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Energiewende: Energieexpertin kritisiert Milliardenverschwendung beim Kohleausstieg

Energiewende

Energieexpertin kritisiert Milliardenverschwendung beim Kohleausstieg

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    Im Jahr 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland vom Netz gehen. Betroffen wäre auch diese Anlage im rheinischen Niederaußem.
    Im Jahr 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland vom Netz gehen. Betroffen wäre auch diese Anlage im rheinischen Niederaußem. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Beim Kohleausstieg kämpfen 30 Jahre nach der Wiedervereinigung Ost- und Westdeutschland gegeneinander. Es geht um Arbeitsplätze, Milliarden und den Klimaschutz, weshalb hart miteinander gerungen wird. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) muss als Schiedsrichterin einspringen, um den Konflikt irgendwie zu entschärfen. Sie bestellte für Mittwochabend die Ministerpräsidenten der vier Braunkohleländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen ins Kanzleramt. Sachsen-Anhalt wähnt sich von Nordrhein-Westfalen über den Tisch gezogen und blockiert eine Einigung.

    Egal, welche Lösung am Ende gefunden wird, kommt sie die Steuerzahler teuer zu stehen. Für die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat die Bundesregierung schon in der Vergangenheit den gewichtigen Fehler gemacht, der heute zu Buche schlägt. Schon vor 15 Jahren hätte sich Deutschland bei den europäischen Partnerländern für einen höheren Preis für die Kohlendioxid-Zertifikate starkmachen müssen, sagte Kemfert unserer Redaktion. Die Energieversorger wie RWE, ENBW, Uniper oder die Lausitzer Leag müssen pro Tonne CO2, die aus den Schornsteinen ihrer Kraftwerke in die Luft geschickt werden, ein Zertifikat über den europäischen Emissionshandel kaufen.

    Kemfert: "Den teuersten Weg gewählt"

    Weil der Preis lange Jahre so niedrig war, lohnte sich der Betrieb alter Kraftwerke. "So hat man den teuersten Weg gewählt und sich erpressbar gemacht – und muss nun Entschädigungszahlungen für Kraftwerke zahlen, die ohnehin kaum noch etwas wert sind", beklagte die DIW-Forscherin.

    Die Stromerzeuger bestehen nun auf ihrem Recht, ihre Kraftwerke laufen zu lassen. Sollen sie vorzeitig vom Netz genommen werden, müsse Geld fließen. Hier genau klemmt es. RWE hat sich bereit erklärt, gegen Kompensation rasch eigene Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier abzuschalten. Dafür soll das Unternehmen rund zwei Milliarden Euro erhalten, wie in Berlin zu erfahren ist.

    Die Bundesländer feilschen um die Kraftwerke

    Damit bis 2022 genügend Turbinen abgestellt werden, um den Klimaschutz zu stärken, soll nun auch in Ostdeutschland ein Kraftwerk dichtgemacht werden. Die Rede ist vom Kraftwerk Schkopau bei Halle. Seinen Brennstoff erhält es aus dem rund 50 Kilometer entfernten Braunkohletagebau Profen, der ohne den Abnehmer nicht mehr zu betreiben wäre. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) will das Aus für den Tagebau verhindern, an dem viele gut bezahlte Stellen hängen. Deshalb soll Schkopau weiterlaufen. Dafür legt sich Haseloff mit Nordrhein-Westfalen an. Der Grund: Die Hälfte des Kraftwerks gehört dem Energieversorger Uniper aus Düsseldorf. Der würde gerne sein neues Steinkohlekraftwerk Datteln ans Netz anschließen. Es wäre das letzte seiner Art, das hierzulande in Betrieb geht. Dafür, so beklagt Haseloff, soll Schkopau geopfert werden.

    Datteln hat Uniper bisher 1,5 Milliarden Euro gekostet. Für die Entschädigung, dass Datteln niemals angeworfen wird, reicht das Geld nicht. Denn mit den zwei Milliarden für RWE ist der Topf bereits ausgeschöpft. Das Feilschen geht nicht mehr auf. Neben Kemfert beklagt auch der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion die Verschwendung von Geld. "Durch den europäischen Emissionshandel wäre der Ausstieg automatisch, marktgetrieben und ohne den Einsatz von Steuermitteln, erfolgt", sagte Joachim Pfeiffer (CDU) unserer Redaktion. Die Abschaltung von Kraftwerken müsse volkswirtschaftlich sinnvoll erfolgen.

    Fördermittel nur für zukunftsträchtige Stellen

    Am Krach um Kraftwerke hängt ein noch viel größerer Batzen Geld. Über 20 Jahre sollen die vier Kohleländer insgesamt 40 Milliarden Euro von der Bundesregierung bekommen, um für Ersatzarbeitsplätze in den Revieren zu sorgen. Claudia Kemfert befürchtet, dass ähnlich wie im Ruhrgebiet viel Geld ohne Effekt versickert. "Milliarden mit der Gießkanne zu verteilen, ist rausgeschmissenes Geld", warnte sie. Fördermittel sollte es nur für einzelne Projekte geben, die zukunftsträchtige Stellen versprechen.

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