
Wie verändert sich unsere Arbeit in Zeiten der Digitalisierung?


Das Wort Digitalisierung ist für viele mit Sorgen verbunden. Arbeitswissenschaftler Bernd Dworschak erklärt, warum er die Ängste für unbegründet hält.
Herr Dworschak, wenn Sie zehn Jahre in die Zukunft blicken, was ist in der Arbeitswelt noch so wie heute?
Bernd Dworschak: Ich bin kein Prophet. Aber die Dinge ändern sich weniger schnell, als wir vermuten. Wenn wir zurückschauen, was sich in den vergangenen zehn Jahren verändert hat, ist das ein zentraler Aspekt: die mobilen Endgeräte. Das iPhone ist 2007 auf den Markt gekommen. Das hat unsere Arbeit stark verändert. Aber in vielen anderen Dingen arbeiten wir wie vor zehn Jahren. Und manches wird gleich wichtig bleiben. Zum Beispiel die Erfahrung von Mitarbeitern. Dazu kommen Kreativität, Spontanität und Problemlösungsfähigkeiten. Das hat der Mensch den Maschinen noch voraus.
Und was wird sich in den nächsten zehn Jahren auf jeden Fall verändern?
Dworschak: Ich glaube, wir werden anders zusammenarbeiten. Die Arbeit wird zeitlich flexibler. Wir werden örtlich weniger gebunden sein. Die technischen Möglichkeiten haben sich so verbessert, dass man virtuell besser zusammenarbeiten kann – etwa in Video-Konferenzen. Das reicht bis zum Bewegen in virtuellen Räumen. Diese Technologien sind schon relativ ausgereift und auf dem Weg in die Unternehmen oder schon da.
Beim Schlagwort Digitalisierung haben viele Menschen Sorgen, etwa wenn es um die Frage geht, ob Jobs abgebaut werden. Sind solche Ängste begründet?
Dworschak: Die Antwort ist ein klares Jein. Wenn man in die Vergangenheit schaut, ist es nicht das erste Mal, dass wir solche Veränderungen erleben. Vor 20, 30 Jahren hieß es schon mal, die Computer nehmen uns die Arbeit weg. In Deutschland ist das Gegenteil eingetreten. Außerdem sind wir in Deutschland bezogen auf das Bildungs- und Ausbildungssystem gut aufgestellt. Wir haben sehr gute Chancen.

Also sind die Sorgen unbegründet?
Dworschak: In manchen Bereichen sind die Sorgen berechtigt. Es war in jeder Rationalisierungswelle so, dass Stellen weggefallen sind. Jetzt betrifft es Jobs, die viel Routine und einfache Sachaufgaben beinhalten. Die lassen sich leicht automatisieren. Die Unternehmen sagen offen, dass in manchen Bereichen Arbeitsplätze wegfallen werden.
In welchen?
Dworschak: Die Transformation zur Elektromobilität wird Arbeitsplätze kosten. Weil weniger Teile hergestellt werden müssen als für einen Verbrennungsmotor. Wir sehen diese Entwicklung auch bei Versicherungen oder Banken. Dort bauen Unternehmen schon seit langem Arbeitsplätze ab, weil sie Routinetätigkeiten etwa in der Sachbearbeitung digitalisieren. Die Frage, die sich stellt, ist, welche Alternativen die Unternehmen ihren Beschäftigten anbieten können.

Und was könnte das sein?
Dworschak: In kundenorientierten Branchen können Mitarbeiter mehr in der Kundenberatung arbeiten. Für die Mitarbeiter und die Kunden ist es ein Gewinn, wenn Zeit für anderes bleibt. In der Pflege wäre das auch ein wünschenswerter Effekt. Es muss aber darauf geachtet werden, dass die neue Aufgabe kreative, problemlösende Aspekte beinhaltet, sonst ist der Job in der nächsten Runde der Digitalisierung wieder bedroht.
Das hört sich an, als fielen der Digitalisierung vor allem Tätigkeiten zum Opfer, die weniger gebildete Menschen ausüben. Sind diese Menschen die Verlierer der Digitalisierung?
Dworschak: Diese Menschen kommen in jeder Rationalisierungswelle unter Druck. Ein besseres Bildungsniveau schützt vor Arbeitslosigkeit. Aber es ist nicht so, dass alle Helferjobs wegfallen. In vielen Bereichen lohnt sich Digitalisierung etwa nicht, da der Mensch schneller ist. Das ließe sich nur mit großem Aufwand und hohen Investitionen automatisieren. Aber das Ganze hat noch einen anderen Aspekt. Durch die Digitalisierung gibt es die Möglichkeit, mit Assistenzsystemen auch Bildungsferne anzuleiten, ohne deren Arbeit zu ersetzen.
Der Arbeitgeber müsste also aus sozialen Gründen sagen: Ich lasse die Maschinen nicht alles tun, was sie könnten, damit ich weiter alle Gruppen beschäftigen kann. Aber würde er das nicht nur dann tun, wenn sich eine Digitalisierung für ihn nicht lohnt?
Dworschak: Klar, wenn es sich nicht lohnt, dann machen es die Unternehmen nicht. Aber man muss das auch gesamtgesellschaftlich betrachten und die Frage stellen: Wie wollen wir Arbeit und Gesellschaft in Zukunft organisieren? Und da müssen Unternehmen, Wissenschaft und Sozialpartner verhandeln und entscheiden, wie solche Assistenzsysteme gestaltet werden sollen. Denn die sollen zum einen produktiv sein und dem Unternehmen etwas nutzen, gleichzeitig aber auch Kompetenzen von Beschäftigten erhalten und nicht nur entwerten. Das ist wichtig. Denn in der Arbeitswissenschaft gilt: Das schlimmste Arbeitssystem ist das, in dem es nichts zu lernen gibt. In dem es kaum Anforderungen gibt und keine Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln. Da werden Kompetenzen nicht erhalten, sondern abgebaut.
Welche Fähigkeiten sind aus Ihrer Sicht notwendig, damit Beschäftigte die Anforderungen der Digitalisierung meistern können?
Dworschak: Das ist schwierig zu beantworten, aber es gibt ein paar allgemeine Aussagen. Kommunikations- und Kollaborationskompetenz etwa. Das betrifft den Umgang mit Kollegen, aber auch den Umgang mit Assistenzsystemen. Wie arbeitet man mit denen, wie kann man ihre Vorteile für sich nutzen? Dazu kommt Entscheidungskompetenz. Sie ist vor allem im Bereich der Industrie 4.0 wichtig, wo Arbeitnehmer in der Lage sein müssen, Entscheidungen zu treffen auf Grundlage von ihrem Wissen. Und in der Industrie 4.0 ist auch Prozess- oder Systemkompetenz wichtig. Das heißt, man muss in den Grundzügen verstehen, wie Prozesse und System funktioniert, sonst kann man nicht eingreifen.
Wie können Unternehmen denn jetzt schon ihre Mitarbeiter vorbereiten, wo noch nicht klar ist, welche Technologie sich durchsetzt?
Dworschak: Jedes Unternehmen muss sich fragen: Wo wollen wir hin, welche Technologien spielen dabei eine Rolle und was bedeutet das für uns? Dann müssen Unternehmen – und das machen viel zu wenige – systematische Kompetenzanalysen betreiben. Das heißt, sie müssen herausfinden, welche Kompetenzen sie brauchen, welche Kompetenzen sie schon haben und welche sie entwickeln müssen.
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