
Warum der Bitcoin dem Dax auf der Rekordjagd folgt

Plus Wer vor einem Jahr in Bitcoin investierte, kann sich nun über sagenhafte Renditen freuen. Ist Bitcoin eine Option für Bankkunden, die sich über Negativzinsen ärgern?

Von so einer Rendite können Sparer nur träumen: Von gut 8000 Dollar Anfang Januar 2020 hat sich der Kurs der Digitalwährung Bitcoin binnen eines Jahres beinahe verfünffacht, auf mittlerweile rund 38.000 Dollar. Am Donnerstag waren alle sogenannten Kryptowährungen zusammen, von denen es längst mehrere tausend gibt, erstmals über eine Billion Dollar wert. Das errechnete das einschlägige Marktportal Coinmarketcap mit Bezug auf 8200 Digitalwährungen. Doch die erste von ihnen, der Bitcoin, hat nach wie vor einen Marktanteil von fast 70 Prozent.
Die Gründe für seinen Aufstieg sind vielfältig, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank in Frankfurt. Das gilt allerdings auch für die Risiken, die Anleger mit einem Investment in Bitcoins eingehen. „Der Kursanstieg wird stark von einem wachsenden Misstrauen in das existierende Geld- und Währungssystem getragen“, sagt Kater.
Aber auch die Angst vor einer künftig steigenden Inflation und der große Anlagenotstand spielten eine Rolle. Insofern sieht Kater den Aufstieg der Digitalwährung durchaus als Reaktion auf die Corona-Krise und die massiven Stützungsaktionen von Politik und Zentralbanken für die taumelnde Weltwirtschaft. Diese Erklärung stützt, dass der Kurs nach den Unruhen in und um das Capitol in Washington weiter stieg.
Die Zahl der Bitcoins ist begrenzt
Selbst wenn die meisten Anleger nur relativ kleine Summen in Bitcoin anlegten – sei es aus Neugierde oder zur Spekulation –, könnten so weltweit schnell riesige Summen zusammenkommen. Die Menge an Bitcoins ist aber auf rund 21 Millionen Stück begrenzt. „Da braucht es nicht viel, um den Preis in die Höhe zu treiben“, erklärt Kater.
Dazu gehört aber auch, wie so oft an den Finanzmärkten, eine große Portion Psychologie. Denn rational ist es nicht ohne weiteres zu erklären, warum Menschen an die Wertbeständigkeit ein vollkommen unregulierten Digitalwährung glauben, hinter der keine staatliche Zentralbank steht und bei der Anleger gegen niemanden Ansprüche geltend machen können, wenn sie Bitcoins in reale Währungen umtauschen wollen.

Die Bundesbank weigert sich darum auch konsequent, den Begriff Digitalwährung auf Bitcoin und Co. anzuwenden. In einem Fachartikel zum Thema spricht Vorstandsmitglied Burkhard Balz lieber etwas umständlich von „Krypto-Token“ und warnt vor großen Risiken – etwa, dass die versprochene Begrenzung des Angebots jederzeit aufgehoben werden könnte. Der Bitcoin-Kurs würde in der Folge wohl steil nach unten gehen.
Die Attraktivität von Kryptowährungen könnte sinken
Das Risiko unvorhersehbarer Regeländerungen, für die niemand haftbar gemacht werden kann, sieht auch Deka-Experte Kater. Dennoch rechnet er noch für eine Weile mit steigenden Kursen. „Jeder, der von der Kursentwicklung profitieren will, muss aber wissen, dass die Entwicklung wohl weiter sehr sprunghaft erfolgen wird. Ich rechne mit rasanten Aufstiegen, rasanten Rückgängen, gefolgt von neuen Höchstständen.“
Sollte sich in einigen Jahren bewahrheiten, dass jene Ökonomen recht hatten, die keine Probleme durch das massive Anwachsen der Geldmenge während der Krise erwarten, und sollte auch die Inflation unter Kontrolle bleiben, dürfte auch das Vertrauen in das Finanz- und Währungssystem wieder steigen – und die Attraktivität der Kryptowährungen sinken.
Kater sieht bei Digitalwährungen gewisse Analogien zum Kunstmarkt, auf dem längst aberwitzige Summen investiert werden. „Auch dort können sich Moden und Geschmäcker ändern. Wenn Impressionisten plötzlich weniger gefragt sind, sinken deren Preise.“ Nur dass der Preisverfall bei Bitcoin und Co. mitunter sehr plötzlich einsetzt – im Frühjahr 2020 lag der Bitcoin auch schon bei 4000 Euro.
Der Anlagenotstand trifft längst auch Privathaushalte
Als Zahlungsmittel ist er daher kaum akzeptiert, auch wenn Paypal mittlerweile Zahlungen über Bitcoin abwickelt. Die Frage ist, ob er langfristig zur Geldanlage taugt. Denn nicht nur institutionelle Anleger suchen verzweifelt einen Hafen für ihr Geld – wie die immer neuen Rekorde an den Börsen zeigen: Der Dax hat am Donnerstag erstmals die Marke von 14.000 Punkten übersprungen.

Nach vorläufigen Berechnungen der DZ-Bank wuchs das Geldvermögen privater Haushalt im Krisenjahr 2020 um 5,9 Prozent auf 7,1 Billionen Euro. Parallel dazu schoß die Sparquote nach den Schätzungen der Bank wohl auf einen neuen Rekordwert von 16 Prozent. Im Vergleich zu 2019 legten die Privathaushalte demnach über 100 Milliarden Euro mehr zurück. Der größte Teil davon blieb aber wohl schlicht auf Girokonten stehen.
Inzwischen sind laut DZ-Bank über 28 Prozent des gesamten Geldvermögens – also rund 2 Billionen Euro – dauerhaft „zwischengeparkt“, vorwiegend in Form von Sichteinlagen – Negativzinsen bei immer mehr Banken zum Trotz. Wäre es da nicht verlockend, zumindest etwas davon in Digitalwährungen zu investieren?
Bitcoin und Co: Ob die Plattformen einer Krise standhalten, ist offen
Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater bremst die Erwartungen: „Der Prozess ist nicht ganz trivial, aber jeder, der will, dürfte sich Bitcoins beschaffen können. Aber die Frage, ob die Handelsplattformen auch funktionieren, wenn plötzlich viele verkaufen wollen und man seine Bitcoins loswerden möchte, ist offen.“
Inzwischen gäbe es zwar auch erste Banken, die Anlagen in Form von Kryptowährungen anbieten. Dies seien aber absolute Nischenprodukte. Grundsätzlich erwartet der Experte dennoch, dass digitale Währungen – wenn auch nicht unbedingt der Bitcoin – eine größere Bedeutung bekommen. Allerdings würden dabei wohl die Notenbanken als staatliche Emittenten des Geldes die vorherrschende Rolle spielen.
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