Von Rudi Wais Berlin - Obwohl der angeschlagene Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate bereits mehr als 100 Milliarden Euro an Kapitalhilfen und staatlichen Bürgschaften erhalten hat, ist die Münchner Bank noch nicht über dem Berg. Um das Geld der Steuerzahler zu retten, plant Finanzminister Peer Steinbrück jetzt die Enteignung des Instituts - ein Schritt, der bislang ohne Beispiel ist.
Die Ausgangslage: Die führenden Industrieländer haben sich darauf verständigt, nach der Pleite des amerikanischen Investmenthauses Lehman keine wichtige Bank mehr pleitegehen zu lassen. Da die HRE vor dem Zusammenbruch steht, muss die Bundesregierung diese Zusage nun einlösen. Das sogenannte Rettungsübernahmegesetz, das das Kabinett gestern beschlossen hat, liefert die Grundlage für eine rasche
Die Enteignung: Unter anderem verkürzt es die Einberufungsfrist für eine Aktionärsversammlung von 37 Werktagen auf nur einen Tag.
Die Pläne des Bundes: Bei der für Anfang April geplanten Hauptversammlung der HRE will der Bund mithilfe einer Kapitalerhöhung in noch unbekannter Höhe bis zu 95 Prozent der Anteile an der HRE übernehmen.
Sollte sich der amerikanische Großaktionär Christopher Flowers, der 25 Prozent an der Bank hält, diesem Schritt widersetzen, will Steinbrück die Aktionäre per Rechtsverordnung enteignen. Dieses Verfahren muss spätestens Ende Juni beginnen und Ende Oktober abgeschlossen sein. Als Entschädigung wird der Bund den durchschnittlichen Kurs der letzten 14 Tage vor der Enteignung bezahlen.
Das wären im Moment etwa 270 Millionen Euro - so viel ist die HRE an der Börse noch wert. Nach einer erfolgreichen Sanierung der Bank sollen die Altaktionäre eine Art Vorkaufsrecht erhalten.
Die Vorteile: Durch die Kapitalerhöhung bekommt die marode Bank nicht nur frisches Eigenkapital, mit dem Bund als Eigentümer im Rücken könnte sie auch zu deutlich günstigeren Konditionen Kredite aufnehmen.
Der Hintergrund: Der Staat gilt als solider, verlässlicher Schuldner. Im Moment jedoch bekommt die HRE Kredite, wenn überhaupt, nur mit teuren Risikoaufschlägen
Die Risiken: Selbst Steinbrück sagt: "Ich weiß nicht, wie die Bank in einem Jahr aussieht." Dass die Finanzkrise auch nach einer Enteignung noch lange nicht ausgestanden ist, zeigt ein Detail der Kabinettsbeschlüsse: Die im Rettungspaket vereinbarte Garantiezeit für die Anleihen deutscher Banken wird von drei auf fünf Jahre ausgeweitet.
Die Alternativen: Noch verhandelt die Regierung mit Flowers. Wenn die bisherigen Aktionäre der Kapitalerhöhung zustimmen, sagt Steinbrück, "brauchen wir keine Enteignung". Als Alternative für künftige Fälle, in denen der Staat taumelnde Unternehmen retten will, soll das Wirtschaftsministerium nun Modelle entwickeln, in denen der Einsatz von Steuergeldern auch ohne Enteignung abgesichert werden kann - zum Beispiel durch Änderungen im Insolvenzrecht.