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Interview: E-Auto-Beauftragter: "2040 fährt ein Drittel der Autos elektrisch"

Interview

E-Auto-Beauftragter: "2040 fährt ein Drittel der Autos elektrisch"

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    Noch verkaufen sich Elektroautos schleppend. Das soll sich ändern.
    Noch verkaufen sich Elektroautos schleppend. Das soll sich ändern. Foto: Hendrik Schmidt, dpa (Symbolbild)

    Herr Schwenk, wie viele Elektroautos rollen aktuell auf Bayerns Straßen?

    Johann Schwenk:Am 1. Januar 2018 waren es im Freistaat Bayern genau 12.953. Das entspricht übrigens rund einem Viertel aller rein batteriebetriebener Elektroautos in Deutschland. Damit liegt Bayern in der Bundesrepublik an der Spitze.

    Wie hoch ist dann der prozentuale Anteil an allen Pkw?

    Schwenk:Das sind etwa 0,15 Prozent in Bayern, in Deutschland gut 0,10 Prozent.

    Das ist ja noch ausbaufähig. Kann man heute einem Autofahrer, der sagen wir, im Bayerischen Wald oder im Allgäu lebt, guten Gewissens empfehlen, ein Elektroauto zu bestellen?

    Schwenk:Ich würde sagen, grundsätzlich kann man gerade jemandem, der in einer ländlichen Region lebt, ein Elektroauto empfehlen. Denn oft werden Autos dort für klar definierte Strecken genutzt, beispielsweise zum Pendeln. Und sie können bequem zu Hause geladen werden. Die Fahrer sparen sich damit den oftmals lästigen Weg an die Tankstelle und fahren vergleichsweise günstig.

    Schreitet denn der Ausbau des Ladenetzes schnell genug voran?

    Schwenk:Auch in urbanen Umgebungen funktioniert das Laden mittlerweile gut. In den Innenstädten gibt es immer mehr Schnellladestationen. Man sollte aber auch der Normalladung weiterhin hohe Priorität geben.

    Und, gibt es schon genug Schnellladestationen?

    Schwenk:Sowohl in Sachen Schnell- wie Normalladung wird es besser, aber natürlich ist die Infrastruktur noch ausbaufähig. Der Freistaat Bayern investiert in den Jahren 2017 und 2018 mehr als fünf Millionen Euro Fördermittel in den Aufbau von Ladeinfrastruktur bis 22 Kilowatt – das sind mehr als 1000 öffentlich zugängliche Ladesäulen. Und Bayern wird voraussichtlich auch 2019 und 2020 verstärkt investieren.

    Wie gehen Unternehmen mit Elektromobilität um? Registrieren Sie da schon die nötige Aufgeschlossenheit?

    Schwenk:Man merkt, dass das Thema immer mehr Fahrt aufnimmt. Das Interesse ist groß. Es gibt allerdings sowohl in Unternehmen als auch in Kommunen noch manche Unsicherheit. Nichtsdestotrotz gibt es in der Praxis immer mehr Anwendungen, die schon heute wirtschaftlich rentabel sind. Wichtig sind in diesem Zusammenhang der innerstädtische Wirtschafts- und Lieferverkehr und der ÖPNV, zum Beispiel elektrische Busse – ein weltweit wichtiger Zukunftsmarkt.

    Etwa ein Drittel unserer Energie stammt aus erneuerbaren Energiequellen, gut 50 Prozent noch aus fossilen Energieträgern, also vor allem Kohle. Noch gibt es also immer eine lebhafte Diskussion, wie viel Sinn es ergibt, angesichts dieses Strommixes schon jetzt auf Elektromobilität zu setzen. Was sagen Sie dazu?

    Schwenk:E-Mobilität hat nur Sinn, wenn sie ganzheitlich gedacht und gemacht wird. Das heißt, Mobilitäts- und Energiewende müssen Hand in Hand gehen. Die Versorgung der Elektroautos mit Strom aus erneuerbaren Quellen wird immer mehr Realität. Auf dem Weg in die nachhaltige Mobilität muss man schon jetzt in die Infrastruktur und entsprechende Fahrzeuge investieren.

    Glauben Sie, dass die Batterietechnik der Königsweg sein wird, wo doch die Akkus sehr energieintensiv in der Herstellung und schwer zu entsorgen sind?

    Schwenk:Ich denke, dass batteriebetriebene Elektrofahrzeuge sehr bald tauglich für den Massenmarkt sind. Im Moment liegt der Durchschnittspreis für Lithium-Ionen-Akkus für E-Fahrzeuge bereits unter 200 Dollar pro Kilowattstunde. Bis 2025 wird die magische Grenze von 100 Dollar unterschritten. In Sachen Batteriezellen ist Asien bekanntermaßen derzeit Marktführer. Es gibt Pläne für eine Fertigung auf europäischer Ebene. Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier hat gerade eben eine Batteriezellenfertigung für Deutschland angekündigt. Ja, ich glaube, dass die Batterietechnik der mögliche Königsweg ist. Aber es ist essenziell, sich mit nachhaltigen Herstellungsverfahren, Recycling und Second Life auseinanderzusetzen.

    Sind mit Wasserstoff betriebene Elektrofahrzeuge nicht eine bessere Möglichkeit?

    Schwenk:Es gibt mit Sicherheit auch hier interessante Einsatzzwecke für Elektromobilität. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob der Wasserstoff die Vorteile der Batterie in Summe aufwiegt.

    Alle Menschen rufen nach E-Autos, aber kaum einer kauft sie. Wie lässt sich dieses Dilemma lösen? Bräuchten wir von politischer Seite vielleicht noch mehr verkaufsfördernde Maßnahmen?

    Schwenk:Kauf-Prämien gibt es ja schon. Die werden allerdings noch nicht umfänglich genutzt, da bei möglichen Käufern noch eine gewisse Zurückhaltung besteht. Das hängt zum einen mit dem Preis, zum anderen mit der gefühlt zu geringen Reichweite der Fahrzeuge zusammen. Auch die Verfügbarkeit der Fahrzeuge ist noch nicht immer gegeben.

    „Ich denke, dass batteriebetriebene Elektrofahrzeuge sehr bald tauglich für den Massenmarkt sind“, sagt Johann Schwenk von Bayern Innovativ.
    „Ich denke, dass batteriebetriebene Elektrofahrzeuge sehr bald tauglich für den Massenmarkt sind“, sagt Johann Schwenk von Bayern Innovativ. Foto: Verena Kaister, Bayern Innovativ

    Also stimmt die Leistungsbilanz noch nicht?

    Schwenk:Es gibt inzwischen einige marktfähige und voll einsatzfähige E-Autos und die kommende Generation mit noch besseren Leistungszahlen steht bereits in den Startlöchern. Beim Thema Reichweite ist es ja auch so: Viele Menschen brauchen eigentlich kein Auto, das 600 Kilometer und mehr mit einer Tankfüllung fährt. 99 Prozent des Alltagsverkehrs kann man elektrisch zurücklegen.

    Das heißt, es müsste bessere Angebote geben, dieses Prozent anderweitig zu kompensieren, zum Beispiel wenn man im Auto in den Urlaub fahren will?

    Schwenk:Vielleicht, ja. Dieses Prozent kann man aber auch heute schon meistens mit Carsharing- oder Miet-Angeboten erfüllen oder die Strecke entspannt mit der Bahn zurücklegen. Die Probleme spielen sich oft im Kopf der Menschen ab. Wer sich rational mit dem Thema auseinandersetzt, weiß, dass schon mehr möglich ist. Die großen Hersteller machen nicht umsonst immer mehr in Richtung Mobilitätsdienstleistungen. Das klassische Verständnis, wie man von A nach B kommt, beginnt sich zu verändern.

    Hängt das auch mit der Digitalisierung zusammen?

    Schwenk:Genau. Man kann die verschiedenen Verkehrsträger ja schon heute übers Handy miteinander verknüpfen. Für den Weg zum Bahnhof nehme ich ein Carsharing-Auto, nach Berlin den ICE und da steige ich um auf ein elektrisches Fahrrad und radel zum Brandenburger Tor. Das klingt nicht nur cool, sondern ist es auch und funktioniert zudem reibungslos. Unsere Kinder werden bereits so sozialisiert. Immer online, wahnsinnig flexibel, mit teilweise komplett anderen Denkmustern. Digitalisierten Mobilitätsleistungen gehört die Zukunft. Viele junge, dynamische Unternehmen und Start-ups haben die Zeichen der Zeit erkannt. In Deutschland gibt es in Berlin und München eine innovative Szene, die noch mehr Drive in einen eh schon bewegten Markt bringt. Extrem spannend!

    Bis wann ist denn das so weit?

    Schwenk:Die Zukunft ist jetzt!

    Was halten Sie eigentlich von Diesel-Motoren? Braucht man sie in der Übergangszeit hin zu Autos mit Antrieben aus regenerativen Energien?

    Schwenk:Wir haben mit dem modernen Diesel eine ausgereifte Antriebsform und Technologie mit entsprechenden Einsatzzwecken. Diese jetzt generell zu verteufeln, ergibt ebenso wenig Sinn, wie alternative Antriebsformen als Allheilmittel unserer Verkehrsherausforderungen zu propagieren. Der Transformationsprozess sollte nüchtern und weniger polarisierend diskutiert werden.

    Haben die deutschen Hersteller ihren Rückstand bei Elektroautos aufgeholt?

    Schwenk: Aktuelle Studien von Forschungseinrichtungen und Beratungshäusern sehen deutsche Hersteller regelmäßig top platziert, insbesondere in Sachen Technologie. Einer sehr aktuellen Analyse zufolge ist beispielsweise der BMW i3 der innovativste Kleinwagen 2018. Ich denke also nicht, dass wir im internationalen Wettbewerb einen Rückstand bei Elektroautos haben.

    Ab wann, schätzen Sie, wird es in Bayern mehr E-Autos als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren geben?

    Schwenk: Für einen derartigen Ausblick mit absoluten Aussagen ist es wohl noch etwas zu früh. Nichtsdestotrotz, Langfristprognosen sehen den Anteil elektrischer verkaufter Autos im Jahr 2040 weltweit bei rund 35 Prozent. Mindestens genauso interessant: Bis dahin werden ungefähr 30 Prozent aller weltweit gefahrenen Kilometer elektrisch zurückgelegt. Ich gehe mal davon aus, dass das in Bayern alles etwas schneller geht. Wir bewegen uns in Sachen Mobilität jedenfalls in eine sehr spannende, elektrische Zukunft. 

    Zur Person: Johann Schwenk leitet die Kompetenzstelle Elektromobilität bei Bayern Innovativ, der Gesellschaft für Innovation, Technologie- und Wissenstransfer des Freistaats Bayern.

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