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Athen: Griechenland-Krise: Wie soll das nur enden?

Athen

Griechenland-Krise: Wie soll das nur enden?

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    Klar ist: Die Zeit für die neue griechische Regierung wird knapp. Denn Ende Februar schließt sich der bisherige Rettungsschirm.
    Klar ist: Die Zeit für die neue griechische Regierung wird knapp. Denn Ende Februar schließt sich der bisherige Rettungsschirm. Foto: Patrick Pleul (dpa)

    Das Angebot der Euro-Gruppe war eigentlich verlockend: Gut 18 Milliarden Euro von den Partnern, um die nächsten Monate zu überstehen. Dafür hätte Athen allerdings zusagen müssen, das laufende Reformprogramm weiter durchzuziehen. Premierminister Alexis Tsipras sagte Nein.

    Und nun: Knicken die Griechen doch noch ein? Gibt es eine neue Hinhalte-Taktik? Oder riskiert die Regierung tatsächlich den ganz großen Krach? Gestern provozierte der Premier die Gläubiger mit der Ankündigung, mittellosen Privatleuten und Firmen einen Großteil der Schulden zu erlassen.

    Tsipras: Neuer Antrag auf weitere Finanzhilfen?

    Nach Angaben aus Athen soll heute ein Antrag auf weitere Finanzhilfen bei Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem eingehen. Sollte die Regierung in Athen nicht zu Spar- und Reformauflagen stehen, werde dieser Antrag aber wertlos sein, lautete das Credo der Geldgeber. Tsipras wiederum macht die Auflagen der Geldgeber für die soziale Misere im Land verantwortlich. Klar ist nur: Ende Februar schließt sich der bisherige Rettungsschirm der Euro-Partner. Was dann passiert? Vier Szenarien:

    1. Athen lenkt ein

    Wenn Griechenland das Angebot der Euro-Gruppe annimmt, können bis zu 18 Milliarden Euro in den nächsten sechs Monaten fließen. Dabei handelt es sich um 5,4 Milliarden noch nicht ausgezahlter Kredite aus dem zweiten Hilfspaket, 1,8 Milliarden Euro von der Europäischen Zentralbank (EZB) aus dem Verkauf von Staatsanleihen sowie weitere 10,9 Milliarden, die eigentlich für die griechischen Banken reserviert waren.

    Innerhalb der sechs Monate müssten Athen und die Euro-Partner dann eine neue Vereinbarung über den Fortgang der Sanierung schaffen.

    Griechenland - Zehn Fakten zum Krisenland

    Griechenland, die Hellenische Republik, heißt im Griechischen Elláda (Ελλάδα).

    Das Land am Mittelmeer ist eine Parlamentarische Republik.

    Auf 131.957 Quadratkilometern leben knapp 11 Millionen Menschen.

    Die Nationalfeiertage der Griechen sind am 25. März und 28. Oktober.

    Das Kfz-Kennzeichen ist GR, die Internet-TLD .gr und die Telefonvorwahl +30.

    Die Hauptstadt Griechenlands ist Athen. Die weiteren größten Städte sind: Thessaloniki, Piraeus und Patrai.

    Staatsreligion in Griechenland ist das Orthodoxe Christentum. Etwa 97 Prozent aller Griechen sind orthodox.

    Griechenland grenzt an Albanien, Mazedonien, Bulgarien und die Türkei, das als Erzfeind des Landes gilt.

    Griechenland ist seit Jahren wegen der Euro-Krise in den Schlagzeilen. Dem Land bekam einen Schuldenschnitt.

    Griechenland gehört zur Europäischen Union und hat den Euro als Währung.

    Vorteil: Athen würde vor der Staatspleite bewahrt. Denn in den nächsten Wochen werden bereits erste Verbindlichkeiten fällig. Allerdings müssten Tsipras und seine Koalition den Griechen klarmachen, dass auch die ungeliebten Reformen erst einmal weitergehen. Dies wäre aber vielleicht nur eine Übergangsphase. Denn Ende 2014 klangen die Daten aus Athen eigentlich positiv: Zum ersten Mal seit sechs Jahren wuchs die Wirtschaft, der Staat erwirtschaftete einen Primärüberschuss, der Haushalt war ausgeglichen, die Prognosen zeigten nach oben.

    2. Die Euro-Gruppe lenkt ein

    Es ist das wohl unwahrscheinlichste Szenario, weil es bedeuten würde, dass die Euro-Gruppe zwar weitere Hilfen zahlt, aber auf Reformen verzichtet, damit die neue griechische Koalition ihre Ankündigungen wahr machen kann, Renten und Mindestlöhne anzuheben und tausende entlassener Staatsdiener wieder einzustellen.

    Außerdem gilt es als völlig ausgeschlossen, dass die übrigen 18 Euro-Länder einem Schuldenschnitt zustimmen, der bedeuten würde, dass die Hilfsgelder weg wären. Allein Deutschland müsste in diesem Fall 65 Milliarden Euro abschreiben. Diese Variante steht also nicht zur Diskussion.

    Griechenland: Geht Athen das Geld aus?

    Chronologie: Die Finanz-Krise in Griechenland

    16. Dezember 2009 Ratingagenturen stufen Griechenlands Kreditwürdigkeit herab. Die Diskussion um Griechenland nimmt Fahrt auf: Spekulationen über eine Staatspleite beginnen, das Land muss zunehmend höhere Zinsen am Kapitalmarkt zahlen.

    25. März 2010 Die Lage spitzt sich zu: Die Euro-Länder sagen Athen vorsorglich ein Hilfspaket unter Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu.

    23. April 2010 Griechenland droht akut die Insolvenz. Das Hilfsprogramm wird offiziell beantragt.

    2. Mai 2010 Die Eurogruppe beschließt Notkredite von 110 Milliarden Euro für Athen und verlangt im Gegenzug einen harten Sparkurs. Die Hilfen kommen nicht aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF, der erst später unter dem Eindruck der eskalierenden Schuldenkrise im Euroraum aufgespannt wird.

    10. Mai 2010 Um die Schuldenkrise einzudämmen, einigen sich die EU-Finanzminister auf einen 750 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm (EFSF) für pleitebedrohte Mitglieder.

    16. Dezember 2010 Der EU-Gipfel beschließt das Aufspannen eines permanenten Rettungsschirms (ESM) für die Zeit ab 2013. Später wird der Start auf 2012 vorgezogen. Er soll mit 500 Milliarden Euro an verfügbaren Mitteln ausgestattet werden. Mittlerweile wird eine Ausweitung diskutiert.

    25. März 2011 Ein EU-Gipfel verabschiedet ein Gesamtpakt zur Überwindung der Schuldenkrise. Dazu gehören der permanente Rettungsschirm, eine Schärfung des Stabilitätspakts und ein neuer «Euro-Pakt-Plus», mit dem sich die Regierungschefs zu Strukturreformen verpflichten.

    29. Juni 2011 Das griechische Parlament nimmt ein radikales Sparpaket der Regierung an - Voraussetzung für eine Teilzahlung aus dem Hilfspaket. Ohne die Hilfe wäre das Land zahlungsunfähig geworden.

    21. Juli 2011 Auf einem Sondergipfel einigt sich die EU auf ein neues Griechenland-Rettungsprogramm im Volumen von 109 Milliarden Euro. Das Programm wird so nie in die Tat umgesetzt und später deutlich nachgebessert.

    27. Oktober 2011 Die Euro-Länder und Banken einigen sich auf einen Schuldenschnitt von 50 Prozent für Griechenland und ein neues 130-Milliarden-Euro-Paket für Athen. Im Gegenzug gibt es neue harte Sparauflagen für Athen, die im Land zunehmend Proteste und Streiks provozieren.

    10. November 2011 Lucas Papademos, der ehemalige Vize-Präsident der Europäischen Zentralbank, löst Giorgios Papandreou als Regierungschef ab. Er führt eine Übergangsregierung, die die drakonischen Sparmaßnahmen auf den Weg bringen soll. Ohne die kann weder frisches Geld fließen - noch das neue Hilfspaket aktiviert werden.

    30. Januar 2012 Auf dem EU-Gipfel in Brüssel einigen sich die Staats- und Regierungschefs auf einen Fiskalpakt mit Schuldenbremsen und automatischen Sanktionen.

    12. Februar 2012 Das griechische Parlament billigt das einschneidende Sparpaket, das nach Forderung der internationalen Geldgeber mehrfach verschärft werden muss.

    21. Februar 2012 Die Länder der Eurozone geben grünes Licht für das 130-Milliarden-Hilfspaket. Voraussetzung für eine endgültige Freigabe ist aber ein Erfolg des Schuldenschnittes.

    9. März 2012 Mit der größten Staatsumschuldung aller Zeiten verschafft sich Griechenland Luft im Dauerkampf gegen die Pleite. Nach bangen Monaten mit langwierigen Verhandlungen meldet Athen eine breite Beteiligung am Schuldenschnitt, der das Land um mehr als 100 Milliarden Euro entlasten wird. Die Euro-Finanzminister geben umgehend einen Teil des neuen 130-Milliarden-Hilfspakets frei.

    6. Mai 2012: Die Parlamentswahlen in Griechenland finden statt. Die Parteien können sich auf keine Regierungskoalition einigen.

    17. Juni 2012: Nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen wird wieder in Griechenland gewählt. Sollte keine stabile und euro-freundliche Regierung zustande kommen, droht nach Expertenmeinung das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro.

    3. Es gibt keinen Kompromiss

    Viele Beobachter halten es für denkbar, dass Athen sich weiter einem Kompromiss verweigert, weil man glaubt, die Euro-Gruppe werde das Land schon nicht fallenlassen. Das könnte ein folgenschwerer Irrtum sein. In diesem Szenario geht Athen bereits in den nächsten Wochen das Geld aus. Einige Finanzexperten halten es für möglich, dass man sich mithilfe der Einnahmen aus kurzfristigen Staatsanleihen (T-Bills) noch bis Mitte des Jahres über Wasser hält. Dann aber ist endgültig Schluss. Die EZB hilft nicht mehr, weil sie Athener Staatsanleihen seit dem 18. Februar nicht mehr als Sicherheiten akzeptiert. Die Schwierigkeiten werden noch dadurch vergrößert, dass die Geldinstitute täglich Geld verlieren. Denn Sparer heben ihre Einlagen ab und schaffen sie außer Landes.

    4.

    Kein Schuldenschnitt, kein frisches Geld, keine Reformen – und parallel dazu das Ausbluten der griechischen Banken. In diesem Fall wäre ein Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone nicht mehr zu verantworten. Was dann folgt, wollen viele nicht wahrhaben. Wahrscheinlich müsste die Regierung tagelang die Banken schließen, um weitere Abhebungen und Kapitalflucht zu stoppen. Wenn die Schalter wieder öffnen, gibt es nur noch gestempelte Euro-Scheine zum Wert der neuen Drachme, die Finanzfachleute bei einem Wert von 25 Cent zu einem Euro sehen.

    Mögliche Lösungen zur Griechenland-Rettung

    - «WEICHE» UMSCHULDUNG: Bei diesem Konzept sollen hochriskante griechische Staatsanleihen durch abgesicherte Anleihen mit einer verlängerten Laufzeit ersetzt werden. Griechenland müsste seine Schulden also erst später zurückzahlen. Experten befürworten die Lösung, weil sie die Folgen für die Investoren abmildert. Der Wirtschaftsweise Lars Feld hält dagegen: «Das Ziel, Griechenland einen Silberstreifen am Horizont zu verschaffen, würde damit nicht erreicht.» Denkbar wäre zusätzlich ein Abschlag auf den Nennwert der Staatsanleihen.

    - SCHULDENSCHNITT: Bei dieser unter den Euro-Chefs umstrittenen «haircut»-Lösung müssen alle Gläubiger Griechenlands auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Viele Experten halten dieses Szenario für unausweichlich, weil Griechenland seine Schulden nicht mehr schultern kann. Bundesbank-Chef Jens Weidmann lehnt den Schnitt ab, weil Griechenland zu wenig erwirtschaftet und ein hohes Haushaltsdefizit aufweist. Experten zufolge müsste sich der Abschlag vom Nominalwert der Anleihen am gegenwärtigen Marktwert orientieren - Ökonomen halten 40 bis 50 Prozent für vorstellbar. Womöglich wären in der Folge milliardenschwere Hilfen für das griechische Bankensystem sowie ein Notprogramm auch für Irland und Portugal nötig.

    - EUROBONDS: Nach diesem Konzept nehmen alle Länder der Eurozone zusammen Kredite zu einem einheitlichen Zinssatz auf. Bisher muss sich jedes Land selbst darum kümmern, Geld von den Finanzmärkten zu bekommen - zu unterschiedlich hohen Zinssätzen. Für Griechenland bedeutete dies frisches Kapital zu wesentlich niedrigeren Zinsen als bisher. Wegen der schlechten Bewertung seiner Bonität durch die Ratingagenturen konnte sich das Land de facto kein Geld mehr leihen. Länder mit einem bislang guten Rating - wie Deutschland - müssten bei den Eurobonds allerdings deutlich höhere Zinsen hinnehmen. Finanzexperten befürchten, jedes Land müsse dann für die Staatsverschuldung anderer mithaften. Experten sehen zudem verfassungsrechtliche Probleme.

    - RÜCKKAUF EIGENER STAATSANLEIHEN: Weil griechische Staatsanleihen derzeit teils nur noch mit 50 Prozent ihres Nennwerts gehandelt werden, könnte Griechenland seine Anleihen entsprechend günstiger zurückkaufen. Dafür wären aber gewaltige Geldsummen nötig, die etwa der Rettungsfonds EFSF zur Verfügung stellen müsste. Sollten Gläubiger darauf eingehen, wäre auch das eine Art Schuldenerlass. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» könnte Griechenland damit laut Berechnungen des Bundesfinanzministeriums seine Staatsschulden um 20 Milliarden Euro senken.

    Soziale Unruhen wären die Folge, weil es zu einem Armutsschock käme, da die vorhandenen Bestände mit einem Schlag bis zu drei Viertel ihres Wertes verlören. Ausländische Investoren würden abziehen und Teile der Euro-Zone erschüttert, weil sie Milliarden-Beteiligungen abschreiben müssten. Dennoch käme die Währungsunion nicht daran vorbei, aus humanitären Gründen ein Hilfsprogramm für die Menschen aufzulegen, die ihrerseits nunmehr die Regierung Tsipras hinwegfegen dürften. Denn die enttäuschten Wähler wollten zwar einen anderen Umgang mit ihren Schulden, aber nicht den Fall aus dem Euro-Raum. Ob die Erschütterungen auf Griechenland begrenzt blieben oder auf Italien und Spanien übergreifen, ist ungewiss. mit dpa

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