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Diesel-Affäre: Abgeschreckte Käufer: Diesel-Autos werden zum Ladenhüter

Diesel-Affäre

Abgeschreckte Käufer: Diesel-Autos werden zum Ladenhüter

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    Nicht nur bei den Händlern stehen Fahrzeuge teilweise sehr lange: VW hat am noch nicht eröffneten Flughafen BER in Schönefeld rund 8000 Stellplätze für nicht zugelassene Volkswagen gemietet.
    Nicht nur bei den Händlern stehen Fahrzeuge teilweise sehr lange: VW hat am noch nicht eröffneten Flughafen BER in Schönefeld rund 8000 Stellplätze für nicht zugelassene Volkswagen gemietet. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Abgasaffäre und Fahrverbote für Dieselfahrzeuge schrecken viele Kunden davon ab, ein Dieselauto zu kaufen: „Der Dieselverkauf steckt in einem großen Tief“, sagt Stefan Bratzel, Direktor des Autoinstituts an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Einer Umfrage der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) zufolge wollen 34 Prozent noch mit dem Autokauf warten. Der Hauptgrund ist die Diskussion um Fahrverbote.

    Im September hatten nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes nur knapp 30 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge einen Dieselantrieb. Im Vergleich zum Vorjahresmonat wurden knapp 44 Prozent weniger Diesel-Fahrzeuge zugelassen. „Das zeigt die Verunsicherung der Käufer“, sagt Bratzel. Im Zeitraum von Januar bis September sind die Neuzulassungen von Diesel-Fahrzeugen nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes um 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Bei Benzinern stiegen dagegen die Neuzulassungen im gleichen Zeitraum um 14 Prozent.

    Fahrverbote in Berlin: Auch Politiker zweifeln am Diesel-Kompromiss der Großen Koalition

    Auch politisch werden nach dem von einem Gericht angeordneten Fahrverbot in Berlin neue Zweifel am Diesel-Kompromiss der Koalition laut. Der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic hält die Diesel-Strategie der Koalition für „krachend gescheitert“ – wenn auch aus anderen Gründen. Der bundesweite Flickenteppich der Fahrverbote werde mit dem Urteil noch größer, weitere Fahrverbote seien absehbar, betonte Luksic gegenüber unserer Redaktion. „Die Koalition hat keinen Plan, um Fahrverbote und Wertverluste für die Diesel-Halter zu verhindern.“ Dass die Grünen für Berlin auch sofortige Fahrverbote für Euro-6-Diesel fordern, sei ein Angriff auf Millionen Diesel-Fahrer: „Wir brauchen daher dringend ein Moratorium und die Aussetzung der völlig übertriebenen Grenzwerte sowie eine kritische Überprüfung aller Messstellen in Deutschland, um den realitätsfernen Urteilen hierzulande die Grundlage zu entziehen.“

    Der CSU-Verkehrsexperte Ulrich Lange forderte Städte wie Berlin auf, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Fahrverbote zu verhindern: „Die Nachrüstung von Bussen, schweren Kommunalfahrzeugen und Handwerker- und Lieferfahrzeugen ist ein wichtiger Schritt, um die Werte in den Städten zu senken.“

    Die Fahrverbote werden die Luft in Berlin aus Sicht des Verkehrswissenschaftlers Gernot Sieg nicht sauberer machen. „Es ist anzunehmen, dass die Autofahrer andere Strecken nehmen, die nicht betroffen sind“, sagte der Professor der Uni Münster. Dadurch verlängerten sich Fahrten, und der Schadstoffausstoß insgesamt könne sogar leicht steigen. „An den Messstellen werden zwar die Grenzwerte erreicht, aber es wird einfach anders verteilt.“ Das Verwaltungsgericht Berlin hatte entschieden, dass in der Hauptstadt mindestens elf Straßenabschnitte für Diesel der Abgasnormen Euro 1 bis 5 gesperrt werden. Das könnte auch den Fuhrpark der Regierung betreffen, zu dem im April nach Angaben des Innenministeriums noch 200 Dieselfahrzeuge gehörten.

    Nur ein Dieselauto ist vergleichsweise sicher - der Euro 6d-temp

    Nicht nur der Fuhrpark der Regierung ist betroffen. Laut Experte Stefan Bratzel sind es momentan hauptsächlich Unternehmen, die neue Dieselfahrzeuge kaufen beziehungsweise leasen. Bei Privatkunden sei angesichts der aktuellen Urteile die Unsicherheit zu groß, nicht mehr in die Innenstädte fahren zu dürfen. So hatten Gerichte Fahrverbote in Hamburg und Stuttgart verhängt. Auch in Berlin könnte ein solches Fahrverbot bald kommen. „Aus Sicht der Käufer ist eigentlich nur der Diesel Euro 6d-temp vergleichsweise sicher“, meint Bratzel. „Von diesen Fahrzeugen gibt es aber noch nicht so viele.“

    Der Rückgang zeigt sich nicht nur bei Neuwagen, sondern auch bei gebrauchten Fahrzeugen. „Ältere Diesel können momentan nur mit Abschlägen verkauft werden“, sagt Branchenkenner Bratzel. Vor allem in Städten, in denen Fahrverbote absehbar sind, sei es sehr schwer, gebrauchte Dieselautos loszuwerden. Der Preisrückgang zeigt sich laut Bratzel aber auch in den anderen Regionen: „Dort zahlen die Händler beim Ankauf auch nicht mehr für ein Dieselfahrzeug.“

    Der problematische Rückgang der Dieselkäufe zeigt sich laut Bratzel auch daran, wie viele Tage die Autos bei den Händlern stehen. „Die Standtage der Dieselfahrzeuge sind höher als bei Benzinern“, sagt Bratzel. Dadurch verlieren die Autos auch an Wert. Laut dem Dieselbarometer des DAT stehen Dieselgebrauchtwagen durchschnittlich 103 Tage beim Autohändler. Bei Benzinautos sind es 80 Tage.

    Käufer im Ausland freuen sich über günstigere Diesel-Fahrzeuge

    Doch was passiert mit nicht verkauften Dieselfahrzeugen? Innerhalb eines Jahres stieg der Export gebrauchter Dieselautos um 20,5 Prozent. Das zeigt eine Sonderauswertung des Export-/Import-Seismografen (ESD/ISD) auf Grundlage von Daten des Statistischen Bundesamtes. „Käufer im Ausland freuen sich über die deutlich günstigeren Diesel-Fahrzeuge“, sagt Bratzel. Der Export ins Ausland sei oft die einzige Möglichkeit, um die Dieselautos überhaupt loszuwerden.

    Ältere Dieselfahrzeuge gehen vor allem in Ländern wie die Ukraine, Kroatien, Slowenien, Bulgarien, Rumänien. Die Exporte in die Ukraine stiegen um mehr als das Doppelte. Neuere Dieselautos werden dagegen vor allem nach Südeuropa exportiert. Ein starkes Wachstum gab es mit einem Plus von mehr als 30 Prozent bei Exporten nach Spanien und Frankreich.

    In Länder mit hohem Umweltbewusstsein werden Dieselfahrzeuge dagegen weniger verkauft. Der Export nach Norwegen ging 2017 um knapp 27 Prozent zurück.

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