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Air Berlin: Lufthansa übernimmt Teile von Air Berlin: Was Reisende wissen müssen

Air Berlin

Lufthansa übernimmt Teile von Air Berlin: Was Reisende wissen müssen

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    Eine Maschine der Lufthansa neben einer Maschine von Air Berlin.
    Eine Maschine der Lufthansa neben einer Maschine von Air Berlin. Foto: Wolfgang Kumm, dpa (Archivbild)

    Jetzt ist es offiziell: Lufthansa übernimmt große Teile der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin - eine gewaltige Umwälzung auf dem deutschen Flugmarkt. Was Reisende jetzt wissen müssen - die wichtigsten Fragen und Antworten:

    Was passiert mit den Air-Berlin-Flügen? 

    Air Berlin wird voraussichtlich ab Ende Oktober nicht mehr unter eigener Flugnummer fliegen. Tickets für spätere Flüge verlieren ihre Gültigkeit. Auf der Kurzstrecke verfallen laut eines Konzernsprechers von Air Berlin rund 100.000 Flugtickets. Bereits bekannt waren zudem etwa 100.000 betroffene Tickets auf der Langstrecke, hier wird das Flugangebot bereits am 15. Oktober eingestellt. 

    Geld zurück gibt es nur für Flüge, die nach dem Insolvenzantrag vom 15. August gebucht und bezahlt wurden. Die Kunden können dann mit einer Rückzahlung vom für diese Fälle angelegten Treuhand-Konto rechnen. Wer vorher gebucht hat, geht aller Voraussicht nach leer aus. Denn dieses Geld ist Teil der Insolvenzmasse. 

    Was ist mit Niki? 

    Die Air-Berlin-Tochter Niki soll wohl ebenfalls von Lufthansa übernommen werden. Die Fluggesellschaft ist nicht insolvent, der Flugverkehr soll weitergeführt werden. Für Urlauber ändert sich erst einmal nichts. Wann und wie die Niki-Flüge mittel- bis langfristig in Eurowings-Flüge überführt werden und zu welchen Konditionen, ist noch unklar. Niki wickelt auch die beliebten Mallorca-Flüge ab.

    Welche Strecken übernimmt Lufthansa?

    Die Lufthansa will 81 Flugzeuge und die damit verbundenen Start- und Landerechte übernehmen, mehr als die Hälfte der insolventen Air Berlin. Diese soll in die Billigtochter Eurowings integriert werden. Ein stabiler Flugbetrieb sei aber erst in sechs bis neun Monaten zu erwarten, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Die EU-Kommission muss außerdem prüfen, ob das Geschäft wettbewerbsrechtlich in Ordnung ist, dafür hat sie 25 Arbeitstage Zeit. Bei Bedenken kann sie vertieft prüfen, mit weiteren 90 Tagen. So lang liegt das Geschäft aus Eis. Spohr kündigte an, zum Teil auch bei der Langstrecke Lücken zu schließen, die Air Berlin hinterlassen hat. Lufthansa nimmt zum Beispiel zum 8. November die Strecke von Berlin nach New York neu in den Flugplan auf. Innerdeutsch springt Eurowings auf Strecken ein, auf denen bislang Air Berlin unterwegs war. Eine genaue Übersicht mit allen Strecken, die übernommen werden, gibt es allerdings noch nicht.

    Werden Flüge jetzt teurer? Die europäischen Kartellbehörden prüfen die Übernahme von Air Berlin durch Lufthansa.
    Werden Flüge jetzt teurer? Die europäischen Kartellbehörden prüfen die Übernahme von Air Berlin durch Lufthansa. Foto: Matthias Balk, dpa

    Spohr kündigte in der Rheinischen Post auch ein Angebot an, "um im Ausland gestrandeten Passagieren der Air Berlin die Heimreise zu einem fairen Preis anzubieten, sofern wir die Kapazitäten dafür haben". Details gibt es noch nicht. Neben Lufthansa stoßen auch andere Airlines in die Lücken, die Air Berlin hinterlässt. Eurowings und Condor etwa weiten ihr Flugangebot ab Düsseldorf zu den Urlaubszielen in der Karibik aus.

    Was ist mit Easyjet?

    Air Berlin hat sich mit der britischen Fluggesellschaft noch nicht über einen Verkauf geeignet. Somit ist noch unklar, welche Strecken der Billigflieger übernehmen wird.

    Werden Flugtickets auf bestimmten Strecken jetzt teurer?

    Aus Sicht Spohrs wird das Air-Berlin-Aus die Ticketpreise nicht nach oben treiben. Wegen des Wettbewerbs in Europa und weltweit gehe Lufthansa von weiter sinkenden Preisen aus, hatte er der Rheinischen Postgesagt. Ob dies so kommen wird, muss sich zeigen. Die europäischen Kartellbehörden untersuchen den Deal, weil eingeschränkter Wettbewerb tendenziell zu höheren Preisen führt.  

    Kann ich meine Air-Berlin-Tickets übertragen lassen?

    Dazu gab es von Lufthansa am Donnerstag noch keine Informationen. Denkbar wäre theoretisch die Umwandlung von Air-Berlin-Tickets in Gutscheine für die neuen Eurowings-Flüge. 

    Akzeptiert Lufthansa meinen Air-Berlin-Gutschein?

    Durch die Pleite zahlt Air Berlin keine Entschädigungen für Verspätungen oder Gutscheine mehr aus. Dass stattdessen Lufthansa diese auszahlt, gilt als relativ ausgeschlossen.

    Kann ich ungenutzte Meilen bei Lufthansa einlösen?

    Air-Berlin-Maschine auf dem Flughafen in Berlin-Tegel.
    Air-Berlin-Maschine auf dem Flughafen in Berlin-Tegel. Foto: Wolfgang Kumm, dpa (Archivbild)

    Wie bereits am 20. September angekündigt, können bei Air Berlin gesammelte Meilen wieder in Prämienprodukte und Gutscheine für andere Serviceleistungen eingetauscht werden. Bei Partnern des Programms wie Etihad Airways ließen sich außerdem wieder neue Meilen sammeln, hieß es. "Das gilt unverändert", sagte ein Sprecher. Dass Lufthansa Topbonus-Meilen einlöst, gilt aber ebenfalls als unrealistisch. 

    Was bedeutet der Teilverkauf für meine Pauschalreise?

    Viele Reiseveranstalter haben ihre Pauschalpakete mit Flügen von Air Berlin geschnürt und müssen jetzt umplanen. Doch der Urlauber ist in diesem Fall abgesichert. Der Veranstalter muss für Ersatz sorgen, ohne Extrakosten für den Kunden. "Die Reiseveranstalter buchen die Gäste jetzt schon um, das gilt auch für den Sommer 2018", sagt Kerstin Heinen, Sprecherin des Deutschen Reiseverbands (DRV). Sie rechnet mit geringen Auswirkungen für Pauschalurlauber.

    Allerdings können sich die Flugzeiten empfindlich ändern und Zeit am Urlaubsort verloren gehen. Unter Umständen können Urlauber Geld zurückverlangen. Geht durch die Umbuchung des Fluges zum Beispiel ein Urlaubstag verloren, dürfen Pauschaltouristen den Reisepreis anteilig mindern. Wer bei einer einwöchigen Reise für 700 Euro all inclusive einen Tag verliert, dem stehen 100 Euro zu.  

    Wer um Air Berlins Zukunft ringt

    Nach dem Insolvenzantrag von Air Berlin zeichnet sich ab, dass die Fluggesellschaft von mehreren Konkurrenten übernommen wird. Ganz vorn dabei ist der deutsche Marktführer Lufthansa. Zu den Akteuren gehört ein Leiter des Insolvenzverfahrens und indirekt auch die Bundesregierung. Ein Überblick:

    LUFTHANSA 

    Der umsatzstärkste Luftverkehrskonzern Europas treibt die Übernahme der Air Berlin bereits seit Monaten in Gesprächen mit der Politik und dem Großaktionär Etihad voran. Ein erster Erfolg war die im Januar genehmigte Anmietung und faktische Übernahme von 38 Mittelstrecken-Maschinen, rund ein Viertel der Air-Berlin-Flotte. Lufthansa-Chef Carsten Spohr will nun mindestens ein weiteres Viertel für seine Billigflieger-Gruppe Eurowings sichern, die zusätzliche Maschinen und Slots für die Mittel- und die Langstrecke sucht. Für sein Ziel, den Billigflieger Ryanair von den größeren deutschen Flughäfen so weit es geht fernzuhalten, muss Spohr aus Wettbewerbsgründen größere Marktanteile anderer Anbieter wie der Easyjet in Kauf nehmen.

    DIE ANDEREN INTERESSENTEN

    Außer der Lufthansa sind nach Angaben von Air Berlin noch zwei weitere Interessenten im Geschäft. Nach dpa-Informationen sind Gespräche mit Easyjet und Tuifly geplant. Der Reiseveranstalter Thomas Cook mit seiner Ferienflugtochter Condor bekundete Interesse an einer "aktiven Beteiligung an der Zukunft von Air Berlin". Ein Teil der Thomas-Cook-Feriengäste kommt mit Air Berlin ans Ziel.

    ETIHAD

    Der Staatskonzern aus Abu Dhabi ist seit 2012 Großaktionär von Air Berlin mit einem Anteil von 29,2 Prozent. Wenige Tage, nachdem Etihad die Unterstützung entzogen hatte, sah sich Air Berlin zur Insolvenzanmeldung gezwungen. Ein Großteil der Schulden von Air Berlin in Höhe von 1,5 Milliarden Euro dürfte am Partner hängenblieben, der mehrere Kredite gegeben hat. Etihad wehrt sich gegen den Eindruck, Air Berlin im Stich gelassen zu haben. Das Unternehmen habe im April nochmals 250 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Angesichts der "sich rapide verschlechternden Geschäftsergebnisse und Liquidität" wollte Etihad aber nicht noch mehr Geld in Air Berlin pumpen.

    RYANAIR

    Der Passagier-Europameister Ryanair hat bereits mehr als 300 Flugzeuge und bekommt grob gesagt jedes Jahr 50 neue hinzu, für die in ganz Europa Punkt-zu-Punkt-Strecken gesucht werden. Derzeit gilt das größte Interesse der Iren Deutschland und Italien, wo mit Alitalia und Air Berlin jeweils eine verkehrsreiche Airline in die Insolvenz gegangen ist. Deren Verbindungen würde Ryanair-Chef Michael O'Leary liebend gern übernehmen, die Flugzeuge und teils teuren Crews eher nicht. In Italien gehört Ryanair zum Bieterkreis für das Alitalia-Erbe, in Deutschland fühlen sich die Iren durch den Lufthansa-Deal ausgebootet und haben kartellrechtliche Schritte angekündigt. In der politischen Auseinandersetzung macht ihnen ihr schlechtes Sozial-Image als Arbeitgeber zu schaffen.

    DIE INSOLVENZEXPERTEN

    Gleich zwei Top-Sanierungsexperten des Landes sind in die Rettungsbemühungen involviert. Der Düsseldorfer Jurist Frank Kebekus sitzt als Generalbevollmächtigter an der Seite von Air-Berlin-Vorstandschef Thomas Winkelmann im Cockpit. Sein Credo: So viel "business as usual" hinbekommen. Das Duo Kebekus/Winkelmann leitet die Verkaufsverhandlungen.

    Der zweite Insolvenzexperte, Lucas Flöther, überwacht als vorläufiger Sachwalter im Auftrag der Gläubiger alle Vorgänge. Beide Rechtsanwälte kennen einander seit Jahren vom Gravenbrucher Kreis. In diesem Verband sind die 30 führenden Insolvenzverwalter organisiert.

    Kebekus war zuletzt unter anderem als Insolvenzverwalter beim Modekonzern Steilmann gefragt. Flöther wurde bereits zwei Mal mit der Rettung des Fahrradherstellers Mifa betraut und beschäftigte sich mit der Pleite des Leipziger Internetunternehmens Unister.

    DIE BUNDESREGIERUNG

    Die Bundesregierung hat es durch schnelles Handeln ermöglicht, dass über die Zukunft Air Berlins in halbwegs geordneten Bahnen geredet werden kann. Ohne den Brückenkredit von 150 Millionen Euro hätte die Fluggesellschaft sofort den Betrieb einstellen müssen, Zehntausende Passagiere wären an ausländischen Flughäfen gestrandet. Nun hält es Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für dringend geboten, dass Lufthansa wesentliche Teile der insolventen Airline übernimmt. Allerdings sitzt die Regierung nach eigenen Angaben nicht mit am Verhandlungstisch.

    DIE WETTBEWERBSBEHÖRDEN

    Das Bundeskartellamt und vor allem die EU-Kartellwächter werden überprüfen müssen, ob durch die Übernahme von Air Berlin nicht eine beherrschende Stellung in Teilbereichen des Luftverkehrsmarktes besteht. Das könnte auf einigen europäischen Strecken so sein, wenn sie Lufthansa zufallen. Ryanair hat bereits bei beiden Behörden Beschwerde eingelegt. Die Insolvenz sei künstlich herbeigeführt worden, es gebe ein "Komplott" von deutscher Regierung, Lufthansa und Air Berlin gegen die Konkurrenz.

    Doch die Rechte sind im Einzelfall noch umfassender. Ein Urteil des Amtsgerichts Köln zeigt: Wenn ein Reiseveranstalter den Rückflug in die Nacht vorverlegt, kann der Urlauber vor Reisebeginn den Vertrag ohne Stornogebühren kündigen (Az.: 133 C 265/15). Das Argument: Die Vorverlegung des Rückflugs beeinträchtigt die Nachtruhe empfindlich und ist nicht zumutbar. Im verhandelten Fall wurde der Flug von 14.30 Uhr am Nachmittag auf 3.50 Uhr in der Nacht vorverlegt. Grund war auch hier die Insolvenz der Fluggesellschaft.

    Ich habe Eurowings-Flüge, die von Air Berlin durchgeführt werden sollten. Was passiert damit?

    Eurowings hat eine Wetlease-Vereinbarung mit Air Berlin: Sie hat Flugzeuge und Besatzung der insolventen Fluggesellschaft gemietet. Hier ist immer Eurowings zuständige Airline und Ansprechpartner, wenn es um bestehende Tickets geht. Es gelten die üblichen Rechte für Passagiere: Bei einer Annullierung muss die Fluggesellschaft eine Ersatzbeförderung anbieten oder die Kosten für das Flugticket erstatten. Und Passagieren steht eine Entschädigung zu.

    Soll ich mit der Buchung von Sommerflügen für 2018 noch warten?

    Bei den Strecken und Preisen im Flugsommer 2018 könnte sich noch viel tun. Ob man deshalb mit der Buchung lieber noch abwarten sollte, hängt vor allem vom Flugziel ab. "Bei den beliebten Urlaubszielen würde ich zu Ferienterminen nicht auf Schnäppchen warten", sagt der Luftverkehrsexperte Cord Schellenberg aus Hamburg. "Die Preise werden da nicht sinken, keiner wird Umsatz verschenken wollen." Das Prinzip von Angebot und Nachfrage gelte unverändert. "Das wird die Lufthansa nicht neu erfinden", so Schellenberg. Entsprechend gilt auch: Günstig wird es vor allem für Flugziele, die in der Gunst der deutschen Urlauber derzeit nicht vorne liegen - etwa die Türkei. AZ, dpa

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