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Memmingen: Echter Familienbetrieb: Fünf Kinder des Gründers arbeiten bei Berger

Memmingen

Echter Familienbetrieb: Fünf Kinder des Gründers arbeiten bei Berger

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    Firmengründer Alois Berger und seine Kinder Karin Berger-Haggenmiller (kaufmännisch) und Oswald Berger (technisch).
    Firmengründer Alois Berger und seine Kinder Karin Berger-Haggenmiller (kaufmännisch) und Oswald Berger (technisch). Foto: Ralf Lienert

    Als Alois Berger an diesem Vormittag durch die Produktionshalle in Memmingen geht, nimmt er ein rundes Bauteil aus Edelstahl zur Hand. Es hat einen Durchmesser von zwei Zentimetern. „Das ist in elf Sekunden fertig“, sagt der 85-jährige Gründer der Firma Berger. „Hohe Präzision in hoher Menge“ lautet die Devise des Unternehmens. Tag für Tag verlassen 1,5 Millionen Teile allein die deutschen Berger-Werke. Diese Produkte, deren Präzision teilweise ein Sechzigstel einer Haarstärke erreicht, kommen beispielsweise zum Einsatz, wenn ein Cabriofahrer sein Dach öffnet. Und sie stecken in Turboladern genauso wie in der Einspritztechnik von Lastwagen. Die Automobilindustrie ist jedoch nicht der einzige Kunde: So liefert die Firma Berger auch Teile für Ventile an Flugzeugen, für Bohrmaschinen oder Winkelschleifer.

    "Berger Holding" ist Prototyp eines Familienbetriebs

    Beim Fototermin in der Zentrale der Berger-Holding in Memmingen sind auch Alois Bergers Tochter Karin und Sohn Oswald dabei. Das Unternehmen ist der Prototyp eines Familienbetriebs. Fünf der sieben Kinder des Firmengründers und seiner Frau Edith sind im Betrieb. Schon in frühester Kindheit seien sie mit dem Unternehmen in Berührung gekommen, erzählt Oswald Berger: „Bei den Eltern war das jeden Mittag das Gesprächsthema.“ Und wenn der Papa Stress im Geschäft hatte, dann hieß es, dass er jetzt seine Ruhe brauche.

    Offensichtlich hatten sich die Kinder schon sehr bald mit dem Unternehmen identifiziert. Karin Berger-Haggenmiller erinnert sich, wie sie früher gemeinsam mit den Eltern zur Post gingen: „Wer die meisten Briefe mit Schecks öffnete, hatte die größte Freude.“ Und Oswald Berger stellte schon als kleiner Bub einem Mitarbeiter, der hinter einer Maschine stand, eine entscheidende Frage: „Schaffst du was oder versteckst du dich?“ Doch jenseits solcher Anekdoten haben die Berger-Kinder damals schon verinnerlicht: „Eine Firma muss immer weiterentwickelt werden. Man darf nie aufhören, in neue Technologien zu investieren. Man darf sich nie ausruhen.“ Als Oswald Berger dies sagt, nickt sein Vater: „Das ist genau der richtige Weg.“

    Der 55-jährige Oswald Berger und seine vier Jahre ältere Schwester Karin sind heute die Geschäftsführer. Die beiden sehen sich in der Unternehmer-Familie als „Erste unter Gleichen. Es muss halt jemand unterschreiben“. Einmal im Monat treffen sich die Geschwister zu einem Jour fixe. Doch auch sonst haben sie genug Gelegenheiten, sich abzustimmen: Die meisten BergerKinder leben in der Unterallgäuer Marktgemeinde Ottobeuren, wohin das Unternehmen bereits in den 1950er Jahren umgezogen war. Und die nächste Generation mischt schon mit: Drei Enkel arbeiten im Betrieb, einer hat bereits eine leitende Position übernommen.

    Karin Berger-Haggenmiller: „Wir sind nah bei unseren Leuten“

    Wie die Führungskräfte in dem Unternehmen agieren, beschreibt Karin Berger-Haggenmiller so: „Wir sind nah bei unseren Leuten. Bei uns muss man nicht erst sieben Hierarchiestufen durchlaufen, bis man beim Chef angekommen ist.“ Für Angestellte in finanziellen Schwierigkeiten gebe es immer wieder Firmenkredite. Und wenn beispielsweise ein junger Kollege ein Problem mit der Polizei habe, dann könne er auf die Hilfe des Lehrlingsmeisters zählen. „Ich gehe mit Menschen anders um als andere“, sagt Alois Berger über sich. „Für mich ist jeder wichtig.“

    Etwa zehn Prozent der Mitarbeiter sind laut Karin Berger-Haggenmiller noch in der Ausbildung. „Doch viele bleiben nicht in ihrem technischen Beruf, sondern machen eine Weiterbildung.“ Das Facharbeiterproblem sei schon jetzt ein Wachstumshemmer, konstatiert Oswald Berger: „Das gilt aber auch für andere Länder.“ Darum sei es der Wunsch des Unternehmens, dass die Politik ein Einwanderungsgesetz beschließt. In Kanada, wo dies längst Realität ist, arbeiten 170 Menschen aus 34 Nationen im Werk der Firma Berger. Das Unternehmen betreibt elf Standorte in fünf Ländern. Darunter auch in China: „Das ist der größte Automobilmarkt der Welt“, sagt Oswald Berger. Denkbar sei auch, nach Mexiko oder Indien zu gehen.

    Die Berger Holding mit Sitz im oberschwäbischen Memmingen ist ein Hersteller von einbaufertigen Präzisionsdrehteilen, Kugelgewindetrieben, Motorspindeln und Baugruppen.
    Die Berger Holding mit Sitz im oberschwäbischen Memmingen ist ein Hersteller von einbaufertigen Präzisionsdrehteilen, Kugelgewindetrieben, Motorspindeln und Baugruppen. Foto: Ralf Lienert

    Eine Karriere als internationaler Unternehmer war Firmengründer Alois Berger beileibe nicht in die Wiege gelegt. Geboren im Böhmerwald, hatte das Flüchtlingskind im Unterallgäu erst einmal karge Zeiten zu überstehen. Bis zum 18.Geburtstag schlief er mit seinem Bruder in einem Bett, das im Hausgang stand. Doch er hatte einen unbändigen Willen, nach oben zu kommen: „Schon im zweiten Ausbildungsjahr als Kaufmann war mir klar, dass ich mich selbstständig mache.“ Und seiner späteren Frau habe er nach dem Kennenlernen gleich erklärt, „was Drehteile sind“.

    Alois Berger gründete sein Unternehmen mit gerade einmal 22 Jahren

    Sie half beim Ausgraben der Fundamente, als Berger mit gerade einmal 22 Jahren seine Firma in Kaufbeuren-Neugablonz gründete. „Ich habe mit nichts angefangen“, erzählt der 85-Jährige. „Es war eine unvergessliche Zeit.“ Zu den ersten Kunden ging es noch mit dem Fahrrad: „Wir mussten hart arbeiten und Opfer bringen“, wird Alois Berger in einem Buch über das Unternehmen zitiert. Doch es ging bald aufwärts, auch wenn ein Facharbeitermangel die Firma schon in ihren Anfangszeiten belastete. Und auch an anderer Stelle musste Berger kämpfen: „Die Finanzierung durch die Banken war sehr schwierig, da wir kein Privatvermögen hatten und das Eigenkapital sehr niedrig war.“

    Heute hat es Berger als Automobilzulieferer mit einer Branche im Umbruch zu tun. Die Elektromobilität werde „ab 2025 massiv zunehmen, falls die Hersteller adäquate Fahrzeuge anbieten und es genügend Ladestellen gibt“, sagt Oswald Berger. „Auf diesem Markt sind wir heute schon dabei und liefern Teile für Lenkung und Bremsen.“ Berger produziere auch Bauteile für E-Bikes. Den Verbrennungsmotor hat das Unternehmen aber keineswegs abgeschrieben: „Ihn wird es noch lange geben, auch wenn kein Wachstum mehr zu erwarten ist. Für die großen Zulieferer wird er auch künftig ein Teil des Geschäfts sein“, sagt Oswald Berger.

    Das Unternehmen macht sich jetzt fit für die Zukunft und erweitert das Werk in Ottobeuren. Auch die Zentrale der Berger-Holding in Memmingen soll größer werden. „Permanentes Wachstum in Betrieb und Familie“ hat der frühere bayerische Wirtschaftsminister Otto Wiesheu einmal konstatiert und damit auf den wirtschaftlichen Erfolg und die große Kinderschar der Bergers angespielt.

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