßnahme ihr am besten passt, überhaupt nichts. Es muss verbindliche Regeln geben. Auch wenn sie unbequem sind.

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